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Politik

Skandal in der Schach-Szene

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Holger Hank
29. Dezember 2017

Die Schnellschach-Weltmeisterschaft im Zeichen der Politik: Saudi-Arabien richtet in diesen Tagen die Denksport-WM aus - doch Israelis dürfen nicht mitspielen. Ein Skandal, meint Holger Hank.

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König Salman Schach Weltcup-Meisterschaft
Bild: picture alliance / Saudi Press A

"Gens una sumus" ("Wir sind eine Familie") lautet das Motto des Weltschachbunds. Doch zu dieser Familie gehören Schachspieler aus Israel derzeit nicht. Israelis dürfen nicht an den Weltmeisterschaften im Schnell- und Blitzschach teilnehmen, die zum Jahresende in Saudi-Arabien ausgetragen werden. Offiziell heißt es, dies läge an den fehlenden diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien. Faktisch handelt es sich um antiisraelische und antisemitische Symbolpolitik - in diesem Fall auf dem Schachbrett. 

Dass die organisierte Diskriminierung von Israelis und Juden auch in anderen Sportarten ein Thema ist, zeigte sich zuletzt im Oktober 2017 bei den Judoka. Bei der WM in Abu Dhabi durften israelische Sportler immerhin antreten, allerdings nicht unter der Fahne ihres Landes und die Nationalhymne Israels wurde bei der Medaillenübergabe auch nicht gespielt. 

Froh über einen Ausrichter

Der eigentliche Skandal ist das Verhalten der Sportverbände, im aktuellen Fall des Weltschachbunds FIDE. Warum vergeben die Denksport-Funktionäre ihre durchaus hochkarätige WM ausgerechnet an Saudi-Arabien? Die Antwort ist ernüchternd: Der Golfstaat war der einzige Bewerber und der notorisch klamme Weltschachbund war froh, einen Ausrichter gefunden zu haben - noch dazu einen, der mit ca. zwei Millionen Dollar einen großen Preisfond bietet. Die Saudis wiederum freuten sich über die Gelegenheit, internationale Offenheit zu demonstrieren, und dürfen das Event sogar ganz offiziell "König Salman"-WM taufen.

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DW-Redakteur Holger Hank

Es ist nicht das erste und vermutlich auch nicht das letzte Mal, dass die Schach-Funktionäre Turniere an Länder vergeben, die Israel diskriminieren oder Frauen zwingen, am Schachbrett ein Kopftuch zu tragen - wie vor kurzem bei der Frauen-WM im Iran. Der Weltschachbund ist ein besonders drastisches Beispiel für die Zustände in so manchem internationalen (Rand-)Sportverband. Jahrelang wurde die FIDE angeführt von einem russischen Regional-Politiker, der inzwischen wegen dubioser Öl-Geschäfte in Syrien von den USA juristisch verfolgt wird. Für seriöse Sponsoren ist die FIDE in dieser Verfassung kein guter Gesprächspartner - für finanzkräftige autoritäre Staaten, die ihr Image aufpolieren wollen, aber offenbar schon.

Besserung ist nicht zu erwarten

Dass sich im Weltschach sportpolitisch schnell etwas ändert, ist nicht zu erwarten. Vorgesehen ist, dass trotz der internationalen Kritik auch in den nächsten zwei Jahren wieder Schnell- und Blitzschach in Riad gespielt wird. Denn die FIDE hat auch ihre WM-Turniere für 2018 und 2019 an Saudi-Arabien vergeben. Der Skandal könnte sich also wiederholen. Nur langsam regt sich dagegen Widerstand bei den Spielern. So weigerte sich die amtierende Frauen-Weltmeisterin Anna Musytschuk, nach Riad zu reisen - aus Protest gegen die Unterdrückung von Frauen in dem streng islamischen Land. 

Der Deutsche Schachbund - einer der größten der Welt - hat jetzt in einer Stellungnahme die Nichtteilnahme der Israelis kritisiert. Der deutsche Verband hat guten Grund, sich bei den Themen Israelfeindlichkeit und Antisemitismus international noch deutlicher zu Wort zu melden. Anfang des letzten Jahrhunderts war Emanuel Lasker der erste und einzige deutsche Schachweltmeister. Als Jude floh Lasker 1933 aus Deutschland und starb 1941 in New York. Im kommenden Jahr wird die deutsche Schach-Szene seinen 150. Geburtstag feiern.

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