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Südamerika rüstet auf

Vera Möller-Holtkamp8. Oktober 2008

Die Gründe für die Aufrüstung sind vielfältig: Polarisierende Ideologien auf der einen, alte Konflikte auf der anderen Seite. Besonders bemerkenswert aber: Der Ressourcenreichtum treibt die Militärausgaben in die Höhe.

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Leopard II A4-Panzer in Polen (Quelle: dpa, 14.5.2003)
Nicht verschrottet, sondern verscherbelt: ausrangierte deutsche PanzerBild: picture-alliance/dpa
Die größte Kupfermine Chuquicamata in Chile (Quelle: DW)
Die größte Kupfermine Chuquicamata in ChileBild: DW/Luna Bolivar

Die reichen Ölstaaten auf der arabischen Halbinsel machen es seit Jahrzehnten vor: Je höher die Rohstofferlöse ausfallen, desto mehr Geld kann für Rüstung ausgegeben werden. Dieser Trend ist auch in Südamerika klar messbar. Am deutlichsten in den Ländern, die ihre Militärhaushalte direkt an den Ressourcengewinn koppeln. In Zeiten hoher Rohstoffpreise erfreuen sich die südamerikanischen Militärs eines kontinuierlichen Geldsegens.

Militärs auf Shoppingtour

Vorreiter und Pate für dieses Modell der ressourcenfinanzierten Rüstungspolitik ist Chile. Seit dem Jahr 1958, also lange vor der Militärdiktatur, führte das Land das sogenannte "Kupfergesetz" ein, die "Ley Reservada del Cobre". Zehn Prozent aus den Gewinnen des staatlichen Kupferkonzerns CODELCO werden demnach automatisch in den Militärhaushalt geleitet - und gehen zu gleichen Teilen an Marine, Heer und Luftwaffe. In Zeiten hoher Kupferpreise ist dies ein wahres El Dorado für die Uniformierten, die dadurch weltweit auf Shoppingtour gehen.

Bundesverteidigungsminister Jung und sein chilenischer Amtskollege Jose Goni Carrasco vor dem Model eines Panzers (Quelle: AP, 14.11.2007)
Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung und sein chilenischer Amtskollege Jose Goni Carrasco im vergangenen NovemberBild: AP

Neben US-amerikanischen F16-Kampfjets und vielen anderen Waffentypen aus Frankreich, den Niederlanden und Spanien, kaufte Chile im Jahr 2007 von Deutschland 14 gebrauchte Leopard II - die als die schlagkräftigsten Panzer der Welt gelten und eigentlich nur an Nato-Partner, EU-Mitglieder und stabile, friedliche Demokratien ausgeliefert werden. Der chilenische Fall ist wegen der Grenzstreitigkeiten mit seinen nördlichen Nachbarn im wahrsten Sinne ein Grenzfall - und steht daher in der Kritik. 114 dieser Panzer nennt Chile seit der Vertragsschließung 2006 sein eigen. Es ist das einzige südamerikanische Land, das diesen Typus besitzt. 124 Millionen US-Dollar sind die ausrangierten Panzer dem Andenstaat wert. 300 wünscht sich das Land insgesamt. Schnell sind die Leoparden-Panzer und auch im unebenen Gelände schusssicher. Chile hat diese Panzer an seiner Nordgrenze stationiert, was seine traditionell mit ihm verfeindeten Nachbarn Peru und Bolivien naturgemäß als Provokation betrachten.

Ecuador und Peru wollen militärisch wachsen

Was in Chile das Kupfer, ist in Ecuador das Erdöl. Als das Land 1972 mit der Förderung von Erdöl begann - installierte das ehemalige Militärregime auch den ressourcenfinanzierten Rüstungsfonds - den Fondo de Defensa Nacional. Neben Chile und Ecuador besitzt seit dem 1. Januar 2005 auch Peru einen derartigen Rüstungsfonds. Der "Fondo para las Fuerzas Armadas y Policía Nacional" speist sich mit Einnahmen aus dem Verkauf von Erdgas, das seit August 2004 aus dem Amazonas-Gebiet gefördert wird.

