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Interview mit Thomas Südhof

Mu Cui30. Oktober 2013

Der deutsche Forscher Thomas Südhof erhält in diesem Jahr den Nobelpreis für Medizin. Im DW-Interview spricht er über die Arbeitsbedingungen in den USA und darüber, was er sich beruflich sonst hätte vorstellen können.

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Thomas Südhof in seinem Labor (Bild: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

DW: Herr Südhof, zuallererst noch einmal herzlichen Glückwunsch zum Nobelpreis für Medizin und Physiologie. Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie davon erfahren haben?

Thomas Südhof: Ich war natürlich überrascht, erfreut, etwas ungläubig und sehr froh. Ich habe mich vor allem für meine Leute gefreut, weil es für sie natürlich ganz wichtig ist, in einem erfolgreichen Labor zu arbeiten.

Sie sind seit vielen Jahren an der Stanford Universität, vorher waren Sie am Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin in Göttingen. Wie unterscheiden sich die Forschungsbedingungen in Deutschland und den USA?

Die Unterschiede sind beträchtlich. In Deutschland ist die Forschung sehr gut finanziert. In den USA müssen wir dagegen sehr ums Geld kämpfen Dafür gibt es in Deutschland bei der Kommunikation mehr Probleme als in Amerika. Hier tauschen sich die Labore besser aus, dadurch wird die Forschung dynamischer.

Vielleicht bekommen Sie ja jetzt – mit dem Nobelpreis in der Tasche – Angebote aus Deutschland?

Nein, für Deutschland bin ich zu alt. In Amerika bin ich mit meinen 57 Jahren zwar auch kein junger Mann mehr, stehe aber auch nicht kurz vor der Pensionierung wie in Deutschland. Wenn man mit 65 oder 68 Jahren pensioniert wird, bedeutet das, dass man mit Anfang 60 damit beginnen muss, seine Arbeit langsam herunter zu fahren. Ich bezweifele, dass ich daran Interesse habe.

Warum forschen Sie überhaupt in der Biologie?

Ich finde vor allem die Hirnforschung extrem spannend. Es gibt in der Wissenschaft zwar viele interessante und noch nicht beantwortete Fragen – zum Beispiel, wie das Universum aufgebaut ist und wie es expandiert. Aber für mich, der auch sehr an Kunst und Kultur interessiert ist, ist die Frage, welche Prozesse im Gehirn für das Denken und Fühlen verantwortlich sind, wahnsinnig interessant.

In der Schule waren Sie in fast allen Fächern sehr gut, bis auf Sport. Haben Sie sonst noch Schwächen?

Meine größte persönliche Schwäche ist meine Ungeduld. Mit dem Sport habe ich mich inzwischen versöhnt. Ich treibe inzwischen sogar ganz gerne Sport.

Ihre Kollegen sagen aber, dass Sie nett und immer sehr geduldig sind … .

Ich glaube, ich kann meine Ungeduld gut verbergen (lacht).

Was würden Sie heute tun, wenn Sie nicht Biologe geworden wären?

Ich finde Geschichte und vor allem Kunstgeschichte und Kulturgeschichte wahnsinnig interessant. Andererseits ist es auch von Vorteil, Jura oder Wirtschaft zu studieren, wenn man die Welt beeinflussen will. Dadurch kommt man möglicherweise in die Position, die Dinge wirklich aktiv zu beeinflussen.

Was ist das Wichtigste für einen Wissenschaftler?

Ich wünschte, ich könnte diese Frage beantworten. Ich glaube, Neugier ist extrem wichtig. Aber auch die Energie zu besitzen, Projekte durchzuführen und Dinge in die Tat umzusetzen.

Sie meinen die Durchsetzungskraft?

Ja.

Kann man an dieser Fähigkeit arbeiten?

Ich glaube, es hat viel damit zu tun, wie man aufwächst und was für ein Mensch man ist. Es gibt Menschen, die haben von Natur aus mehr Energie als andere und ich bin sehr dankbar, dass das bei mir so ist.

Thomas Südhof, geb. 1955 in Göttingen, ist Professor für Biochemie an der Stanford University. Dort forscht er in den Neurowissenschaften an den Synapsen, den zentralen Schaltstellen des Nervensystems. 2013 wurde er gemeinsam mit James Rothman und Randy Schekman mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ausgezeichnet.

Die Fragen stellte Mu Cui