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Schlangen - schön und nur manchmal gefährlich

12. Mai 2010

Etwa 100.000 Menschen sterben jedes Jahr an Schlangenbissen. Jetzt hat die WHO eine Online-Datenbank zu Giftschlangen veröffentlicht. Mit Bildern, Gegengiften und Tipps. Doch sind die Tiere wirklich gefährlich?

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Grüne Mamba (Dendroaspis viridis) (Foto: San Diego Shooter/nc/nd)
Die Grüne Mamba (Dendroaspis viridis) ist eigentlich ein scheues Tier ...Bild: San Diego Shooter/nc/nd

Eigentlich sind Giftschlangen eher harmlos. "Hält man gewisse Vorsichtsregeln ein", sagt Wolfgang Böhme, "stellen sie keine Gefahr dar, weil sie normalerweise immer die Flucht ergreifen." Der Schlangenexperte muss es wissen. Seit 40 Jahren erforscht und sammelt er die Tiere, gebissen wurde er bislang noch nie, versichert er. Der Kurator für Reptilien gerät ins Schwärmen, wenn er von den beinlosen Reptilien spricht. In seinem Büro im Zoologischen Forschungsmuseum König in Bonn stehen allerlei Gläser mit in Alkohol eingelegten Schlangen herum. Kleine, große, giftige, harmlose aus allen Ländern der Welt.

Beißfaul oder aggressiv

Etwa 2800 verschiedene Schlangenarten gibt es auf der Erde. Etwa zehn Prozent – also rund 280 Arten sind giftig. Aber auch unter den Giftschlangen, sagt Böhme, gibt es gewaltige Unterschiede: "Es gibt wahnsinnig aggressive Giftschlangen und es gibt total beißfaule." Seeschlangen besitzen beispielsweise eines der stärksten Schlangengifte überhaupt, beißen aber nur äußerst ungern. "Aber wenn sie mal zuschnappen, dann wird es unangenehm, denn das ist tödlich!"

Wolfgang Böhme, stellvertretender Direktor Forschungsmuseum Alexander König (Foto: DW)
Prof. Wolfgang Böhme: "Entweder man hasst Schlangen oder ekelt sich oder man findet sie toll. Ich finde sie natürlich toll!"Bild: DW

Natürliche Selektion, erklärt Böhme. Seeschlangen benötigen im Gegensatz zu anderen Giftschlangen keine Aggressivität in ihrem Lebensraum.

"Ganz schlimm sind dagegen Mambas, das sind baumkletternde Schlangen, die dauernd unterwegs sind und immer bereit sein müssen, zuzuschlagen." In ihrem Lebensraum macht Agressivität Sinn. Sie müssen blitzschnell reagieren, um ihre Beute - Baumfrösche, Vögel oder Eidechsen - zu erwischen.

Gifte fördern die Verdauung

Doch die verschiedenen Schlangengifte sollen die Beute nicht in erster Linie töten, das Toxische sei gewissermaßen ein Nebeneffekt, sagt Wolfgang Böhme. "Die primäre Funktion des Schlangengiftes ist die der Verdauungshilfe. Denn die großen Eiweißmengen, die die Schlange zu sich nimmt, müssen chemisch aufgeschlossen werden." Das Gift sei nichts anderes als ein aggressiver, potenter Speichel, der eben durchaus tödlich sein kann. Die Zusammensetzung des Giftes wird dabei von der Nahrung bestimmt.

So käme es vor, erzählt Böhme, dass bei der ein und selben Sandrasselotterart, Tiere in Marokko ein völlig anderes Gift besäßen als Sandrasselottern in Nordindien. Weil die einen hauptsächlich Skorpione fressen und die anderen vor allem Mäuse. "Wenn sie dann eine Sandrasselotter nehmen, die aus Westafrika stammt, um Antiseren herzustellen, der Patient aber von einem Tier aus Pakistan gebissen wurde, zeigt sich, dass die Wirkung des Serums gleich null ist und überhaupt nicht anschlägt."

Gabunviper (Bitis gabonica) verspeisst eine Maus (Foto: picture alliance/David Northcott/OKAPIA)
Die Gabunviper (Bitis gabonica) gehört zu den Puffottern. Mit ihren zehn Kilo ist sie die schwerste Giftschlange der Welt. Ihre Giftzähne können fünf Zentimeter lang werden. Auch das ist ein Rekord! Wie bei Vipern üblich, kann sie ihre vorne stehenden Giftzähne mit innerem Giftkanal ausklappenBild: Picture-alliance/David Northcott/OKAPIA

Blut- und Nervengifte

Es gibt zwei große Wirkungsgruppen von Schlangengiften: Zum einen hämorrhagische Gifte, also Blutgifte, und zum anderen Nervengifte.

Blutgifte oder Hämotoxine zerstören die roten Blutkörperchen, es kommt zu Nekrosen, "das Gewebe fängt an zu faulen". Doch man kann einiges tun, beruhigt Wolfgang Böhm. Aufschneiden oder sich mit einem Rasterschießapparat schräg über die Bissstelle schießen, "da sind unzählige Rasierklingensplitter drauf, so wird das meiste Gift mit dem vielen Blut herausgeschwemmt".

Im schlimmsten Fall wird das betroffene Gliedmaß amputiert. Weltweit, schätzt die Weltgesundheitsorganisation (WHO), werden jedes Jahr mehr als 300.000 Amputationen wegen Schlangenbissen vorgenommen.

Nervengifte, die zum Beispiel Mambas, Kobras oder Seeschlangen besitzen, sind dagegen um ein vielfaches gefährlicher als Blutgifte. Denn sie wirken direkt auf das zentrale Nervensystem und lösen dort sofort die Synapsenverbindungen auf. Schon kurze Zeit später, manchmal reichen Minuten, kommt es zu Lähmungen und zum Tod durch Ersticken.

Nach einem Biss ist eine sofortige Behandlung mit einem artspezifischen Schlangenserum absolut überlebensnotwendig!

Schlangen sind auch feige

Besonders fatal seien Schlangen, die beides besäßen - Blut- und Nervengifte, sagt Wolfgang Böhm. Beispiele dafür sind die Sandrasselottern, einige Klapperschlangenarten sowie einige Puffottern. Angst müsse man trotzdem nicht zu haben. Denn normalerweise ergreifen Schlangen die Flucht, wenn Menschen in der Nähe sind. "Man muss immer sehr fest auftreten, denn es ist ja bekannt, dass Schlangen ein sehr feines Erschütterungsempfinden haben und wenn sie merken, da kommt jemand angetrampelt, dann gehen sie auch."

Autorin: Judith Hartl
Redaktion: Andreas Ziemons