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Scharfe Waffe oder zahnloser Tiger?

Andreas Sten-Ziemons12. September 2012

Mit dem Financial Fairplay will die UEFA den Finanz-Wahnsinn im Profifußball eindämmen. Nun wurden zum ersten Mal Strafen verhängt. Ein Schritt zu mehr Chancengleichheit im europäischen Spitzenfußball?

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Porträt von Michel Platini, UEFA Präsident (Foto: Mindaugas Kulbis/ddp images/AP)
Bild: ddp images/AP Photo/Mindaugas Kulbis

Im Jahr 2009 hat das UEFA-Exekutivkomitee einstimmig ein Konzept für finanzielles Fairplay (FFP) verabschiedet und folgende Ziele formuliert: Herstellung von mehr Disziplin und Rationalität im Finanzwesen des Klubfußballs, Reduzierung des Drucks von Gehältern und Transfersummen sowie die Begrenzung der inflationären Auswirkungen. Vereinfacht formuliert: Vereine, die künftig an europäischen Wettbewerben teilnehmen wollen, müssen vernünftig wirtschaften. Nur was man einnimmt, darf auch wieder für neue Spieler und deren Gehälter ausgegeben werden. Verstöße werden von der UEFA bestraft - die Clubs haben sich damit einverstanden erklärt, die Strafen zu akzeptieren.

Im Moment läuft eine Testphase, in der die Finanz-Aktivitäten der europäischen Clubs kontrolliert werden. Erst mit Beginn der Saison 2014/15 wird das FFP vollständig eingeführt. Dann könnten Vereine theoretisch sogar von der Europapokal-Teilnahme ausgeschlossen werden, vorausgesetzt, sie haben in den drei vorangegangenen Spielzeiten mehr als eine bestimmte Summe in Relation zu ihren Einnahmen ausgegeben. Als Einnahmen gelten laut UEFA Eintritts- und Fernsehgelder, Werbeeinnahmen, Verdienste aus Merchandising sowie Transfereinnahmen. Dagegen werden Geldgeschenke von reichen Clubbesitzern und Mäzenen nicht zu den Einnahmen gezählt, können die Bilanz also nicht verbessern. Zur Ausgabenseite gehören qua Definition Spielergehälter, Transferausgaben und laufende Kosten - nicht aber Investitionen in Stadien und Jugendzentren. Im Moment sind am Ende der Gegenüberstellung 45 Millionen Euro Defizit pro Jahr erlaubt, ab 2015 sollen dann nur noch 30 Millionen Defizit gestattet sein.

Auch künftig kein Wettbewerb auf Augenhöhe

Diese Maßnahmen sind, wenn man sie konsequent umsetzt, durchaus sinnvoll und sie könnten tatsächlich zu einer langfristigen Stabilität im europäischen Fußball beitragen. Eine Chancengleichheit wird es aber wohl niemals geben. Vielmehr schützt das System die Vereine, die schon seit Jahren konstant hohe Einnahmen generieren. Kleinere Vereine dagegen, die erst jetzt den Sprung in die Champions League schaffen und finanzielle Defizite im Vergleich zu den Alt-Eingessenen haben, können diesen Rückstand nun nicht mehr durch die großzügige Zuwendung von externen Geldgebern aufholen. Denn auch Sponsorenverträge dürfen künftig nur innerhalb der marktüblichen Preise abgeschlossen werden. Bedeutet: Wer plötzlich das Zehnfache an Sponsorengeld im Vergleich zu seinen Liga-Konkurrenten erhält, gerät vor der UEFA in Erklärungsnot.

Erster Biss des zahnlosen Tigers?

"Wer sich nicht an die Regeln hält, wird Schwierigkeiten bekommen", hat UEFA-Präsident Michel Platini stets vollmundig angekündigt, allerdings ohne seinen Worten auch tatsächlich Taten folgen zu lassen. Deswegen war er oft - vor allem von Vertretern der großen deutschen Vereine - kritisiert worden. Nun aber haben die Kontrolleure des FFP zum ersten Mal Strafen verhängt. An 23 Vereine werden die von der UEFA ausgelobten Antritts- und Punktprämien in Champions und Europa League zunächst nicht ausgezahlt. Die Klubs, unter denen sich auch Europa-League-Sieger Atletico Madrid, Champions-League-Teilnehmer CF Malaga, Sporting Lissabon und der türkische Rekordmeister Fenerbahce Istanbul befinden, haben bis zum 30. September Zeit, einen ausführlichen Bericht zum Verbleib der fehlenden Gelder abzugeben. Bei den Versäumnissen handelt es sich um überfällige Zahlungen an andere Vereine, an Mitarbeiter oder auch an Steuerbehörden und Sozialversicherungsinstitutionen. Erst wenn alle Verbindlichkeiten beglichen sind, werden die Prämien wieder frei.

