1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Sanktionen hemmen Iran-Geschäft auch nach Atomdeal

Hans Spross
1. Oktober 2016

Die mit dem Atomabkommen verknüpften Hoffnungen auf neue Investitionen im Iran erfüllen sich nicht so rasch wie gedacht. Oft werden als Grund weiter bestehende Sanktionen der USA genannt. Aber die Sache ist komplexer.

https://p.dw.com/p/2QlEv
Mann vor Raffinerie (Foto: picture-alliance/dpa/A. Taherkenareh)
Bild: picture-alliance/dpa/A. Taherkenareh

Die Unterschriften unter dem Atomabkommen mit dem Iran waren im vergangen Juli kaum getrocknet, da reiste der deutsche Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel mit einer Wirtschaftsdelegation nach Teheran. Jetzt versucht er erneut mit einer Iran-Visite (2.-4.10.), die altbewährten deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen wiederzubeleben. Das es noch nicht so richtig klappt, hängt zum Teil an weiterbestehenden Sanktionen.

Das internationalen Atomabkommen mit dem Iran, das seit Oktober 2015 in Kraft ist, besagt in Kurzfassung: Iran verzichtet auf die Voraussetzungen und Fähigkeiten, um sich in kurzer Zeit eine Atomwaffe verschaffen zu können. Im Gegenzug werden die Wirtschaftssanktionen gegen das Land aufgehoben.

Wohlgemerkt aber nur die Sanktionen, die konkret auf das iranische Atomprogramm bezogen waren. Das heißt, Sanktionen, die etwa wegen Verstößen gegen die Menschenrechte oder wegen Terrorismus-Unterstützung verhängt wurden, sind weiterhin in Kraft, sowohl bei der EU als auch den USA.

Die EU hält aus den genannten Gründen gegen über 80 Einzelpersonen bzw. Organisationen weiterhin Visa- und Finanzsanktionen aufrecht. Auch ist es untersagt, diesen natürlichen und juristischen Personen "Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen.

Iranisches Containerschiff imm Hafen von Wismar (Foto:AP)
Auch Schiffe der früher von Sanktionen belegten iranischen Reederei IRISL dürfen jetzt wieder Waren zwischen Europa und Iran transportierenBild: AP

Eingeschränkte Normalisierung mit EU

Trotz dieser Einschränkungen hat im Falle der EU die Aufhebung der Sanktionen  die weitgehende Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran zur Folge. Ausgenommen sind Waffen und Raketentechnologie. Außerdem, und das ist für den normalen Handelsaustausch relevanter, bestehen aufgrund der scharfen Überwachung des zivilen iranischen Atomprogramms weiterhin Ausfuhrkontrollen für Güter, die auch Verwendung im Atombereich haben.

Das sind neben besonderen Metall-Legierungen und spezieller Software auch ganz unverdächtige Produkte. Julia Pfeil, Rechtsanwältin und Außenhandelsexpertin von der Kanzlei Baker and McKenzie berichtet aus der Praxis:  "Das beste Beispiel sind sogenannte Viton-Dichtungen. Das ist ein spezieller Gummi, der gegen aggressive Chemikalien resistent ist. Der hält Tupper-Dosen dicht, aber eben auch Atomkraftwerke. Das Genehmigungsverfahren für solche Güter ist entsprechend aufwendig."

Dr Julia Pfeil, Rechtsanwältin bei der Kanzlei  Baker & McKenzie (Foto: Baker & McKenzie)
Außenhandelsexpertin Julia Pfeil: Oft herrscht Unklarheit über Auswirkungen von US-Sanktionen Bild: Baker & McKenzie

Komplexes amerikanisches Sanktionssystem

Was die USA betrifft, konstatiert Julia Pfeil: "Es ist tatsächlich so, dass noch umfangreiche Sanktionen der USA bestehen. Da hat sich durch den Deal kaum was geändert." Zu unterscheiden ist zwischen Primär- und Sekundärsanktionen der USA. Erstere verbieten sehr weitgehend Handels- und Finanztransaktionen zwischen "US-Personen" (dazu zählen auch in den USA tätige Ausländer oder Unternehmen) und dem Iran. Diese Sanktionen sind aber für ausländische Investoren im Iran im Prinzip kein Problem, wie Julia Pfeil erläutert: "Wenn bei einem Projekt keine US-Banken, keine US-Mitarbeiter, keine US-Produkte und keine US-Dollar eine Rolle spielen, braucht man sich um diese 'primary sanctions' nicht zu kümmern."   Banken, die in den USA tätig sind, müssen sich aber sehr wohl darum kümmern, mit herben Folgen, wenn sie das nicht tun. Das bekamen BNP, Deutsche Bank, Commerzbank, ING, HSBC, Credit Suisse und andere Institute zu spüren, die in den USA mit Strafen von bis zu 8,9 Milliarden Dollar wegen früherer Iran-Finanztransaktionen belegt wurden.

