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Zwei Hochzeiten

21. Juli 2008

Während EU-Ratspräsident Sarkozy nach Irland reist, um einen Ausweg aus der EU-Reformkrise zu suchen, steht Frankreichs Staatspräsident Sarkozy in Paris vor einem schwierigen Verfassungsreferendum.

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Sarkozy vor EU-Fahne (AP Photo/Michel Euler)
Sarkozy droht in Paris eine schwere AbstimmungsniederlageBild: AP

Abwarten und Zuhören sind nicht eben die Stärken von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. Dabei haben die 27 EU-Staats- und Regierungschefs selbst diese Parole ausgegeben, nachdem die Iren vor gut vier Wochen den neuen EU-Vertrag in einer Volksabstimmung abgelehnt hatten. Diesen Montag (21.07.2008) reist der Franzose, der als EU-Ratspräsident derzeit in Europa den Hut aufhat, nach Dublin. Eigentliches Ziel: Den Iren den Puls zu fühlen.

EPA/OLIVIER HOSLET +++(c) dpa - Bildfunk+++
Cowen (l.) beriet sich auch schon mit EU-Kommissionspräsident Baroso über die Folgen des irischen Neins zum Lissabon-VertragBild: picture-alliance/ dpa

Doch dass Regierungschef Brian Cowen selbst Wege aus der Krise aufzeigt, wollte Sarkozy nicht abwarten. "Die Iren werden erneut abstimmen müssen", forderte er unmissverständlich vor seiner Abreise. Sarkozy nannte zwar keinen Zeitplan. Aber er betonte, es müsse zeitig eine Entscheidung getroffen werden, wie es nach dem Nein der Iren weitergehe. "Die Europäer müssen wissen, auf welcher Basis sie das Europäische Parlament wählen. Diese Wahlen finden im Juni 2009 statt und müssen mehrere Monate zuvor organisiert werden."

Einstimmigkeit ist nötig

Irland ist der einzige der 27 EU-Staaten, in dem die Bevölkerung über den Reformvertrag abstimmte. Rund 53 Prozent der Wähler sprachen sich am 12. Juni gegen das Vertragswerk aus. Damit der Vertrag in Kraft treten kann, müssen alle Mitgliedsländer zustimmen.

Sarkozy sagte auch, er gehe nicht davon aus, dass der Vertrag von Lissabon neu verhandelt werden könne. "Ich glaube nicht, dass sich Irlands 26 Partner an einer neuen zwischenstaatlichen Konferenz (zur Vertragsverhandlung) beteiligen wollen." Angesichts derartiger Ankündigungen kann Sarkozy sich auf einen frostigen Empfang durch den irischen Ministerpräsidenten Brian Cowen und Vertreter der Opposition gefasst machen.

Iren wollen allein entscheiden

Cowen betonte bereits, man müsse anerkennen, dass es in Europa mehrere Ansichten zu dem Problem gebe. Die irische Regierung sei erst am Anfang ihrer Überlegungen, wie es weitergehen könnte. Eine Entscheidung, ob es ein zweites Referendum geben werde, liege noch nicht vor. Der irische Außenminister Micheál Martin kündigte nach Angaben des Senders RTE an, Irland werde seine eigene Entscheidung zu gegebener Zeit treffen. Es sei viel zu früh, um zu sagen, wie diese aussehen werde.

Verfassungsreform in Paris: Niederlage droht

Das Vorpreschen ist typisch für Sarkozy. Einst einer der beliebtesten französischen Politiker, ist der Élysée-Hausherr in Umfragen tief gesunken. Er zahlt vor allem für - wie viele Menschen meinen - uneingelöste Wahlversprechen, er werde Kaufkraft und Wachstum ankurbeln. Aber auch sein großspuriges Verhalten macht ihn vielen Franzosen unsympathisch. Sie würden ihm daher wohl eine Niederlage bei der von ihm angestrebten französischen Verfassungsreform gönnen. Darüber stimmt ebenfalls am Montag der französische Kongress in Versailles ab.

Da dem Staatschef wegen abtrünniger Abgeordneter aus dem eigenen Lager die nötige Mehrheit der Stimmen aus der Nationalversammlung bislang fehlt, droht ihm eine empfindliche Abfuhr. Zu den Neuerungen der Reform gehört vor allem, dass der Staatschef künftig nur noch zwei Mandate in Folge im Amt bleiben können soll. Sie räumt dem Parlament zudem das Recht ein, zur Hälfte über die eigene Tagesordnung zu befinden. Bisher schreibt die Regierung die Debattenthemen vor. Die Möglichkeit zum Beschluss von Gesetzen ohne Debatte soll beschränkt werden. Künftig sollen die Abgeordneten bei Militäreinsätzen nach sechs Monaten über deren Fortgang debattieren dürfen.

Der Senat hatte in der Nacht zum Donnerstag die Änderungen im politischen System Frankreichs zwar mit den Stimmen von Sarkozys Regierungspartei UMP gebilligt. Doch für die Verfassungsänderung ist eine Mehrheit von drei Fünftel der abgegebenen Stimmen im Kongress nötig, der neben den Senatsmitgliedern auch aus den Vertretern der Nationalversammlung besteht. Und dort fehlen Sarkozy nach Medienberichten für einen Sieg die nötigen Stimmen.

Öffentliche Kritik an Verhalten der Sozialisten

Trotz einiger Zugeständnisse Sarkozys in letzter Minute wollen die Sozialisten geschlossen gegen die Reform stimmen und dem Präsidenten damit eine erste schwere Niederlage beibringen. Dieses Verhalten stößt in Frankreichs Medien auf breite Kritik. Die konservative Pariser Zeitung "Le Figaro" schrieb am Freitag: "(Die Sozialisten) sollten lieber für die Verfassungsreform stimmen, da diese die Macht des Präsidenten beschneidet und diejenige der Volksvertretung stärkt. Das ist der Widerspruch: die sozialistische Partei wird gegen eine Reform stimmen, die die 'Allmacht des Präsidenten' beschränkt, die sie jeden Tag anprangern. Wer soll das noch verstehen."

Die linksliberale französische Tageszeitung "Libération" schreibt am Montag über die Verfassungsreform: "Seit Jahrzehnten fordert die Linke eine Stärkung der Befugnisse des Parlaments und bessere Garantien für die Opposition. Die Rechte macht Zugeständnisse, doch die Linke lehnt sie ab. Was ist das für eine Logik?" (mas)