Fenerbahce-Spieler Gokhan Gonul jubelt. (Foto: BULENT KILIC/AFP/GettyImages)
Fenerbahce Istanbul und 22 andere Clubs bekommen vorläufig keine Prämien von der UEFABild: Getty Images

Die Maßnahme trifft die Vereine durchaus schmerzhaft: Immerhin bekommt jeder Champions-League-Teilnehmer 8,6 Millionen Euro Antrittsgeld, in der Europa League gibt es immerhin noch 1,3 Millionen Euro. Viel Geld, das den Klubs nun fehlt. Allerdings bleibt festzuhalten, dass es sich bei den 23 betroffenen Klubs meist um Vereine handelt, die weder im Kampf um europäische Titel noch auf dem Transfermarkt eine große Nummer sind.

Prüfstein für Platini und die UEFA

Doch gerade am Umgang mit diesen "großen Nummern" müssen sich die UEFA und ihr Präsident in Zukunft messen lassen. Konkret geht es um Vereine wie Manchester City, Paris Saint Germain, den FC Chelsea oder Zenit St. Petersburg, hinter denen reiche Konzerne und Klubbesitzer stehen, die ihre Vereine mit Hunderten Millionen Euro pro Jahr unterstützen. "Es scheint, dass einige Klubs immer noch nicht verstanden haben, worum es geht", sagte Bayern Münchens Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge nach der soeben abgelaufenen Transferperiode erstaunt. Die Pariser führen mit 147 Millionen Euro für neue Spieler die Hitliste der spendabelsten Vereine in diesem Sommer an. PSG gehört der Gruppe "Qatar Sports Investment", die wiederum ist Teil des Imperiums von Scheich Tamim bin Hamad Al Thani, dem Kronprinzen von Katar.

Zlatan Ibrahimovic mit Manager Leonardo (r.) und Geschäftsführer Nasser Al-Khelaifi (l.) (Foto: dpa)
Neu bei PSG: Zlatan Ibrahimovic mit Manager Leonardo (r.) und Geschäftsführer Nasser Al-Khelaifi (l.)Bild: picture-alliance/dpa

Beim FC Chelsea (100 Millionen Euro für Transfers / Besitzer: Roman Abramowitsch) und Zenit St. Petersburg (95 Millionen Euro für Transfers / Besitzer: Gazprom) sieht es ähnlich aus. Ausgaben wie diese - und hinzu kommen ja auch noch die Gehälter - wären ab 2014 im Rahmen der Bestimmungen des FFP nur noch schwer zu refinanzieren. Möglicherweise ist daher das diesjährige Mit-Geld-um-sich-Werfen auf dem Transfermarkt ein vorletzter Höhepunkt, bevor in zwei Jahren dann Bescheidenheit und Vernunft einkehren. Oder aber die Scheichs und Mäzene suchen sich nach Inkrafttreten des FFP Schlupflöcher, indem sie ihre Millionen - zumindest offiziell - nicht mehr in die Profiabteilung, sondern in die Jugendzentren ihrer Klubs pumpen.

In jedem Fall werden die konsequente Umsetzung der FFP-Regeln und die möglicherweise notwendige Sanktionierung von Klubs ein echter Prüfstein für die UEFA und ihren Präsidenten Platini. Es wird spannend zu beobachten sein, wer sich letztlich wem beugt. Dass die reichen Vereinsbosse künftig zu Gunsten des vernünftigen Wirtschaftens auf sportlichen Erfolg verzichten, ist nämlich genauso schwer vorstellbar, wie ein Ausschluss aus der Champions League für Zugpferde wie die hoch verschuldeten spanischen Spitzenteams Real Madrid und FC Barcelona oder das mit Stars gespickte Team von Manchester City.