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Politik

Sacharow-Preis für Venezuelas Opposition

26. Oktober 2017

Es ist eine politische Entscheidung: Der Menschenrechtspreis des Europaparlaments geht an die venezolanische Opposition - und wird als Signal gegen Präsident Nicolas Maduro gewertet. Bernd Riegert berichtet.

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Belgien Julio Borges zu Besuch in Brüssel
Geehrt mit Sacharow-Preis: Julio BorgesBild: Getty Images/AFP/E. Dunand

Das Europäische Parlament stärkt der Opposition in Venezuela demonstrativ den Rücken. "Das ist eine sehr politische Preisvergabe", sagte der Chef der grünen Fraktion, Philippe Lamberts der Deutschen Welle. "Man braucht viel Mut, um sich gegen das Regime in Venezuela zu wehren."

Der Sacharow-Preis für geistige Freiheit geht in diesem Jahr an die gesamte Opposition in dem von einem erbitterten Machtkampf zwischen der sozialistischen Regierung und dem Parlament erschütterten Land in Südamerika. Das gab am Mittag der Präsident des Europäischen Parlaments Antonio Tajani in Straßburg bekannt. Stellvertretend wird auch der Präsident des venezolanischen Parlamentes, Julio Borges, geehrt. "Es wird der außergewöhnliche Einsatz für Menschenrechte geehrt", sagte Tajani. Es gehe nicht darum, in einen politischen Konflikt einzugreifen. Fünf Mal hatte sich das Parlament bereits für ein Ende des Machtkampfes in Venezuela stark gemacht. Dies sei ein weiteres Signal, so Tajani. "Wir können nicht schweigen. Wir müssen Demokratie und Freiheit verteidigen."

Machtkampf in Venezuela

Julio Borges ist der Verhandlungsführer der Opposition in Gesprächen mit der Regierung von Präsident Nicolas Maduro. Auf direkte Verhandlungen konnten sich beide Seiten bislang nicht einigen. Borges verlangt, dass die Regierung zunächst Bedingungen erfüllt. Bei der Parlamentswahl hatten die bürgerlichen Parteien eine Mehrheit im Parlament erreicht. Der sozialistische Staatspräsident rief daraufhin eine Verfassunggebende Versammlung ein, die daraufhin das Parlament entmachtet hat.

Straßburg EU-Parlament Parlamentspräsident Tajani
Tajani: Kampf für Freiheit in Venezuela muss unterstützt werdenBild: Getty Images/AFP/P. Hertzog

Das Europäische Parlament schließt sich mit der Preisverleihung erneut der internationalen Kritik an, dass Präsident Maduro eine sozialistische Diktatur in Venezuela errichtet hat. "Das ist ein totalitäres System", sagte EU-Parlamentspräsident Tajani in Straßburg. In den vergangenen Monaten waren immer wieder Zehntausende Menschen gegen die Regierung auf die Straße gegangen. Die extrem schlechte Versorgungslage, eine katastrophale Wirtschaftsentwicklung und desaströse Staatsfinanzen halten das Land im Griff. "In Venezuela haben wir es nicht nur mit einer politischen Konfrontation zu tun. Es handelt sich um eine grundlegende, existenzielle Konfrontation, in der es um konkrete Werte geht", hatte Parlamentspräsident Borges gewarnt.

Mögliche Spaltung der Opposition?

Bei den jüngsten Gouverneurswahlen im Oktober konnte die herrschende sozialistische Partei von Präsident Maduro 18 Posten für sich holen. Fünf Gouverneure werden von der Opposition gestellt. Vier der fünf erkannten nach massiven Drohungen der Regierung die Verfassunggebende Versammlung an und schwächten damit die Stellung des Parlamentspräsidenten Borges. Am Dienstag hatte der wichtige Oppositionspolitiker Henrique Capriles, ein ehemaliger Präsidentschaftskandidat, das Oppositionsbündnis "Tisch der demokratischen Einheit" verlassen. Damit droht der Opposition die Spaltung.

Venezuela Präsident Nicolas Maduro
Venezuelas Präsident Maduro unterdrückt nach Auffasung der EU die DemokratieBild: picture-alliance/dpa/Presidencia de Venezuela

 Politische Gefangene aus Europa

Ausgezeichnet mit dem Sacharow-Preis wird auch die ehrenamtlich tätige Gruppe "Foro Penal Venezolano", die sich um die Betreuung von politischen Häftlingen in Venezuela kümmert. Nach einem jüngsten Bericht des " Penal Venezolano" sind rund 600 Menschen wegen ihrer politischen Ansichten inhaftiert, darunter auch der führende Oppositionspolitiker Leopoldo Lopez. Er sitzt mit Unterbrechungen bereits seit über drei Jahren in Haft. Unter den politischen Gefangenen finden sich mit Yon Goicoechea und Andrea Gonzalez auch mindestens zwei spanische Staatsbürger, hob das Europäische Parlament in einer Presseerklärung hervor. Seit Anfang des Jahres sollen mehr als 120 Oppositionelle ermordet worden sein.

Der renommierte Sacharow-Preis wird Mitte Dezember in der Plenarsitzung des Europäsichen Parlaments an die Preisträger vergeben. Die Fraktion der linken und linksradikalen Parteien im Europäischen Parlament, die die Politik des Sozialisten Maduro unterstützen, wollen die Preisvergabe boykottieren. "Wir bedauern die Vergabe an die sogenannte Opposition. Durch diese Ehrung wird ein Dialog unnötig erschwert", teilte Ben Leung, Sprecher der Linksfraktion in Straßburg mit. In der Opposition in Venezuela seien auch rechtsradikale Gruppen vertreten, die keine Rückkehr zur Demokratie wollten. 

Wer aus Venezuela anreisen kann, um den mit 50.000 Euro dotierten Menschenrechtspreis entgegen zu nehmen, muss jetzt geklärt werden. Der Preis ist nach dem sowjetischen Bürgerrechtler Andrej Sacharow benannt und wird seit 1988 jedes Jahr verliehen. Im vergangenen Jahr waren die beide Jesidinnen Nadia Murad und Lamija Adschi Baschar ausgezeichnet worden, die von der Terrorgruppe "Islamischer Staat" versklavt worden waren

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union