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Wenn Satiriker Politik machen

Marc von Lüpke-Schwarz23. August 2013

Seit 2004 sorgt "Die PARTEI" für Wirbel. Mit provokanten Aktionen erregt sie Aufmerksamkeit. Nun will die Satiretruppe in den Bundestag. Das Vorhaben gilt als chancenlos, sorgt aber für Spaß im deutschen Wahlkampf.

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Martin Sonneborn, Bundesvorsitzender der PARTEI, posiert vor einem Wahlplakat (Foto: picture alliance/dpa)
Der PARTEI-Bundesvorsitzende Martin SonnebornBild: picture-alliance/dpa

Zwei Fähigkeiten benötigen die Mitglieder der PARTEI ganz dringend. Das Erste ist ein gutes Gedächtnis. "Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative" lautet der volle Name dieser politischen Formation. Damit kommt ihr mit Sicherheit die Ehre zu, den längsten Namen in der deutschen Parteiengeschichte zu besitzen - und es fast jedem Wähler recht machen zu wollen.

Die zweite Fähigkeit ist ein robuster Magen. "Das BIER entscheidet" steht über dem Wahlprogramm der PARTEI. Was zunächst als Parodie auf den missglückten Wahlkampfauftakt der SPD mit ihrem mittlerweile zurückgezogenen Slogan "Das WIR entscheidet" verstanden werden kann, erweist sich letztendlich nicht nur als pure Ironie.

Politische Korrektheit - Fehlanzeige

Eben bei einem gemütlichen Bierchen steht der Vorsitzende des Landesverbandes Hamburg der PARTEI, Alexander Grupe, Rede und Antwort. "Wirtschaftsförderung ist auch wichtig", sagt Grupe und spielt damit auf die Umgebung an. Der Treffpunkt ist eine Gastwirtschaft im Hamburger Stadtteil St. Pauli. Etwa 700 Mitgliedern steht Grupe in der Hansestadt vor, rund 9000 Mitglieder sollen der Gruppierung bundesweit angehören. Auch ein Wahlerfolg - wenn bislang auch nur ein kleiner - war ihr beschieden: In Lübeck stellt sie seit kurzer Zeit ein Mitglied im Stadtparlament - 1,3 Prozent der Wählerstimmen reichten dafür.

Martin Sonneborn, Bundesvorsitzender der PARTEI und ehemaliger Chefredakteur der Zeitschrift "Titanic", posiert vor dem Reichtag in Berlin (Foto: picture alliance/dpa)
Das Ziel der PARTEI ist klar: Sie will in den Bundestag einziehenBild: picture-alliance/dpa

"Als die PARTEI 2004 gegründet wurde und das im 'Titanic'-Magazin erwähnt wurde, habe ich gar nicht lange darüber nachgedacht. Mir war klar, das ist eine coole Sache. Da will ich mitmachen", erzählt Grupe. Und kommt damit auf die geistige Heimat der PARTEI zu sprechen: das zweitgrößte deutsche Satiremagazin. Tatsächlich waren es "Titanic"-Redakteure, die die PARTEI gründeten. Bis heute ist Martin Sonneborn, ehemaliger Chefredakteur des Blattes, ihr Bundesvorsitzender. Satirisch-parodistische Aktionen sind das Markenzeichen der PARTEI und ihres Chefs Sonneborn - politische Korrektheit: Fehlanzeige.

Die Jugendorganisation der PARTEI heißt, nach dem Generalsekretär Thomas Hintner benannt, "Hintnerjugend" - eine wenig subtile Anspielung auf die nationalsozialistische Hitlerjugend. Ein Fackelmarsch von PARTEI-Mitgliedern 2011 durch das Brandenburger Tor in Berlin war ebenfalls eine von vielen gezielten Provokationen. Rechts- oder Linksextremismus liegt der PARTEI allerdings laut Eigenaussage absolut fern: "Wir sind die extreme Mitte."

