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Köln ist nicht Charlie

Sabrina Pabst30. Januar 2015

Das Fahrverbot des "Charlie-Hebdo"-Motivwagens auf dem Kölner Rosenmontagszug polarisiert. Das Festkomitee des Kölner Karnevals muss seit dem Baustopp scharfe Kritik einstecken. Doch es gibt auch Verständnis.

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Eine zerknüddelte Karikatur zeigt das Siegermotiv für den Karnevalswagen zum Thema Meinungsfreiheit. Der Kölner Karneval verzichtet auf einen umstrittenen Rosenmontags-Wagen, der den Anschlag auf das französische Magazin «Charlie Hebdo» satirisch aufgreifen sollte. (Foto: DW/M.Müller
Bild: DW/M. Müller

Im Karneval herrscht Narren- und Meinungsfreiheit – eigentlich. Geht es nach dem Willen des Kölner Festkomitees, ist es in diesem Jahr anders. Der Motivwagen, der die Anschläge auf das Satire-Magazin "Charlie Hebdo" thematisieren sollte, ist für die Verantwortlichen zum Tabu geworden.

"In der Bevölkerung hat es ganz viele Menschen gegeben, die verunsichert sind, die nicht wissen, ob sie zum Rosenmontagszug kommen, ob das ein Risiko bedeutet, und dementsprechend mussten wir handeln. Dann ist es nur verantwortlich zu sagen, wir nehmen das Risiko raus, denn wir möchten ja auch den schönen, kunterbunten Karneval feiern", so der Zugleiter des Kölner Festkomitees, Christoph Kuckelkorn. Ihm gehe es um die gefühlte Bedrohung durch Terroristen, denn eine tatsächliche Gefahr besteht derzeit nicht, bestätigen die Kölner Polizei und das Innenministerium von Nordrhein-Westfalen. "Auch im Kölner Karneval muss Meinungsfreiheit möglich sein, vor allem, wenn man so einen breiten Beteiligungsprozess bei Kölner Jecken gemacht hat. Ich finde, sie dürfen nicht in Angst und Furcht verfallen und sich nicht einschüchtern lassen, denn dann hätten diese Extremisten gewonnen", findet Innenminister Jäger.

Die Meinungsfreiheit als höchstes Gut?

Zum ersten Mal konnten die Jecken über das Motiv eines Persiflage-Wagens mitbestimmen. Das Festkomitee Kölner Karneval wollte damit ein Zeichen für die Meinungsfreiheit setzen. Über 7.000 Karnevalisten haben sich bei der Abstimmung beteiligt und aus 14 Entwürfen ihren Favoriten gewählt. Die meisten Stimmen bekam ein Entwurf, bei dem ein Clown das Gewehr eines Terroristen mit einem Bleistift verstopft. Doch dann die überraschende Kehrtwende: Nach einigen Tagen folgte der Baustopp.

Kölner Karneval Wagenbauprojekt zum Aktuellen Weltgeschehen und Meinungsfreiheit
Mitglieder des Kölner Festkomitees bei der Präsentation des "Charlie Hebdo"-WagensBild: picture-alliance/dpa/H. Galuschka

Eine Entscheidung, die für den nordrhein-westfälischen Grünen-Vorsitzenden Sven Lehmann kaum nachzuvollziehen ist. "Wenn Angst den Karneval überkommt, hat der Terror gewonnen", meint er. "Gerade jetzt braucht es starke Zeichen der Solidarität mit 'Charlie Hebdo' und für das hohe Gut der Meinungsfreiheit." Auch der Kölner Bundestagsabgeordnete Volker Beck meint, man habe eine Chance vertan, ein starkes Signal für die Meinungs- und Pressefreiheit zu senden."

Und Heiko Maas wertet die Entscheidung des Kölner Festkomitees als falsche Reaktion auf den Terror.