Dollar-Tausch im Iran (Foto: AP)
US-Dollar: Im Iran begehrt, aber als internationales Zahlungsmittel im Iran-Geschäft besser zu vermeidenBild: AP

Ausländische Banken keine "Opfer" von US-Sanktionen

BDI-Präsident Ulrich Grillo sagte in diesem Zusammenhang im Juni gegenüber dem "Handelsblatt": "Wichtig ist jetzt, diesen hochinteressanten Markt (Iran) wirklich zugänglich zu machen. Das geht nur, wenn Banken ihre Risiken, die wegen der weiterhin bestehenden Sanktionen der USA bestehen, minimieren können."

Schuld am fehlenden Aufschwung im Iran-Geschäft sind also sind also die US-Sanktionen? Das wäre zu kurz gedacht, denn die betroffenen Banken sind diese Risiken ganz bewusst eingegangen, erklärt Julia Pfeil: "Von diesen Banken wurden vorsätzlich Strukturen geschaffen, um US-Sanktionen zu umgehen, es wurden regelrechte Manöver zur Tarnung verbotener Transaktionen durchgeführt. Es wurden in der Interbanken-Kommunikation Begriffe wie Iran oder Sudan bewusst gelöscht". Die außenhandelsexpertin fügt hinzu: "Es ist klar, dass die Amerikaner das nicht mit großer Freude sehen und dann auch hart mit Strafen reagieren."

Iranischer Raketentest (Foto: Reuters/farsnews.com)
Iranische Raketentests sind durch das Atomabkommen zwar nicht verboten. Dennoch führen sie zu neuen Sanktionen der USA – auch mit möglichen Folgen für europäische Investoren. Bild: Reuters/farsnews.com

Minenfeld der sogenannten "Sekundärsanktionen"

Die hätte man also leicht vermeiden können. Problematischer sind die sogenannten Sekundärsanktionen der USA. Wenn ausländische Unternehmen gegen entsprechende US-Gesetze verstoßen, indem sie mit Personen, die auf amerikanischen Sanktionslisten stehen, Geschäfte machen, können sie selbst auf einer solchen "schwarzen Liste" landen,  oder es kann Einreiseverbote in die USA für die Unternehmensleitung geben.

Kann, nicht muss, wie Julia Pfeil betont: "Wenn ein deutsches Unternehmen aus solchen Gründen auf eine schwarze US-Liste käme, wäre das auch ein Affront gegen die Bundesrepublik. Deswegen kann man davon ausgehen, dass man - vielleicht nicht als ganz kleines Unternehmen, aber jedenfalls als größerer Mittelständler und als Großunternehmen - vorher irgendeine Art von Warnung von den USA bekommt, ob man sich das in Frage stehende Geschäft vielleicht nicht nochmal überlegen sollte."

Insgesamt stellen die amerikanischen Sanktionsgesetze unbestreitbar eine juristisches Minenfeld für potentielle Iran-Investoren dar. Vor allem, wenn um eine (iranische) Tochtergesellschaft von auf Sanktionslisten geführten Personen oder Orghanisationen geht. "Da besteht noch große Unklarheit, aber dessen sind sich die Amerikaner mittlerweile sehr bewusst", berichtet Julia Pfeil. Außen- und Justizministerien der USA führten derzeit Werbe- und Informationsveranstaltungen in Europa durch, um mit Investoren Probleme zu besprechen und zu Iran-Geschäften zu ermuntern.

Die außenminister Kerry und Zarif in Genf im Januar 2014 (Foto: Getty Images/AFP/R. Wilking)
Das Atomabkommen war ein Sieg der Diplomatie. Der ändert aber nichts an geltenden US-Gesetzen, die den Handel mit dem Iran massiv einschränken Bild: Getty Images/AFP/R. Wilking

Extreme Vorsicht der Banken bei Iran-Geschäften

Was die immer wieder beklagte Zurückhaltung der Banken bei der Finanzierung von Iran-Geschäften angeht, so hängt die laut Pfeil nicht nur mit US-Sanktionen, sondern vor allem auch mit der Einstufung des Irans als Geldwäsche-Schwerpunkt durch die Financial Action Task Force (FATF) zusammen. Der FATF gehören derzeit 34 Staaten und zwei internationale Organisationen an. Die FATF hat allerdings im Juni ihre Iran-Maßnahmen gegen den Iran für ein Jahr ausgesetzt, nachdem sich Teheran prinzipiell zur Kooperation bereit erklärt hat. Bis dahin lautete die Ansage der deutschen Bankenaufsicht Bafin an die Banken: "Wenn ihr nicht zu 100 Prozent aufklären könnt, wo jeder einzelne Cent herkommt, dann darf das Geschäft nicht stattfinden, weil das Geldwäscherisiko so hoch ist."

Diese strengen und kostspieligen Vorgaben seien jetzt gelockert, erklärt Julia Pfeil, aber es sei noch unklar, wie sich das in der Praxis auswirken wird. Die Banken agierten bislang extrem vorsichtig: "Selbst wenn Sie als Unternehmen vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle eine verbindliche Bestätigung dafür haben, dass eine Transaktion erlaubt ist, machen die Banken nur mit, wenn gar kein Risiko dabei ist."

Allerdings könnte sich diese extrem zurückhaltende Einstellung demnächst ändern: Es gibt wohl Pläne mehrerer Banken, in nächster Zukunft ein größeres Projekt versuchsweise zu finanzieren. Danach könnte es mit den Investitionen im Iran endlich vorangehen.