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Sanktionen gegen Iran

1. Dezember 2011

Im Atomstreit mit Iran hat die EU ihre Sanktionen verschärft. Weitere werden erarbeitet. Immer mehr Bereiche der iranischen Wirtschaft und des Alltags leiden unter den Folgen der Strafmaßnahmen.

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Iranische Petrochemieanlage (Foto: Dolat.ir)
Iran exportiert viele Petrochemieprodukte nach EuropaBild: Dolat.ir

Zwei Tage nach der Erstürmung der britischen Botschaft in Teheran haben die Außenminister der Europäischen Union rund 140 Firmen und 40 Personen zusätzlich auf die Listen von Geschäfts- und Einreiseverboten gesetzt. Die Betroffenen sollen am iranischen Atomprogramm beteiligt sein. In einer gemeinsamen Erklärung kündigten die Außenminister am Donnerstag (01.12.2011) zudem weitere Strafen an. Die Maßnahmen sollen auf den iranischen Finanz- und Energiesektor zielen. Das könnte auf ein Öl-Embargo hinauslaufen. Auch soll das Finanzsystem des Landes von dem des Westens abgeschnitten werden. Frankreichs Außenminister Alain Juppé sagte, man sei sich einig, "sehr viel härtere Sanktionen als bisher" zu erarbeiten. Empört verurteilten die Minister die Erstürmung der britischen Botschaft in der iranischen Hauptstadt Teheran.

Teheran demonstriert Gelassenheit

Iranischer Arbeiter repariert Ölleitung (Foto: AP/Vahid Salemi)
Ein Boykott europäischer Staaten würde Irans Ölexporte hart treffenBild: AP

Während der Westen auf verstärkte Sanktionen gegen den Iran setzt, demonstriert Teheran Gelassenheit und versucht das Ausmaß der Folgen herunterzuspielen. Doch immer mehr Bereiche der iranischen Wirtschaft und des Alltags sind direkt oder indirekt von den Sanktionen betroffen. Die Erdöl-, Gas- und Petrochemieindustrie, Irans wichtigste Exportbranche, leidet bereits unter den Sanktionen. Nach Angaben der Rechungsprüfungsbehörde des US-Kongresses ("Government Accountability Office") waren bis Ende Mai 2011 nur noch sechzehn ausländische Firmen auf dem iranischen Erdöl-, Gas- und Petrochemiesektor tätig. Zum Vergleich: 2010 waren es noch 43 Firmen.

Der massive Rückzug ausländischer Investoren erschwert die Modernisierung der Erdölanlagen und mindert die Konkurrenzfähigkeit Irans. Nun fordern immer mehr europäische Länder, unter anderem Frankreich und Deutschland, kein Öl mehr aus Iran zu beziehen.

Produktionsstopp und Entlassungen

Nicht nur die Großindustrie spürt die Auswirkungen der Sanktionen. Immer mehr kleine und mittelständische Unternehmen klagen über fehlende Werkstoffe. Es mangelt vor allem an sogenannten Dual-Use-Gütern, die sowohl für zivile als auch militärische Zwecke verwendet werden können.

Ein Beispiel ist die mittelständische iranische Firma "Hatef". Sie importiert chemische Produkte und Laborinstrumente. "Firmen aus Kanada, USA und Großbritannien beantworten nicht mal mehr unsere Email-Anfragen", so ein Verantwortlicher dieser Firma im Interview mit DW-Farsi. Immer mehr Firmen seien gezwungen, die gewünschten Artikel und Waren über viele Umwege zu besorgen - und zu wesentlich höheren Preisen, da man auf profitorientierte Zwischenhändler zurückgreifen müsse.

Filiale einer iranischen Bank (Foto: Bodo Marks dpa/lno)
Einige iranische Banken haben auch Filialen in DeutschlandBild: AP

Hinzu kommt, dass die Banken aufgrund der Sanktionen zunehmend international isoliert sind. Sie können immer weniger Export- und Importgeschäfte abwickeln. Vielen Firmen bleibt keine andere Wahl, als für die gewünschten Waren Vorkasse zu leisten. Dies setzt jedoch eine hohe Liquidität voraus, die viele Kleinunternehmer und Mittelständler nicht oder nur in begrenztem Maße vorweisen können. Unter dieser Situation leide die Produktion, so der "Hatef"-Sprecher. Immer mehr mittelständische Unternehmen seien inzwischen gezwungen, die Produktion drastisch herunterzufahren. Die Folge: Entlassung oder Zwangsbeurlaubung Tausender Mitarbeiter.

Devisen werden gehortet

Das mangelnde Vertrauen in die eigene Währung, auch bedingt durch die Finanz- und Bankenkrise im eigenen Land, haben dazu geführt, dass viele Menschen im Iran lieber in Dollar sparen oder ihr Kapital in Gold und Wertmünzen anlegen, um für die sichtbaren und unsichtbaren Folgen der Sanktionen besser gewappnet zu sein. Dementsprechend ist die Nachfrage wesentlich höher als das Angebot, was immer wieder zu Rekordpreisen bei Dollar und Euro geführt hat.

Ein Weg, um die begehrten Dollar zu beschaffen, führt über ein Auslandsvisum. Wer ein solches Visum hat, ist berechtigt, Devisen zu günstigen Konditionen zu tauschen. Allerdings ist die Zahl der beantragten Visa höher als die tatsächlichen Auslandsreisen. Denn manche kaufen nach Erhalt eines Visums Devisen, um sie dann auf dem Schwarzmarkt zu höheren Preisen weiter zu verkaufen – und die Reise wird nie angetreten.

Folgen sind noch unklar

Noch fragen sich die Experten, ob die immer schärfer werdenden Strafmaßnahmen gegen Iran die Wirtschaft des Landes zum Erliegen bringen können oder nicht. Der Vizechef des iranischen Industrie- und Handelskammer, Pedram Soltani, sagte vor Kurzem, kritisch werde die Situation dann, wenn sich die wichtigen iranischen Handelspartner wie China, die Vereinigten Arabischen Emirate und Indien den Sanktionen anschlössen.

Autor: Sharam Ahadi / Herbert Peckmann (dapd, afp, dpa)
Redaktion: Ana Lehmann / Rolf Breuch