Spaß ist wichtiger als politische Botschaften

Der Baustopp wird nicht nur in der Politik heiß diskutiert. Auch im Internet und in den sozialen Medien finden es viele karnevalbegeisterte Nutzer feige, den Wagen an dem Rosenmontagszug nicht teilnehmen zu lassen, und sind enttäuscht. Sie kritisieren vor allem, dass der Spaß in Köln wichtiger sei als politische Botschaften. Auf der Facebook-Seite des Kölner Festkomitees schreibt Vanessa Schmitt: "Ich war immer der Überzeugung, man feiert die Narrenfreiheit und die kölnischen Werte wie Toleranz. Aus irgendeiner diffusen Angst die kölnischen Werte zu verraten ist absolut inakzeptabel." Und auch Karsten Stieg findet es beschämend und besorgniserregend, "diesen politisch aktuellen Wagen mit dieser starken Stellungnahme, speziell nach der großen Ankündigung, aus dem Programm zu nehmen. Es fühlt sich an, als hätten diejenigen, gegen die der Wagen stünde, gewonnen."

Doch die öffentliche Meinung geht auseinander. Professor Nevzat Yasar Asikoglu, Vorsitzende der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) findet die Entscheidung sehr positiv. So wie die muslimische Gemeinschaft in Deutschland die Werte anderer respektiere, sei dies ein Ausdruck dafür, "dass man unseren Werten Respekt erweist." Auch der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag und selbst passionierter Kölner Karnevalist, Wolfgang Bosbach, befürwortet das Fahrverbot für den umstrittenen Wagen. "Natürlich ist das ein Einknicken vor extremistischen, radikalen Kräften, aber wir alle wollen Rosenmontag als großes Volksfest unbeschwert erleben." Dieses Fest solle nicht "von möglichen Gefahren oder Ängsten überschattet" werden, meint er.

"Richtige Entscheidung mit Außenmaß"

Dass die Sicherheit der Zuschauer und Zugteilnehmer im Vordergrund stehe, obwohl es keinerlei Warnungen seitens der Polizei gibt, findet auch Christian Schaffrath eine "richtige Entscheidung mit Augenmaß." Und auch Klaus Krupp, Teilnehmer am Rosenmontagszug, schreibt auf Facebook: "Chapeau vor den Verantwortlichen, dass sie nach Abwägung aller Konsequenzen alles nochmals überdacht haben und den Wagen zurückgezogen haben. Dazu gehört Größe, Mut und Courage."

Die undatierte Grafik zeigt in Köln (Nordrhein-Westfalen) das Siegermotiv für den Karnevalswagen zum Thema Meinungsfreiheit. Der Kölner Karneval verzichtet auf einen umstrittenen Rosenmontags-Wagen, der den Anschlag auf das französische Magazin «Charlie Hebdo» satirisch aufgreifen sollte. (Foto: picture-alliance/dpa)
Politische Satire auf den Motivwagen im Kölner KarnevalBild: picture-alliance/dpa

Schon während der Motivabstimmung hatten besorgte Jecken die Frage aufgeworfen, ob die Morde von Paris überhaupt Thema im Rosenmontagszug sein sollten. Wilhelm Klumbies empfindet die jetzige Entscheidung als richtig. "Die Trauer trübt den Blick auf die Schattenseiten von 'Charlie Hebdo'", schreibt er. "Im Karneval will man sich amüsieren. Alles was mit 'Charlie Hebdo' zusammenhängt, ist nicht lustig und nicht amüsant."

Das Festkomitee reagierte und veröffentlichte eine Stellungnahme. Im nachhinein müssten sie erkennen, dass es keine gute Idee gewesen sei, den Entwurf so frühzeitig zu präsentieren und "damit einen langen Zeitraum für die Entwicklung von Schreckensszenarien zu lassen". Schuld an dieser Eskalation seien einige Medien, in denen heftig darüber diskutiert worden sei, ob und wie der Wagen zu schützen sei. Eine Diskussion, die im rivalisierenden Düsseldorfer Karneval schon in der Vergangenheit für Konsequenzen gesorgt hat. Das "Comitee Düsseldorfer Carneval" wollte die Kölner Kehrtwende ausdrücklich nicht kommentieren, sie hätten aber aus solchen Fehlern gelernt: Die Motive der Persiflage-Wagen werden bis zum Start des Rosenmontagszugs geheim gehalten.

Kölner Karneval Wagen Skizze Respekt 30.01.2015
Für den Kölner Karneval ein etwas unverfänglicherer Entwurf eines Persiflage-WagensBild: picture-alliance/dpa