Die Atacamawüste - Grenzgebiet zwischen Chile, Bolivien und Peru - für Panzer kein leichtes Terrain (Quelle: DW)
Die Atacamawüste - Grenzgebiet zwischen Chile, Bolivien und Peru - für Panzer kein leichtes TerrainBild: picture alliance / united archives

Bis zum Jahr 2025 sollen auf diese Weise zusätzliche 1,2 Milliarden US-Dollar für Modernisierung, Reparatur und Unterhalt der Rüstungsgüter zur Verfügung stehen. Erklärtes Ziel der peruanischen Regierung war es, dadurch "das strategische Gleichgewicht mit Chile herzustellen" (Plan Estratégico 2005-2021). Auch Bolivien will ein derartiges ressourcenabhängiges Aufrüstungsprogramm auf die Beine stellen.

Experten besorgt

Rüstungsexperte Michael Radseck vom GIGA-Institut in Hamburg beobachtet die Aufrüstungstendenzen in Südamerika mit Besorgnis. Die Modernisierung und Aufrüstung der Streitkräfte einiger Länder, wie Chile, habe abschreckende Wirkung auf die Nachbarländer und verstärke das militärische Ungleichgewicht - "unbeschadet der gebetsmühlenartigen Beteuerungen der chilenischen Regierung, die eigenen Streitkräfte nur modernisieren und keine offensiven Ziele verfolgen zu wollen", sagt Radseck. Unstrittig sei, dass die "unilateralen Großwaffenkäufe durch das chilenische Militär die historisch belasteten Beziehungen zu seinen nördlichen Nachbarn nicht hat entspannen und die offenen Grenz- und Territorialkonflikte nicht hat maßgeblich entschärfen lassen", so Radseck.

Hugo Chávez kündigt Seemanöver mit Russland an (Quelle: AP, 07.09.08)
Im September kündigte Hugo Chávez Seemanöver mit Russland anBild: AP

Von einer allumfassenden Rüstungsspirale in Lateinamerika spricht aber weder Michael Radseck, noch Günther Maihold von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Auch Maihold verzeichnet einen "dramatischen Zuwachs der Militärausgaben" - aber vor allem in den Ländern Chile, Brasilien, Venezuela und Kolumbien. Die Länder Peru, Ecuador und Bolivien nennt er nicht. Zu gering sind hier die Gelder, die die Ressourcen tatsächlich abwerfen. Ein wirkliches Gleichziehen mit Kupferweltmarktführer Chile im Sinne einer echten Rüstungsspirale ist aus ökonomischen Gründen nicht möglich. Aber auch wenn die Mittel für ein Wettrüsten bei den nördlichen Nachbarn Chiles noch nicht vorhanden sind, so ist das Bedrohungsszenario für die Betroffenen doch real.

Wettrüsten zwischen Kolumbien und Venezuela

Ein echter Rüstungswettlauf zeichnet sich allerdings zwischen Kolumbien und Venezuela ab. Kolumbien, das im Kampf gegen die Drogenkriminalität und als Bündnispartner von den USA massiv mit Waffenlieferungen unterstützt wird, liefert sich mit Venezuela ein Duell der Abschreckungsrhetorik. Der venezolanische Staatschef Hugo Chávez, der nicht müde wird, vor dem "Feind" USA zu warnen und sein Land für einen asymmetrischen Krieg gegen den "Imperialismus" fit machen will, hat durch seinen Ölreichtum genügend Petrodollar für Waffenkäufe übrig.

Er will die Vormachtstellung - Präsident Lula Da Silva (Quelle: dpa, 05.07.2007)
Er will die Vormachtstellung - Präsident Lula Da SilvaBild: picture-alliance/dpa

Auch Brasilien hat schon Interesse an dem Leopard-II -Panzer angemeldet, wie Michael Radseck berichtet. Vor allem aber im Bereich Luftwaffe hat das Land in den vergangenen Jahren stark aufgerüstet, was im Hinblick auf die Größe und die physionomischen Gegebenheiten des Landes auch nachvollziehbar ist. Einen Sonderfall stellt Brasilien nach Einschätzung Radsecks dar, da es mit "seinen Waffenkäufen vor allem seinen regionalen Führungsanspruch militärisch untermauert." Insoweit müsse auch Brasilia auf die Rüstungskäufe durch Santiago de Chile und Caracas reagieren.