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„Südtirol ist nicht Italien“: Warum die extreme Rechte in Südtirol Erfolg hat

Kirstin Hausen29. Oktober 2008

Die Schützen der Kompanie „Andreas Hofer“ im Passeier Tal nahe Meran sind mitten in einer Übung. Sie schießen mit Platzpatronen. Scharfe Munition erlaubt die italienische Regierung den Südtiroler Schützen nicht.

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Trachtler/ Gebirgsschützen marschieren bei strömendem Regen über eine Wiese (dpa).
Man fühlt sich nicht unbedingt als Italiener: Die Südtiroler fürchten zuviel Einfluss aus Rom.Bild: AP

„In den Gewehren ist der Lauf zugeschweißt, dass kein scharfer Schuss hineinpasst und auch nicht hinausgeht“, erklärt Schützenhauptmann Lorenz Hofer. Sonst hätten die Schützen keine Gewehre bekommen. „Italien hätte ja nie Südtirol genehmigt, Gewehre zu richten, das wäre ja fast eine militärische Ausrichtung“, sagt er.

Hofer schaut ein wenig verlegen. Er ist jung, noch keine 30 Jahre alt. Glattrasiertes Gesicht, braune Augen. Er hat seine Stimme nicht der Südtiroler Volkspartei SVP gegeben, weil er ihre Politik zu konziliant gegenüber Rom findet, trotz der weitreichenden Autonomie, die die bürgerliche SVP in jahrzehntelangen Verhandlungen für Südtirol erstritten hat.

Was Italien an Südtirol hat

Damals sei die Autonomie ein Vorschlag gewesen, der für Südtirol gut gepasst habe, sagt Hofer. Jetzt sei er aber überholt. „Blicken wir nur nach Jugoslawien, da bekommen einige kleine Staaten die Selbstbestimmung, das wäre ja keine große Sache.“ Aber wenn Südtirol unabhängig würde, würde Italien viel verlieren, ist sich Hofer sicher. Sowohl im Tourismus-Bereich als auch bei der Stromproduktion sei Südtirol stark: 60 Prozent des Stroms, der in Südtirol produziert wird, gehe nach Italien. „Und diese 60 Prozent müsste Italien dann von Südtirol kaufen, das wären enorme Summen“, erklärt Hofer.

Lorenz Hofer kann sich aber nicht mit der politischen Zugehörigkeit zu Italien abfinden. Außerdem hat er Angst um das, was die Landesregierung erreicht hat. Dem italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi traut er jedenfalls nicht. „Unsere Autonomie ist sicher ein Schutz für uns“, sagt er. Aber man müsse bedenken, dass diese Autonomie nur ein Geschenk sei, sagt er. „Italien könnte jeder Zeit sagen: ‚Autonomie braucht ihr keine mehr, es geht auch ohne‘.“

Angst um die Autonomie

Das Thema der Autonomie ist zentral für die politische Stimmung in Südtirol. Auch weil mit der Regierung Berlusconi in Rom wieder ein Parteienbündnis an die Macht gekommen ist, das sich in der Vergangenheit als ausgesprochen autonomiefeindlich erwiesen hat. Denn zur Autonomie gehört auch, dass Rom die Steuern aus Südtirol zu 90 Prozent zurück an die Region überweisen muss.

Die Landeswahlen vom Sonntag (26.10.08) haben gezeigt, dass viele Südtiroler um ihre Autonomie fürchten. Die Parteien am rechten Rand haben diese Angst geschickt genutzt und ihre radikalen Forderungen erfolgreich unter das Volk gebracht.

Zwei Völker in einer Region

Natürlich gebe es die richtigen Patrioten, die sich von Rom lossagen wollten, sagt der Südtiroler Wirt Erwin Pichler. „Aber ich frage mich, was dann kommt? Da hab ich ein großes Fragezeichen.“ An seinem Tresen wird die politische Zukunft Südtirols gerne diskutiert - vor allem von den deutschsprachigen Bewohnern des Tals.

In den Tälern Südtirols leben fast ausschließlich Deutschsprachige. Die italienischsprachigen Bewohner sind überwiegend in den Städten, vor allem in Bozen. Sprachgruppenübergreifende Parteien haben es schwer.
Die Südtiroler wählen nach ethnischer Zugehörigkeit, auch wenn man offiziell nicht von unterschiedlichen Volksgruppen, sondern von Sprachgruppen spricht. Für den Schützenhauptmann Lorenz Hofer geht die Trennung aber viel weiter: „Wir sind einfach ein anderes Volk, wir sind Germanen und die anderen sind Italiener oder Rätoromanen oder wie man sie heißen soll. Das ist ein Unterschied und der wird immer bleiben.“