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Schlechte Stimmung

14. Januar 2011

Im Libanon bahnen sich politische Turbulenzen an: Die Hisbollah hat die Regierung der nationalen Einheit platzen lassen. Die Politiker und die Bevölkerung sind gespaltener denn je. Was denken die Menschen im Libanon?

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Libanesen halten ihre Flagge hoch (Archivbild: AP)
Wie wird es weiter gehen im Libanon - die Bevölkerung ist gespaltenBild: AP

Dalal Al-Bizri wählt drastische Worte, wenn sie die gegenwärtige Lage im Libanon beschreibt: "Es geht um Leben oder Tod, es geht um Krieg und um die Übernahme der Macht mit Waffengewalt!" In der heutigen Zeit sei nicht leicht neutral zu bleiben, sagt sie. Sogar unter den Intellektuellen komme keine objektive Diskussion zu Stande, "weil es um schicksalhafte Entscheidungen geht."

Die temperamentvolle Soziologin und Journalistin gibt die Stimmung wieder, die seit vielen Monaten im Libanon herrscht. Die Auseinandersetzung um das UNO-Sondertribunal, das den Mord an den ehemaligen Ministerpräsidenten Rafik al-Hariri untersuchen soll, prägt das politische und öffentliche Leben im Zedernstaat. In den Medien tobt eine erbitterte Schlacht. Auf der einen Seite der Block des 14. März um den Ministerpräsidenten Saad al-Hariri. Er hält das Motto "Gerechtigkeit und Wahrheit" hoch. Auf der anderen Seite die Allianz des 8. März, bestehend aus der Hisbollah und seinem christlichen Verbündeten dem ehemaligen General Aoun. Ihr Motto: der "westlichen Verschwörung" Einhalt gebieten. Eine sachliche Diskussion gibt es nicht. Zwischentöne sind kaum zu vernehmen.

Krieg oder Verschwörung

Dalal Al-Bizri macht aus ihrer Gegnerschaft zur Hisbollah keinen Hehl. Sie sei zwar keine Parteigängerin des 14. März, aber die Politik der Hisbollah führe zwangsläufig zu einem neuen Krieg gegen Israel und das möchte sie verhindern. Auf der anderen Seite glauben viele Anhänger des 8. März, dass nicht die Aufklärung des Mordes an Rafik Hariri das Ziel des Tribunals sei, sondern die Schwächung des Widerstandes gegen Israel und die Entwaffnung der "Partei Gottes".

Die Umfragen, die das Meinungsforschungsinstitut "Information International" regelmäßig durchführt, bestätigen die starke Polarisierung der libanesischen Bevölkerung. Bei der letzten Umfrage vor einigen Wochen hat sich die Mehrheit der Schiiten gegen das Tribunal ausgesprochen. Sunniten und Maroniten haben mehrheitlich dafür gestimmt. Das Ergebnis spiegelt die Positionen der beiden politischen Blöcke wieder. Die Befragung förderte auch zutage, dass 13 Prozent der Libanesen bereit sind, für ihre politische Überzeugung und nicht zur Selbstverteidigung zur Waffe zu greifen.

Jawad Adra (Foto: Information International)
Jawad Adra - Direktor von Information InternationalBild: Information International

Jawad Adra, Direktor von "Information International" erklärt, dass diejenigen, die eine radikale Meinung pro oder contra des Tribunals vertreten, eher bereit seien Gewalt anzuwenden. Diese Gruppe, so hat Adra herausgefunden, besteht aus Sunniten, Schiiten und Maroniten: "Dass auch Christen dabei sind hat mich in der Tat überrascht. Das hätte ich nach ihrer politischen Marginalisierung in den letzten Jahren nicht vermutet."

Loyalität zur Führungsperson

Denkmal von Rafik Hariri in Beirut (Foto: AP)
Der Libanon hat Rafik Hariri ein Denkmal gesetzt - seine Ermordung beschäftigt das Land bis heuteBild: AP

Jawad Adra überrascht es nicht, dass trotz der relativen Freiheit im Zedernstaat, keine öffentliche Meinung existiert, die sich mit Problemen tiefergehend auseinadersetzt. Denn die Diskussionen laufen ausschließlich nach den Wünschen der politischen Führer ab. "Allerdings meine ich mit Loyalität zum politischen Führer keine Hörigkeit, wie im Falle von Hitler oder Mussolini, etwas überspitzt formuliert. Die Libanesen denken pragmatisch. Ihr persönliches und materielles Wohlergehen ist von den Zuwendungen der Politiker abhängig."

Sechs Jahre nach dem Mord an Rafik Hariri, befindet sich der Libanon immer noch im Bann dieses Attentates. Die politische Spaltung, die sich damals zwischen den Blöcken 14. und 8. März herauskristalliserte, bestimmt bis heute das Geschehen. Unabhängige Kräfte haben keine Chance sich Gehör zu verschaffen. Der Journalist Kassim Qassir beoachtet seit vielen Jahren die Entwicklung der politischen Landschaft unter den Schiiten im Libanon. Vielversprechende Stimmen außerhalb der Hisbollah existieren zwar, aber sie seien in den letzten Jahren verstummt: "Diese Stimmen sind stark geschwächt. Die Polarisierung ist einfach zu stark!"

Autorin: Mona Naggar
Redaktion: Diana Hodali