Mit der PARTEI die Welt verbessern

"Die PARTEI funktioniert auf vielen Ebenen. Eine davon ist natürlich, dass von außen vieles nach Quatsch und Spaß aussieht. Aber letztendlich schaffen wir auch ganz konkrete ernsthafte Sachen, die die Welt verbessern", sagt Grupe. "Zum Beispiel wurde durch uns das Grundgesetz verbessert." Das ist in der Tat nicht von der Hand zu weisen. 2009 wurde die PARTEI vom zuständigen Bundeswahlleiter nicht zur Bundestagswahl zugelassen. Ein Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht scheiterte, weil das damals geltende Recht nur eine Prüfung nach der Wahl zuließ. Damit war die Wahl für die PARTEI gelaufen. 2012 änderte der Bundestag das Bundeswahlgesetz und das Grundgesetz, sodass alle Kleinparteien nun vor der Wahl das Recht haben, eine Nichtzulassung gerichtlich prüfen zu lassen - eine wichtige Verbesserung für die deutschen Kleinparteien.

Martin Sonneborn, Bundesvorsitzender der PARTEI, beim Mauerbau (Foto. picture alliance/dpa)
Die PARTEI macht immer wieder mit kuriosen Aktionen von sich reden, hier mit einem teilweisen Wiederaufbau der deutsch-deutschen GrenzeBild: picture-alliance/dpa

Ein Blick in das 13-Punkte-Regierungsprogramm der PARTEI für den Fall eines Wahlsiegs lässt den Leser allerdings schmunzeln und zugleich neue Zweifel an der Ernsthaftigkeit aufkommen. "Inhalte überwinden!" prangt in großen Buchstaben weiß auf rot auf dem Programm. Ein paar Auszüge: "Punkt 1: Einführung der Faulenquote - Die PARTEI will 17 Prozent der Führungspositionen in der deutschen Wirtschaft mit qualifizierten Faulen, Drückebergern und Müßiggängern besetzen." Und weiter mit Punkt 12: "Merkel muß weg! - Langsam wird diese Position auch innerhalb der CDU mehrheitsfähig. Aber unsere Forderungen gehen ein Stück weiter: Die PARTEI fordert, dass Angela Merkel sich - genau wie ihr Kollege Mubarak in Ägypten - in einem Schauprozess zu verantworten hat. Natürlich in einem Käfig."

Satire ersetzt die Politik

Inwieweit solche Forderungen tatsächlich den Wählerwillen treffen, wird sich bei der Bundestagswahl im September zeigen. Mangelnden Ehrgeiz kann man der PARTEI jedenfalls nicht vorwerfen. Das von der PARTEI-Führung ausgegebene Ziel lautet: mindestens 100 Prozent der Wählerstimmen. Warum engagieren sich aber Menschen in einer solchen, oft als bloße Spaßtruppe angesehenen Gruppierung? Hierzu äußert sich die Künstlerin Bea Winkler vom Hamburger Landesverband: "Es geht doch darum: Wenn die Politik zur Satire wird, muss die Satire in die Politik gehen", sagt sie, ebenfalls beim Bier. "Was mich auch interessiert, ist der Gedanke der Simulation einer Partei."

Was genau aber nun beim Engagement für die PARTEI überwiegt, der Ernst, der Spaß, die Satire oder auch der Frust über die etablierten größeren Parteien, darauf lassen sich ihre Mitglieder nicht festlegen. Mangelnder Ideenreichtum lässt sich der PARTEI nicht vorwerfen, auch nicht in Hamburg. Ihr Vorschlag für die Hansestadt: Die immer noch nicht fertiggestellte Elbphilharmonie soll Teil eines stadtweiten Zeppelinnetzes werden, das den öffentlichen Nahverkehr "sinnvoll" ergänzen könnte. Die Hamburger PARTEI-Mitglieder mit Alexander Grupe an der Spitze rüsten sich wie ihre bundesweiten Mitstreiter mittlerweile für den Wahlkampf. Zur Bundestagswahl 2013 ist die PARTEI ohne Beanstandung zugelassen worden.