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Salafismus-Experte: "Massive Drohungen"

Klaus Dahmann8. Mai 2012

Nach den jüngsten Krawallen ist das Entsetzen über die Gewaltbereitschaft der Salafisten groß. Was hinter dieser Bewegung steckt, erläutert Islamismus-Experte Dr. Herbert Müller.

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Dschihad-Kampfflagge (Fotgo: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

DW: Herr Dr. Müller, Salafismus ist ein Oberbegriff, unter dem man derzeit offenbar alles fasst, was in der islamistischen Szene gefährlich zu sein scheint. Was verbirgt sich denn wirklich dahinter?

Dr. Herbert Müller (Islamismus-Experte beim Verfassungsschutz in Stuttgart): Salafisten sind Menschen, die meinen, sie müssten so leben wie die frommen Ahnen - eben die sogenannten "Salaf". Und diesem Beispiel aus der Zeit des Propheten und drei Generationen danach wollen sie unbedingt folgen.

Kann man den Salafismus als Keimzelle des "Dschihadisten-Tourismus" bezeichnen?

Wenn man den ganzen Bereich um Al Kaida betrachtet, dann könnte man sagen: Ja, der Salafismus ist letztendlich die Keimzelle dessen, was wir heute als islamistischen Terrorismus bezeichnen. Aber es gibt da auch Überschneidungen. Man sollte ja nicht vergessen: Es gibt den ägyptischen Vordenker des Dschihadismus, Sayyid Qutb, und Strömungen bei den Muslimbrüdern und im Bereich der Wahhabiya, also der offiziellen religiösen Richtung in Saudi-Arabien. Man kann also davon ausgehen, dass wir es hier mit einer etwas älteren Bewegung zu tun haben, in denen sich politischer Islam mit einer militanten Tendenz vermengt.

Tut man da nicht einigen Salafisten Unrecht, wenn man sie komplett in die Ecke der Gewaltbereiten stellt?

Natürlich kann man unterscheiden zwischen Gewaltbereiten und nicht Gewaltbereiten. Es gibt da durchaus Beobachter, die sagen, es gibt einen apolitischen Salafismus oder puristischen Salafismus. Ich halte das angesichts der Zielrichtung der Wahhabiya oder der Salafiya für höchst problematisch zu sagen, dass es da keine politischen Bezüge gibt, dass man es praktisch mit einer spirituellen Bewegung zu tun hat. Denn der Salafismus selbst zielt auf die ganze Gesellschaft ab.

Ein Islamist verteilt am Samstag (14.04.2012) in Wuppertal kostenlose Koran-Exemplare (Foto: dpa)
Die Salafisten sorgen mit kostenlosen Koran-Verteilungen für AufregungBild: picture-alliance/dpa

Wie viele Menschen sind in Deutschland im Moment Anhänger der salafistischen Bewegung - und wie viele davon sind als gefährlich einzustufen?

Ja, das mit den Zahlen ist ein Problem. Man kann letztlich nur ungefähr schätzen, auf Grundlage der Teilnehmerzahlen bei Veranstaltungen. Es handelt sich ja nicht um Vereine nach deutschem Recht. Es sind vielmehr lose Zusammenballungen unterschiedlicher Gruppierungen. Wir gehen davon aus, dass in Deutschland zwischen 3800 und 5000 Anhänger existieren. Wie viele davon dann zur dschihadistischen Fraktion gehören, das lässt sich nicht genau schätzen. Wir haben in der Vergangenheit festgestellt, dass die Anhänger dieser Tendenz durchaus eine "Karriere" machen können: dass sie sich von einer eher nicht militanten, eher ideologischen Position ganz schnell zu einem Dschihadisten entwickeln - und auch umgekehrt.

Waren Sie jetzt überrascht, als es während der Demonstrationen der rechtsextremen Partei Pro NRW in Solingen und Bonn zu gewalttätigen Zwischenfällen kam ?

Von Überraschung kann man da nach einiger Zeit der Beobachtung dieser Gruppierung nicht sprechen. Sie verschärfen ja immer wieder ihren Tonfall. Offensichtlich war es jetzt soweit, dass die Salafisten auch mal zeigen wollten, wo der Hammer hängt.

Was ist Ihrer Meinung nach von den Salafisten in den nächsten Monaten zu erwarten? Werden sie sich jetzt eher zurückziehen? Oder kommt es zu einer noch stärkere Eskalation der Gewalt? Sind sie vielleicht sogar zu größeren Terroranschlägen fähig?

Erfahrungsgemäß muss man sagen: Die Leute, die sich jetzt hier besonders in Szene setzen und auf die die Kameras gerichtet sind, sind meistens nicht die, die Terroranschläge planen oder ausführen. Was man aber bedenken sollte: Die Salafisten zeigen bei Veranstaltungen ganz unverblümt ihre Kriegsflagge, also die schwarze Fahne. Sie hat einen hohen Symbolcharakter. Diese schwarze Flagge ist auch ein Symbol für Al Kaida. Also darauf sollte man - auch bei der Polizei - achten um zu wissen, wer einem da gegenüber steht, wes Geistes Kind sie sind. Und dann sollte man bedenken, dass auch der zum Islam konvertierte Salafist Pierre Vogel sich aus Ägypten zu Wort meldet - Zitat: "Wenn es einen islamischen Staat gibt, und der Prophet wird in einem anderen Land beschimpft, dann wird Krieg erklärt, damit man mal weiß, woran man ist." Also offensichtlich ist man in der Szene nicht willens, da klein beizugeben, und man droht da ganz unverblümt dem deutschen Staat. Es gibt auch entsprechende Internet-Auftritte von Rednern, in denen dem deutschen Staat, der Bundeskanzlerin, dem Bundesinnenminister und deutschen Bürgern im Ausland in massiver Weise gedroht wird. Diese Leute trauen sich was.

Islamprediger Pierre Vogel (Foto: dapd)
Vom Boxring zum Salafismus: Hassprediger Pierre Vogel konvertierte mit 22 Jahren zum IslamBild: dapd

Müsste man die Stufe der Sicherheitsbereitschaft in Deutschland also weiter erhöhen?

Wie hoch soll es denn eigentlich noch gehen? Von meiner Warte aus sind die Sicherheitsbehörden alle entsprechend engagiert. Das Letzte, was wir brauchen können, ist Aktionismus. Sondern wir müssen mit voller Konzentration die Szene weiter beobachten, damit uns da nichts entgeht.