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Islam-Skepsis hält weiter an

Gero Schließ26. April 2016

Wie halten es die Deutschen mit dem Islam? Auf diese brisante Frage gab das Jahresgutachten des Sachverständigenrats für Integration und Migration auch überraschende Antworten. Die Integration scheint voranzugehen.

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BdT Deutschland Gebet in der Eyüp-Sultan-Moschee in Nürnberg
Bild: picture-alliance/dpa/D. Karmann

"Das Klima ist rau, die Gesellschaft ist gespalten", stellt Christian Joppke vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) im Gespräch mit der Deutschen Welle fest. Wie aus dem mit Spannung erwarteten Jahresgutachten des SVR hervorgeht, sagt eine Mehrheit der Deutschen, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Damit ist die islampolitische Gretchenfrage eindeutig negativ beantwortet. Dies gilt vor allem für die Gruppe der Befragten ohne Migrationshintergrund. Die Befragten mit Migrationshintergrund nehmen mit deutlicher Mehrheit eine positivere Grundhaltung gegenüber dem Islam ein. Dies ist eines der Ergebnisse des Integrationsbarometers, für das in der ersten Hälfte des Jahres 2015 mehr als 5000 Menschen befragt wurden. Gleichzeitig aber spricht sich eine Mehrheit für islamischen Religionsunterricht als wählbares Unterrichtsfach und für den Bau von Moscheen aus.

Ambivalentes Bild

Die SVR-Vorsitzende Christine Langenfeld sprach bei der Vorstellung des Jahresgutachtens von einem "ambivalenten Bild", dass sich bei der Akzeptanz des Islam zeige. Doch die Expertenkommission wirkt - ob unfreiwillgi oder absichtlich - selber am Eindruck der Ambivalenz mit. Einserseits bleibt sie dabei, dass das Integrationsklima in Deutschland "anhaltend stabil" sei. Andererseits lassen Mitglieder der Kommission erkennen, dass sich die Stimmung gegenüber Flüchtlingen und Einwanderern seit dem Befragungszeitraum März bis August 2015 weiter verschlechtert habe. Ganz offen sprechen sie von einer "abnehmenden" Akzeptanz".

Für SVR-Mitglied Christian Joopke, der Soziologie an der Universität Bern lehrt, ist diese Entwicklung dennoch keine Überraschung: "Es ist völlig normal, dass es bei einer Gesellschaft, die eine Millionen Neuzuwanderer aufnimmt, zu Verwerfungen kommt." Für ihn und die anderen Mitglieder des SVR ist es eher überraschend, wie wenig "Verwerfungen" es gibt. Die Deutschen, so hört man immer wieder aus den Reihen der Kommission, gingen überwiegend vernünftig und berechenbar mit der Herausforderung des Flüchtlingszustroms um.

Imam Ali Moschee in Hamburg. Foto: DW/S. Amri
Die Imam Ali Moschee in Hamburg öffnet sich immer wieder auch dem breiten PublikumBild: DW/S. Amri

Leistungsorientierte Einwanderungsgesellschaft

Bei der Frage, was für eine gelungene Integration wichtig ist, hat das SVR- Jahresgutachten überraschende Erkennntisse zutage gefördert. Eine überwältigende Mehrheit hält es für enscheidend, einen festen Arbeitsplatz zu haben. Die Religionszugehörigkeit oder die Geburt in Deutschland landen dagegen weit hinten auf abgeschlagenen Plätzen. Für die SVR-Vorsitzende Langenfeld ein ermutigendes Ergebnis, denn es eröffne für die Integration neue Chancen: "Die Zugehörigkeit in Deutschland kann man sich erwerben, man kann sie sich erarbeiten", formuliert sie. Damit seien die Deutschen in einer leistungsorientierten Einwanderungsgesellschaft angekommen.

Für Deutschland insgesamt hat der SVR zwei gegensätzliche Grundströmungen ausgemacht: Die Gesellschaft wird immer säkularer. Während 1970 noch 95 Prozent der Deutschen Mitglied einer - meistens christlichen - Kirche waren, sind es jetzt nur noch 65 Prozent. Gleichzeitig nimmt die religiöse Vielfalt dank der Zuwanderung zu. Hier ist - wieder einmal - vor allem der Islam gemeint.

Islam konform mit dem Grundgesetz

Von der grundgesetzlich verankerten Religionsfreiheit profitierten alle Religionen, auch der Islam, stellte SVR-Vorsitzende Langenfeld klar und nahm damit Stellung zur aktuellen politischen Debatte, in der die AfD den Islam gar als "verfassungswidrig" einstuft. Die grundgesetzlich angelegte "Religionsfreundlichkeit", so Langenfeld, habe sich bewährt. Allerdings seien jetzt "die Muslime am Zug". Damit bezieht sie sich vor allem auf die angestrebte institutionelle Gleichstellung des Islam, etwa bei der Einführung des islamischen Religionsunterrichts an staatlichen Schulen oder der Etablierung der islamischen Theologie an Hochschulen. Staat und Politik hätten das Angebot hierzu gemacht, allerdings fehlten auf muslimischer Seite "institutionelle Voraussetzungen". Beispielsweise gebe es bei den Muslimen bisher nicht die Form der Mitgliedschaft, wie sie Christen oder Juden kennen. Ausserdem gehe es um die "Verringerung der Abhängikeit von ausländischen Einflüssen". Das sind in den Augen des SVR Hürden für die Bildung einer islamischen Religionsgemeinschaft und die schlussendliche Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts.

Doch bei allen Schwierigkeiten und Verwerfungen lassen sich die Mitglieder der Kommission ihren Optimismus nicht nehmen. "Noch vor 15 Jahren haben deutsche Politiker gesagt, wir sind kein Einwanderunsgland, ruft SVR-Mitglied Joppke in Erinnerung. "Keiner im Vernunftbereich, also ausserhalb von Pegida etc, sagt so etwas heute." So stehen laut SVR die Chancen gut, dass die Zuwanderer menschenwürdig aufgenommen und am Ende Teil dieser Gesellschaft werden.