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Salafisten-Propaganda

Joseph Croitoru22. Juni 2012

Die Salafisten verteilen in Deutschland den Koran und zelebrieren im Netz die Bekehrung von Konvertiten - das ködert vor allem junge Menschen. Oft reist extra ein Großprediger aus Saudi-Arabien an.

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ARCHIV - Islamisten beten auf dem Potsdamer Platz in Berlin (c) dpa - Bildfunk
Salafisten Islamisten in DeutschlandBild: picture-alliance/dpa

Vor drei Jahrhunderten pflegte man in Deutschland den Brauch, Konversionen von Muslimen zum christlichen Glauben in Kirchen öffentlich zu feiern. Nach einem ähnlichen Muster verfahren heute in umgekehrter Richtung arabische Salafisten: Sie filmen Übertritte vor allem junger Deutscher zum Islam und stellen die Videos als Zeichen des Sieges der "einzigen wahren Religion" ins Internet. So geschehen etwa vor einigen Monaten in der Tauhid-Moschee in Wiesbaden. Dort widmete sich im April eine Tagung dem Thema "Die Jugend im Westen. Hoffnungen und Sorgen". Als Stargäste angereist waren namhafte salafistische Prediger aus Ägypten und Kuwait.

Einen der Höhepunkte bildete der Übertritt des sechsundzwanzigjährigen "deutschen Bruders Fabian" zum Islam – dokumentiert in einem einstündigen Video auf Youtube. Das islamische Glaubensbekenntnis nahm dem Deutschen kein Geringerer als Muhammad al Zoghby ab. Der ägyptische Religionsgelehrte zählt heute zu den einflussreichsten salafistischen Predigern. Er bereist regelmäßig auch den Westen. Auf seiner Internetseite berichtet er nun nach seiner jüngsten Europa-Reise stolz von der Bekehrung zahlreicher Christen zum Islam. Auch wenn das übertrieben sein dürfte - Bruder Fabian scheint nicht der einzige seiner neuen Konvertiten zu sein.

Der islamistische Prediger Pierre Vogel (c) dpa - Bildfunk
Der islamistische Prediger Pierre VogelBild: picture-alliance/dpa

Salafisten weltweit vernetzt

In Wiesbaden beschwor al Zoghby berühmte Fälle von Muslimen, die an Gott zweifelten, dann aber wieder zum wahren Glauben zurückfanden. Daran sollten sich die anwesenden Glaubensbrüder ein Beispiel nehmen, zumal sie in einem nichtmuslimischen Land lebten, wo die Gefahr der Verführung ohnehin weit größer sei. Als Teil der Umma, der weltweiten Gemeinschaft der Muslime, obliege es zudem auch den hiesigen Muslimen, den Islam zu verbreiten.

Al Zoghbys Auftritt ist der jüngste Beweis dafür, dass Deutschland mittlerweile weit oben auf der Prioritätenliste der salafistischen Missionsbewegung steht. Damit steigt auch der Grad der Vernetzung unter ihren hiesigen Aktivisten. So saß bei der Veranstaltung in Wiesbaden neben al Zoghby der Berliner Imam Hossam El-Gabry, der häufig im Dienste des Islams unterwegs ist - gemeinsam mit dem Ex-Dschihadisten-Filmer Reda Seyam, einem der aktiven Unterstützer der Koranverteilungen.

"Germany's nicest Islam-Video"

Videoinszenierungen von Übertritten zum Islam sind hierzulande keineswegs neu. Vielmehr sind sie Teil einer weltweiten Strategie islamischer Missionare, die nicht zuletzt auch eine Antwort zu sein scheint auf die Zurschaustellung der zahlreichen Bekehrungen von Muslimen zum Christentum im Netz. Zu den Inszenierungen auf beiden Seiten findet sich auf Youtube und anderen Internetforen geradezu eine Flut von Beispielen.

Exemplare des Korans Foto: Paul Zinken/dapd
LIES! Steht auf dem T-Shirt des Salafisten Exemplare des Korans verteiltBild: dapd

In Deutschland scheint dieses mediale Ritual von dem zum Islam konvertierten Ex-Boxer Pierre Vogel eingeführt worden zu sein. Standen ihm anfangs bei den aufgezeichneten Übertritten noch namhafte ägyptische Salafisten-Prediger zur Seite, führt Vogel solche heute längst in Eigenregie durch - und gestaltet sie, wo nur möglich, als Massenübertritte, vorzugsweise auf öffentlichen Plätzen. Mit den siebzehn im April 2011 in Frankfurt am Main von ihm gemeinsam zum Islam Konvertierten hält er momentan landesweit den Rekord. Dabei geht es offensichtlich darum, möglichst viel Aufmerksamkeit zu erregen, was Vogel auch immer wieder gelingt. Die Dokumentation des Events kursiert seitdem im Internet, etwa unter dem Titel "Germany's nicest Islam-Video".

Frisch Konvertierte wie "Bruder Fabian" in Wiesbaden heißen in der arabischen Welt "Neue Muslime". In Deutschland ist diese Bezeichnung spätestens seit Erscheinen des "Wörterbuchs für neue Muslime" im Jahr 1998 gebräuchlich, das sich als Wegweiser für islamische Grundbegriffe offenbar großer Beliebtheit erfreut und im Netz kostenlos heruntergeladen werden kann. Übersetzt hat das Nachschlagewerk der deutschägyptische Kölner Gelehrte und Verleger Muhammad Ahmad Rassoul, dessen Koranübersetzung jüngst bei der Salafisten-Aktion "Lies!" massenhaft unters Volk gebracht wurde.