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Rückschlag im Kampf gegen Boko Haram

Annabelle Steffes4. Juli 2015

Es sind die blutigsten Angriffe seit Monaten: In den vergangenen Tagen tötete Boko Haram etwa 170 Menschen. Dabei hatte der neue Präsident Buhari den Kampf gegen die Terrorgruppe zu seiner Priorität erklärt.

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Symbolbild Soldaten Nigeria (Foto: ISSOUF SANOGO/AFP/Getty Images)
Bild: Getty Images/AFP/I. Sanogo

Es war ein junges Mädchen von etwa 15 Jahren, das den jüngsten Anschlag in Nigeria verübte. Am Donnerstag sprengte sie sich in einer Moschee in Malari, im nigerianischen Bundesstaat Borno, in die Luft und riss12 Gläubige mit sich in den Tod. Alles deutet daraufhin, dass auch dieser Anschlag auf das Konto der Terrororganisation Boko Haram geht. Seit 2009 terrorisiert Boko Haram vor allem den Nordosten Nigerias und hat in der Vergangenheit immer wieder junge Nigerianer als Selbstmordattentäter missbraucht.

Bereits am Mittwoch tötete die Terrororganisation rund 100 Menschen bei einem Anschlag auf mehrere Moscheen in Kukuwa am Tschad-See: "Die Terroristen haben zunächst muslimische Gläubige angegriffen, die in mehreren Moscheen zum Gebet versammelt waren", sagte ein Augenzeuge. "Sie haben die Moscheen umstellt und dann auf die Gläubigen geschossen, vor allem junge Männer und Kinder". Einen Tag zuvor hatten Boko-Haram-Kämpfer zwei Dörfer in der Nähe der Stadt Monguno angegriffen und 48 Männer getötet. "Die beiden Dörfer wurden vollständig zerstört", sagte der nigerianische Abgeordnete Mohammed Tahir.

Seit Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan vor gut zwei Wochen hat die Miliz die Frequenz der Anschläge deutlich erhöht und dabei vermehrt auch Moscheen ins Visier genommen.Diejenigen, die vor den Anschlägen in Kukuwa und Monguno fliehen konnten, warnt Garba Tela, Menschrechtsaktivistin im nigerianischen Staat Gombe davor, vorschnell zurückzukehren: "Bis die Behörden die Regionen geräumt und die Sicherheit wiederhergestellt haben, sollten die Flüchtlinge nicht zurück nach Hause gehen. Es ist wirklich gefährlich."

Selbstmordanschlag auf einen Markt in Maiduguri am 22. Juni 2015 (Foto: AP Photo/Jossy Ola)
Ein Selbstmordanschlag auf einen Markt in Maiduguri am 22. Juni 2015Bild: picture-alliance/AP Photo/Jossy Ola

Trotz Rückeroberungen sind die Islamisten noch nicht besiegt

Der Kampf gegen den Terror ist das erklärte Ziel der neu gewählten Regierung unter Präsident Muhammadu Buhari. Er bezeichnete die jüngsten Angriffe in einem Statement als "unmenschlich und barbarisch". Im Frühjahr war es dem nigerianischen Militär in mehreren Offensive gelungen, Boko Haram zurückzudrängen und einige Städte zurückzuerobern. "Sie (Boko Haram) wurden dadurch geschwächt und es ist ihnen ihnen nicht gelungen, die eroberten Regionen zu halten", so Kabiru Adamu, Dozent an der Universität von Kano. "Möglich wurde der Vorstoß des nigerianischen Militärs mithilfe einer internationalen Truppe, zu der auch Soldaten aus dem Tschad, Niger und Kamerun gehören. Präsident Buhari forderte, dass man eine effektivere internationale Koalition gegen die Unruhen und den Terror formieren müsse. Bereits auf dem G7-Gipfel in Deutschland vergangenen Monat warb Buhari bei den anwesenden Staatsmächten für mehr Engagement im Kampf gegen den Terrorismus.

Wie seine weitere Strategie im Detail aussieht, ist allerdings noch unklar. "Päsident Buhari ist erst vier Wochen im Amt und konnte auf die aktuelle Situation nicht gefasst sein", so Tukur Abdul-Kadir, Politikwissenschaftler an der Universität von Kaduna im DW-Interview. "Wir sollten nicht erwarten, dass er Boko Haram über Nacht aus dem Nordosten Nigerias vertreibt. Es wird einige Zeit dauern." Abdul-Kadir schätzt die jüngsten Anschläge nicht als ernstzunehmenden Vorstoß von Boko Haram ein, da sie bis dato keine größeren Städte zurück erobern konnten. "Die Art ihrer Anschläge zeigt, wie frustriert und hoffnungslos die Terroristen sind", so Abdul-Kadir. "Ich glaube, dass sie auf sich aufmerksam machen wollten. Sie wollen der Regierung zeigen, dass sie immer noch existieren." Für Abdul-Kadirs These spricht, dass sich mittlerweile auch die eigenen Leute gegen Boko Haram zu wenden scheinen. In Miringa im Nordosten Nigerias sollen die Islamisten elf ihrer eigenen Kämpfer enthauptet haben, die Boko Haram verlassen und sich der Regierung stellen wollten. "Die Wahrheit ist, dass viele dieser Leute des Tötens müde sind und anfangen, ihre Taten zu bereuen. Aber sie (Boko Haram) lassen das nicht zu", so ein Augenzeuge.

Nigerianische Soldaten im Einsatz gegen Boko Haram (Foto: ISSOUF SANOGO/AFP/Getty Images)
Nigerianische Soldaten im Einsatz gegen Boko HaramBild: Getty Images/AFP/I. Sanogo

Eine bessere Entwicklungspolitik für den strukturschwachen Norden

Muhammadu Buhari auf dem G7-Gipfel mit Bundeskanzlerin Merkel (Foto: REUTERS/Christian Hartmann)
Muhammadu Buhari auf dem G7-Gipfel mit Bundeskanzlerin MerkelBild: Reuters/C. Hartmann

Terror, Gewalt, Angst - die jüngsten Anschläge sind ein herber Rückschlag für die junge Regierung unter Präsident Buhari. Politischen Willen hatte er seit seinem Amtsantritt am 29. Mai durchaus gezeigt, etwa indem er die Kommandozentrale für den Militäreinsatz gegen Boko Haram aus der Hauptstadt Abuja mitten in das Konfliktgebiet im Nordosten des Landes verlagert hat. Die Nigerianer erwarten jetzt, dass er ein weiteres seiner Wahlversprechen umsetzt: Boko Haram rekrutiert seine Anhänger häufig im strukturschwachen und armen Norden - eine marginalisierte Region, in der staatliche Strukturen kaum vorhanden sind. Buhari hatte bei Amtsantritt versprochen, die Missstände im Norden zu verbessern und der jungen Bevölkerung eine Perspektive zu geben.

Mitarbeit: Abu-Bakarr Joalla, Usman Shehu und Lateefa Ja'Afar