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EU-Krise made in France

Das Interview führte Angela Göpfert13. April 2007

Frankreich hat sich mit dem gescheiterten Referendum zum EU-Verfassungsvertrag in eine europapolitische Sackgasse manövriert. DW-WORLD.DE sprach mit dem Europa-Experten der SPD über Auswege aus der Krise.

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Der europapolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion: Axel Schäfer
Der europapolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion: Axel SchäferBild: picture-alliance/dpa

DW-WORLD.DE: Herr Schäfer, wer wäre denn Ihrer Meinung nach der beste Präsident für Europa?

Axel Schäfer: Wenn man abwägt zwischen den drei Kandidaten, die in der engeren Wahl sind, haben wir mit Ségolène Royal sicherlich die besten Chancen. Denn sie ist von allen am stärksten "europa-integrationistisch" orientiert.

Royal will die Verfassungskrise ja durch ein erneutes Referendum 2009 lösen. Ihr konservativer Konkurrent Nicolas Sarkozy sagt dagegen: "Ein zweites Referendum würde Europa zerstören." Will Madame Royal nicht aus den Fehlern der Vergangenheit lernen?

Es gibt prinzipiell zwei Möglichkeiten, wie man mit dieser Frage umgeht: die Methode Balkenende und die Methode Juncker. In beiden Ländern, sowohl in den Niederlanden als auch in Luxemburg, haben Referenden zur EU-Verfasung stattgefunden. Der eine, Herr Balkenende, hat sich vorwiegend zurückgelehnt. Der andere, Herr Juncker, hat seinen Kopf unter die Guillotine der Volksabstimmung gelegt nach dem Motto: "Wenn Ihr mich wollt, dann müsst Ihr für die EU-Verfassung stimmen." Wenn man sich also ernsthaft für das europäische Projekt engagiert, dann muss man das mit seiner ganzen Person, mit seiner politischen Existenz verbinden. Wir wissen, dass es in Frankreich eine große Mehrheit für eine europäische Verfassung gibt. Es wird bei einem neuen Referendum deshalb darum gehen, auch tatsächlich Europa zum Thema der politischen Abstimmung zu machen.

Der Zentrumspolitiker François Bayrou gilt ja von allen Kandidaten als der überzeugteste Europäer. Wäre er deshalb für Deutschland und die deutsche EU-Ratspräsidentschaft der verlässlichste Partner von allen?

Wir gehen in Deutschland davon aus, dass wir es in Frankreich immer mit verlässlichen Partnern zu tun haben - kommen sie nun aus der Mitte, seien sie konservativ oder sozialdemokratisch. Das hat in weiten Teilen mit Chirac funktioniert und auch mit seinen Vorgängern. Nichtsdestotrotz wurden bisher dreimal Entwicklungen in Europa von Frankreich gestoppt: 1945 durch die Ablehnung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft in der Nationalversammlung, 1965 durch die "Politik des leeren Stuhls" von Charles de Gaulle und jetzt durch die Beeinträchtigung des Verfassungsprozesses. Aber egal, wer von den dreien gewählt wird: Sie werden ihre europäischen Verpflichtungen schon wahrnehmen.

Wie stehen denn die Kandidaten zu einem möglichen EU-Beitritt der Türkei?

Da ist der Unterschied zwischen Sarkozy und Royal am größten. Sarkozy hält einen Beitritt der Türkei nur für den Fall eines positiven Referendums in Frankreich vertretbar. Wir wissen aber, dass Referenden über andere Länder, wenn es Konflikte gibt, wahrscheinlich nirgendwo auf der Welt zu gewinnen sind. Royal ist dagegen überzeugt: Die Türkei gehört zu Europa. Ein weiterer Knackpunkt ist Sarkozys Haltung gegenüber den USA. Sarkozy hat bei seinem Bush-Besuch im Herbst letzten Jahres deutlich signalisiert, dass er ein "Atlantiker" ist. Das würde natürlich sowohl für Frankreich als auch für Europa eine neue Schwierigkeit bedeuten. Weil Europa seine Handlungsfähigkeit und Identität aus einer gemeinsamen Politik und nicht aus einer bestimmten Definition, wie verhält man sich gegenüber Amerika, gewinnt.

Axel Schäfer ist Mitglied des deutschen Bundestages und europapolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.