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Politik

Südosteuropa- zentral für Frieden und Stabilität in Europa

24. Februar 2020

Die Zukunft der Region Südosteuropas ist eine Zukunftsfrage für Frieden und Stabilität des gesamten Kontinents, sagt der neue Präsident der Südosteuropa-Gesellschaft, Manuel Sarrazin, im DW-Interview.

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Manuel Sarrazin, MdB Bündnis90/Die Grünen
Bild: DW/A. Feilcke

Deutsche Welle: Sie sind gerade zum Präsidenten der Südosteuropa-Gesellschaft gewählt worden. Was verbinden Sie mit dem Amt?

Manuel Sarrazin: Zunächst einmal ist es eine große Ehre, dass so eine erlauchte und große Mitgliedschaft mir die Aufgabe übertragen hat, in den nächsten zwei Jahren die Südosteuropa-Gesellschaft gemeinsam mit dem Präsidium und dem wissenschaftlichen Beirat zu führen. Wir wollen eine starke Stimme in Deutschland und Europa für die Anliegen der Region sein und für die europäische Idee in der Region selber.

Und wo wollen Sie persönlich Ihre Schwerpunkte setzen? Nach 20 Jahren der Präsidentschaft von Gernot Erler beginnt mit Ihnen ja eine neue Ära und auch ein Generationswechsel an der Spitze der SOG...

Das Erste ist es, dass die erfolgreiche Arbeit der Gesellschaft natürlich fortzusetzen ist. Und dass wir die Herausforderungen, die die neuen Zeiten auch für die Südosteuropa-Gesellschaft bringen, versuchen werden anzugehen. Zum Zweiten ist es so, dass die gesamte Region, im Moment natürlich im besonderen Maße der Westliche Balkan, politische Aufmerksamkeit in den europäischen Hauptstädten und auch in Berlin brauchen. Wir wollen mit der Grundlagenarbeit, der Wissenschaft, aber auch als politische Lobby Group und als Think Tank für die Region versuchen, die Aufmerksamkeit für die Anliegen der Region in Berlin hoch zu halten. Und das gilt natürlich auch zuallererst für die Fragen, die im März anstehen, betreffend die Fragen der Beitrittsverhandlungen für Norfmazedonien und Albanien.

Was kann die SOG in diesem Themenfeld konkret leisten?

Manuel Sarrazin, MdB Bündnis90/Die Grünen
Manuel Sarrazin, SOG-Präsident: "Wir begleiten den Prozess in der Region kritisch konstruktiv."Bild: DW/A. Feilcke

Ich glaube, die Europäische Union hat mit der Nicht-Entscheidung zu Aufnahme von Beitrittsverhandlungen im August in den beiden Ländern einen großen Verlust an Glaubwürdigkeit erlitten. Und es ist insbesondere die Rolle Deutschlands zu versuchen, diese Lücke an Glaubwürdigkeit durch eine proaktive und intensive Beschäftigung mit der Region und starke Signale in die Region wieder aufzubauen. Und ich denke, dass hierzu die Südosteuropa-Gesellschaft einen wichtigen Beitrag durch Expertise und auch durch eigene politische Signale in die Region leisten kann.

Neben Nordmazedonien und Albanien bedürfen auch die anderen Westbalkanländer der Aufmerksamkeit. Was haben Sie beispielsweise bezüglich Serbien vor, wo ja im April Parlamentswahlen anstehen?

Die SOG begleitet den gesamten Prozess in der Region kritisch konstruktiv. Und wir sehen natürlich mit Sorge, dass die Wahlen in Serbien vor großen innenpolitischen Herausforderungen stehen. Wir machen uns Gedanken darüber, inwieweit die demokratischen Standards bei dieser Wahl aufrechterhalten werden, sowohl in Bezug auf das Handeln der regierenden Akteure, als auch auf das Handeln der Opposition. Und ich denke, es ist wichtig, dass wir versuchen, einerseits das klare Commitment der EU für den Erweiterungsprozess der gesamten Region, also auch für Serbien, hochzuhalten, und zum anderen aber auch deutllich zu machen, dass wir keine Rabatte an die Standards bezüglich Artikel 23 (Justiz und Grundrechte) und 24 (Recht, Freiheit und Sicherheit) geben wollen.

Gregor Mayer hat in diesem Jahr den Journalistenpreis der SOG erhalten, als "wichtigster Chronist der Aushöhlung der Demokratie in Ungarn". Wie in Ungarn sind auch andere Länder der Region von solchen Aushöhlungprozessen und wachsendem Populismus betroffen. Was kann die SOG diesen Prozessen entgegensetzen?

Ich denke, dass es in Ländern wie Ungarn, aber auch in der Türkei beispielsweise, richtig ist, dass wir uns klar auf die Seite der Zivilgesellschaft stellen, die in diesen Ländern sehr stark unter Druck ist, aber auch auf Seite von Journalisten und Aktivisten, die unter Druck sind. Natürlich in unterschiedlichem Maße, wenn man die Zustände in der Türkei beispielsweise mit denen in Ungarn vergleicht. Aber dennoch, dass wir unser Augenmerk auf diese Situation richten, die Akteure (der Zivilgellschaft) und ihre Rolle zu sehen und auch in Deutschland eine Stimme für die Unterstützung solcher Personen zu sein.

