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Fadlallah im DW-Interview

Rainer Sollich / Loay Mudhoon, zurzeit Beirut 16. September 2007

Im Gespräch mit der Deutschen Welle verurteilt der Schiitenführer Hisbollah Scheich Fadlallah einerseits Terror und predigt den interreligiösen Dialog. Andererseits unterstützt er den bewaffneten Kampf gegen Israel.

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Scheich FadlallahBild: Loay Mudhoon

Scheich Mohammed Hussein Fadlallah gilt nicht nur als spiritueller Vordenker der Hisbollah, sondern er zählt zu den ranghöchsten Theologen der Schiiten. Das Wort des geistlichen Oberhauptes der 1,2 Millionen libanesischen Schiiten hat weit über die Grenzen des Libanon hinaus Gewicht - und das nicht nur rein theologisch. Denn der 72-Jährige hat die "Partei Gottes" 1982 mit gegründet und unterstützt bis heute deren militärisches Vorgehen gegen - wie er es nennt - "jegliche israelische Aggression".

Ablehnung islamistischen Terrorismus

Den internationalen Terrorismus extremistischer Gruppen wie der radikal-sunnitischen El Kaida lehnt der geistliche Führer der libanesischen Schiiten dagegen ab: "Es gibt extremistische islamische Gruppen, die die religiösen Texte missverstehen. Sie versuchen, ihre Ziele mit Gewalt gegen Andersdenkende zu erreichen, sogar mit Gewalt gegen Muslime, wie wir bei manchen radikalen Terror-Organisationen sehen. Die meisten der 1,5 Muslime weltweit lehnen diese Gewalt ab. Solche Gruppen stellen nur eine ganz kleine Minderheit in der islamischen Realität dar", sagt Fadlallah.

Libanon Rainer Sollich und Loay Mudhoon im Interview mit Scheich Fadlallah in Beirut
Scheich Fadlallah im Interview mit der Deutschen WelleBild: Loay Mudhoon

Auch in Europa neigten nur sehr wenige Muslime zum Radikalismus, meint Fadlallah. Im Deutsche-Welle-Interview fordert er alle dort lebenden Glaubensbrüder auf, sich als gute Bürger und gute Muslime zu verhalten - und vor allem Recht und Ordnung zu respektieren: "In all unseren Botschaften und Fatwas an die Muslime im Westen betonen wir, dass sie der Sicherheit und allgemeinen Ordnung des Landes, in dem sie sich aufhalten, keinen Schaden zufügen dürfen. Sie sollten aufgeschlossen sein gegenüber der Gesellschaft, in der sie leben. Und sie sollten sich gleichzeitig an ihre islamischen Verpflichtungen halten - die ja die allgemeine Ordnung nicht schädigen."

Missbrauch des Islam

Islamische Extremisten, sagt Scheich Fadlallah, missverstünden die Kultur des Islam in seiner umfassenden und menschlichen Sicht. Die Europäer sollten deshalb mit ihnen genauso konsequent umgehen wie mit links- und rechtsextremistischen Gruppen.

Fadlallah betont sogar, dass der Islam nach seinem Verständnis prinzipiell keine Aggressionskriege rechtfertige - sondern nur militärische Feldzüge zur eigenen Verteidigung. Allerdings hält er den bewaffneten Kampf gegen Israel in diesem Kontext für gerechtfertigt, weil der Nachbarstaat arabisches Land besetzt halte. Selbst Selbstmord-Attacken rechtfertigt Fadlallah hier in bestimmten Situationen als legitim - mit einer Einschränkung: Sie dürften im Normalfall nur gegen Soldaten gerichtet sein, nicht gegen Zivilisten. "Hier sagen wir, dass es nicht gestattet ist, solche Aktionen gegen Kinder, Frauen, alte Leute und Zivilisten im Allgemeinen zu richten - es sei denn in Situationen der äußersten Notwendigkeit, wie in solchen Kriegen, die auch von zivilisierten Ländern geführt werden."

Unversöhnlich gegenüber Israel

Damit lässt Fadlallah zwar vorsichtige Distanz zum Gewaltkonzept der Hisbollah erkennen. Aber in öffentlichen Statements verdammt er immer wieder entschlossen den israelischen und amerikanischen Einfluss im Libanon und Nahen Osten. Uns ausländischen Journalisten aus Deutschland möchte er lieber eine andere Botschaft mitgeben: "Wir plädieren für den Dialog der Kulturen, für religiös-säkularen ebenso wie für inter-religiösen Dialog. Denn wir glauben, dass der Dialog das einzige zivilisatorische und menschliche Mittel zur Völkerverständigung und zum Erreichen des Friedens ist."

Aber unter welchen Umständen auch Dialog und Frieden mit Israel möglich wären - darauf ist von Scheich Fadlallah keine Antwort zu erhalten.