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Politik

Sacharow-Preisträgerin Sotudeh im Hungerstreik

Shabnam von Hein
28. August 2018

Die prominente iranische Menschenrechtsanwältin und Sacharow-Preisträgerin Nasrin Sotudeh ist in den Hungerstreik getreten. Kontakt mit ausländischen Diplomaten wird ihr als Spionage ausgelegt.

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Iran - Nasrin Sotoudeh
Bild: Getty Images/AFP/B. Mehri

"Ich sehe keinen anderen Weg als den Hungerstreik. Nur so kann ich meinen Protest gegen den anhaltenden Druck auf meine Familie und Freunde zum Ausdruck zu bringen. Ab Samstag 23. August trete ich in den Hungerstreik." So schreibt Nasrin Sotudeh in einem offenen Brief aus dem Gefängnis, den ihr Ehemann auf Facebook veröffentlichte.

Nasrin Sotudeh ist eine der bekanntesten iranischen Menschenrechtsanwältinnen. Am 13. Juni wurde sie verhaftet, zum wiederholten Male. Bis heute suchen die Behörden nach Beweisen für ihre Behauptung, die Menschenrechtsanwältin hätte die nationale Sicherheit des Iran gefährdet.

Sotudehs Ehemann Reza Khandan sagt im Gespräch mit der Deutschen Welle: "Nicht nur unsere Wohnung, auch die Wohnung meiner Schwester wurde illegal durchsucht. Gefunden haben die Behörden bei uns ein paar Anstecker als Beweis. Anstecker bedruckt mit dem Spruch: 'Ich bin gegen den Zwangsschleier'. Wegen dieser Anstecker haben sie auch einen Freund meiner Frau verhaftet, den Menschenrechtsaktivisten Farhad Meisami. Auch er ist in Hungerstreik getreten".

Eine halbe Stunde vor dem DW-Interview hatte Reza Khadan mit seiner Frau im Gefängnis telefoniert. "Heute wurde sie vom Gefängnisarzt untersucht. Und sie ist kurz ihrem Freund Farhad Meisami begegnet. Sie hat mir gesagt: Solange Farhad nicht freigelassen wird, bleibe ich im Hungerstreik." Farhad Meisami gehört zu den bekannten Weggefährten der Menschenrechtsanwältin. Er unterstützt friedliche Proteste wie gegen den Kopftuchzwang im Iran.

Iran Teheran - Protest gegen Verhaftung von Nasrin Sotoudeh vor Ewin Gefängnis
Auch im Iran regt sich Protest gegen Sotudehs Verhaftung: Demonstranten mit Fotos von inhaftierten Aktivisten vor dem Ewin-Gefängnis in Teheran Bild: Privat

Verurteilt wegen Kontakt mit ausländischen Diplomaten 

Ursprünglich wurde Nasrin Sotudeh am 13. Juni verhaftet, weil das Revolutionsgericht sie in Abwesenheit zu fünf Jahren Haft verurteilt hatte. "Am Anfang haben sie gesagt, es geht um Spionage", sagt Reza Khandan. "Meine Frau wurde verurteilt, weil sie angeblich durch den Kontakt mit ausländischen Diplomaten Spionage im Iran unterstützt hätte. Es ist einfach lächerlich. Woher soll sie gewusst haben, dass die Diplomaten Spione sind? Wo war der Geheimdienst, als diese Spione in den Iran gereist sind?" fragt Reza Khandan wütend.

Der Spionage-Vorwurf gegen die Menschenrechtsanwältin wurde 2014 erhoben, kurz nachdem sie sich mit einer Delegation von Europaparlamentariern in Teheran getroffen und mit ihnen über die Menschenrechtslage und den Umgang mit Oppositionellen gesprochen hatte. Diese Delegation hatte ihr im Dezember 2013 den Sacharow-Preis überreicht, den ihr das Europäische Parlament im Jahr zuvor für ihren zivilgesellschaftlichen Einsatz verliehen hatte.

Im Einsatz für Oppositionelle und Aktivisten

Sacharow-Preis
Solidarität mit Sotudeh im Europa-Parlament, das ihr 2013 den Sacharow-Preis für geistige Freiheit verlieh Bild: A. Ghasemi

Mit der iranischen Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi gründete Sotudeh 2006 das Zentrum zum Schutz der Menschenrechte im Iran. 2010 wurde sie verhaftet, weil sie Demonstranten der oppositionellen "grünen Bewegung" verteidigte. Ein Jahr später wurde sie zu elf Jahren Haft verurteilt. Nach weltweiten Prosten und Appellen an die iranische Regierung für ihre Freilassung wurde sie 2013 vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen.

Nachdem sie im Juli 2018 erneut verhaftet wurde, schrieb Sotudeh in einem Brief aus dem Gefängnis: "Mir wurde klar, dass sie mich wegen meines Einsatzes für die Menschenrechte, für die Verteidigung der Frauenaktivisten und für meinen  Kampf gegen die Todesstrafe verhaftet haben. Schweigen werde ich dennoch nicht."

Protest von EU-Abgeordneten

Barbara Lochbihler
Europaparlamentarierin Barbara Lochbihler fordert von der offiziellen EU-Außenpolitik deutlichere Worte gegen Teherans Unterdrückung seiner Kritiker Bild: Olaf Köster

60 EU-Abgeordnete protestierten vergangene Woche in einem offenen Brief an Präsident Hassan Rohani gegen das erneute willkürliche Vorgehen gegen Sotudeh, bislang ohne Antwort. Die Mitunterzeichnerin Barbara Lochbihler von der Fraktion Die Grünen/FEA erklärte im Gespräch mit der DW, dass Unterstützung der EU für den Iran, auch finanzielle, angesichts der erneuten US-Sanktionen richtig sei, dass man gleichzeitig aber nicht davon ablassen werde, von der iranische Führung Einhaltung der Menschenrechte und Freilassung politischer Gefangener zu fordern.

Sie selbst würde sich im Falle einer Reise in den Iran um einen Besuch von Nasrin Sotudeh im Gefängnis bemühen. Dies wäre "eine wichtige Maßnahme, insbesondere da es in Teheran bislang keine EU-Delegation gibt, die sich vor Ort für die Belange von Menschenrechtsaktivisten einsetzen kann." Die Abgeordnete des Europäischen Parlaments und frühere Generalsekretärin von Amnesty International Deutschland wünscht sich trotz des bestehenden Einsatzes für bedrohte Menschenrechtler eine deutlichere Positionierung von Seiten der EU. Sie sagte der DW: "Was ich vermisse, ist eine öffentliche Erklärung des Europäischen Außendienstes, in der unmissverständlich (Sotudehs) sofortige Freilassung gefordert wird."