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Sandschneider: Konflikt mit Brisanz

Yun-Ching Chang11. Juli 2012

Ein Kernproblem beim ASEAN-Regionalforum in Phnom Penh sind die Territorialansprüche Chinas im Südchinesischen Meer. Die Deutsche Welle spricht darüber mit dem Politologen Eberhard Sandschneider.

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Politikwissenschaftler Eberhard Sandschneider (Foto: DGAP/dapd)
Politikwissenschaftler Eberhard SandschneiderBild: DGAP/dapd

DW: Herr Professor Sandschneider, Peking beansprucht das umstrittene Scarborough-Riff im Südchinesischen Meer für sich und wirft den Philippinen vor, die Streitigkeit provoziert zu haben. Auch an der westlichen Seite ringen China und Vietnam um die Spratly- und Paracel-Inseln. Wie würde ein internationales Gericht diese territorialen Streitigkeiten sehen?

Eberhard Sandschneider: Es ist im Moment noch nicht soweit, dass diese Streitigkeiten vor Gericht kommen. In diesen Tagen sind aber alle beteiligten Staaten im Südchinesischen Meer dazu bereit, durch einseitige Aktivitäten und Symbolpolitik in der Konfliktregion die Dinge nicht ruhen zu lassen. Das schafft letztendlich ein Konfliktpotenzial, das man in der internationalen Presse noch nicht so deutlich erkannt hat. Das kann aber in den nächsten Jahren eine erhebliche Brisanz entwickeln. Das Südchinesische Meer ist eine der konfliktträchtigsten Regionen der derzeitigen Weltpolitik.

Territorialansprüche Chinas im Südchinesisches Meer. (Grafik: DW/Peter Steinmetz)
Territorialansprüche Chinas im Südchinesisches MeerBild: DW

Wie können China und die anderen Länder eine einvernehmliche Lösung finden?

Sandschneider: 'Können' ist nicht die Frage. Die Antwort ist theoretisch leicht zu geben: Die Länder setzen sich an einen Verhandlungstisch und finden eine gemeinsame Lösung. Das klingt jetzt ausgesprochen idealistisch. Tatsache ist, dass durch die harte Machtpolitik auch militärische Mittel eingesetzt wurden. Insgesamt herrscht dort eine durchaus brisante Situation.

China lehnt multilaterale Verhandlungen in Zusammenhang mit der südostasiatischen Staatengemeinschaft ASEAN ab. China behauptet, dass ASEAN keine richtige Plattform sei, über solche Streitigkeiten zu diskutieren. Das Land will bilaterale Abkommen mit betroffenen Ländern schließen. Wie sehen Sie das?

Sandschneider: China versucht natürlich, Gremien zu vermeiden, die gegebenenfalls eine kritischere Haltung zur chinesischen Politik einnehmen könnten. Im bilateralen Kontext ist China immer am längeren Hebel und immer die stärkere und einflussreichere Macht. Das liegt schlicht an der Größe des Landes, auch an seiner wirtschaftlichen und mittlerweile auch an seiner militärischen Leistungsfähigkeit. Deswegen ist es aus chinesischer Sicht völlig verständlich, multilaterale Wege auszuschließen.

Spratly-Inseln im Südchinesischen Meer (Foto: EPA/FRANCIS R. MALASIG)
Spratly-Inseln im Südchinesischen MeerBild: picture-alliance/dpa

Die Philippinen suchen aktiv militärische Unterstützung von den USA für die Interessen vor der eigenen Haustür. Welche Rolle spielen die USA im Südchinesischen Meer?

Sandschneider: Ich denke, dass die USA in der jetzigen Situation, in der es vielfältige Konflikte auf unterschiedlichsten Ebenen mit China gibt, sicherlich im militärischen Bereich zurückhaltend sein werden. Vermutlich wird Washington eher eine dämpfende Funktion einnehmen. Alles andere wäre aus amerikanischer Sicht ausgesprochen leichtsinnig und für die Entwicklung der Situation vor Ort tatsächlich auch gefährlich. Es ist sicherlich nicht im Interesse der USA, in diesen Konflikt auch militärisch mit einbezogen zu werden.

Seit Jahren setzt sich China für freundschaftliche Dialoge mit seinen Nachbarnländern ein. Wie ist nun eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den ASEAN-Staaten möglich?

Sandschneider: Es ist nicht nur so, dass die ASEAN-Länder jeweils für sich mit China im Streit liegen. Letztendlich gibt es auch Streitpotenzial zwischen den einzelnen ASEAN-Ländern selbst. Und wenn dann eine solche Situation entsteht, wie wir sie jetzt im Südchinesischen Meer beobachten, dann ist das immer abträglich für Kooperationen. Man kann darauf hoffen, dass die bestehende Zusammenarbeit hilft, dieses Konfliktpotenzial im Südchinesischen Meer klein zu halten. Aber noch einmal: das ist keine Garantie.

Philippinen setzen Kriegsschiffe ein, um die Fischerboote zu kontrollieren. (Foto: Reuters)
Philippinen setzen Kriegsschiffe ein, um die Fischerboote zu kontrollierenBild: Reuters

Wie könnte eine friedliche Lösung zwischen China und den Philippinen für das Scarborough-Riff aussehen?

Sandschneider: Das lässt sich schwer sagen. Das eigentliche Grundproblem ist, dass infolge der Bereitschaft, den Konflikt eskalieren zu lassen, kleine Fehler und Fehlwahrnehmungen von einer Seite tatsächlich jederzeit zu größeren Auseinandersetzungen führen könnten. Ich glaube, beide Seiten wären gut beraten, die derzeit bestehenden Konflikte so klein wie möglich zu halten, um die Chance zu wahren, einer Lösung auf dem Verhandlungsweg näher zu kommen.

Prof. Dr. Eberhard Sandschneider leitet seit 2003 das Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Seine Forschungsschwerpunkte sind u. a. die transatlantischen Beziehungen, die internationalen Beziehungen im Raum Asien-Pazifik, die Vergleichende Transformationsforschung und die Politischen Systeme Chinas und Taiwans.

Das Interview führte Yun-Ching Chang.