Darüberhinaus denke ich, ist es ein wichtiger Diskurs zu gucken, wie insbesondere die Mitgliedstaaten innerhalb der Europäischen Union, die mit solchen Problemen auf sich aufmerksam machen -  dazu gehört ja nicht nur Ungarn, sondern auch andere Staaten in der Region - wie wir dort die europäischen Prozesse stärken können, die die Möglichkeiten,das europäisch zu behandlen, betreffen. Ich denke, es ist ein richtiges Anliegen der deutschen Bundesregierung, hier einen Rechtsstaatsprozess einzuführen, der grundsätzlich alle europäischen Staaten betrachtet und nicht den Eindruck erweckt, dass nur einzelne bestimmte Staaten aus bestimmten Regionen betrachtet werden. Aber dieser Prozess muss natürlich trotzdem zu klaren Worten in Bezug auf die Situation beispielsweise in Ungarn, in Rumänien, in Bulgarien, aber sicher auch in anderen Ländern führen. Und zuletzt muss man natürlich sagen, dass ich mit Spannung betrachte, inwieweit sich die Entscheidung des europäischen Gerichtshofs im Falle Polen auch zu einer Veränderung der Einschätzung der Möglicheiten, durch europäische Jurisdiktion auf solche Entwicklungen einzugehen, in anderen Ländern, wie beispielsweise Ungarn, Rumänien, Bulgarien, auswirken werden.

Neben dem renommierten Journalistenpreis für deutschsprachige Berichterstattung aus der Region will die SOG in diesem Jahr erstmals auch die in Südosteuropa vielfachem Druck ausgesetzten Jornalisten mit einem Preis stärken...

Die Unterstützung für Journalisten aus der Region, die eine wichtige Arbeit für die Transparenz, für die Bekämpfung von Korruption und Klientelwirtschaft tun, die oftmals dort unter Druck, unter Gefährdung sind, ist eines der Themen, die uns besonders am Herzen liegen. Und wir wollen die neue Einrichtung eines Journalistenpreises für Journalisten aus der Region auch dort versuchen, ein Signal zu setzen.

Wie finden Sie die betroffenen Journalistinnen und Journalisten?

Wenn die User/Innen, Leserinnen und Leser der Deutschen Welle in der Region jetzt denken: Ich kenne eine Person, die durch journalistische Arbeit, durch Bloggertätigkeit, durch Aufklärungsarbeit unglaublich viel dazu beiträgt, dass Frieden und Demokratie in der Region hochgehalten werden, ist es wichtig, dass sie jetzt online gehen und uns diese Person vorschlagen für den neuen Preis der Südosteuropa-Gesellschaft für Journalisten aus der Region. Es gibt ein Online-Formular. Und auf südosteuropa-gesellschaft.de kann sich jeder beteiligen.

Sie sind Bundestagsabgeordneter der Grünen und lösen einen Sozialdemokraten ab. Wird es da eine Akzentverschiebung geben?

Die Zukunft der Region Südosteuropas ist  meiner Ansicht nach eine Zukunftsfrage für Frieden und Stabilität des gesamten Kontinents. Und ich fühle mich da als einer derjenigen Abgeordenten im Deutschen Bundestag, denen die Region am Herzen liegt und würde da von mir aus keinen Unterschied zu den Kollegen aus den anderen demokratischen Parteien machen. Sicherlich ist es so, dass es gewisse Zukunftsthemen gibt, die eher mit den Grünen verbunden werden und die Region sehr betreffen wie beispielsweise der Klimawandel. Mein Eindruck ist aber, dass Gernot Erler diese Themen genauso auf der Agenda hatte wie wir sie haben werden in Zukunft.

Wir gehen auf die deutsche EU-Ratspräsidentschaft zu, die im Sommer beginnt. Was hat die Südosteuropa-Gesellschaft für diese Ratspräsidentschaft im Köcher?

Wir wollen die Ratspräsidentschaft begleiten. Es ist uns wichtig, dass Deutschland in der Region als wahrnehmbarer Akteur auch ein Gesicht hat. Und die Südosteuropa-Gesellschaft wird dort gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt und anderen Institutionen wie dem Aspen-Institute durch gemeinsame Veranstaltungen versuchen, ihren Beitrag zu leisten zu einer erfolgreichen Ratspräsidentschaft.

 

Manuel Sarrazin, MdB (Bündnis 90/Die Grünen), wurde zum neuen Präsidenten der Südosteuropa-Gesellschaft (SOG) gewählt. Die SOG ist die wichtigste politikberatende Gesellschaft für Südosteuropa-Themen in Deutschland.

Das Interview führte Adelheid Feilcke, Leiterin DW-Europa.