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Gereiztes Verhältnis

Nina Werkhäuser4. Oktober 2006

So gereizt wie im Moment war die Stimmung zwischen Deutschland und Polen schon lange nicht mehr. Jeder noch so geringe Anlass, so scheint es, genügt, um das Verhältnis grundsätzlich in Frage zu stellen.

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Angela Merkel steht mit dem polnischen Präsidenten Lech Kaczynski vor einem Glasfenster, von dem aus der Reichstag zu sehen ist.
Angela Merkel und Lech Kaczynski bei ihrem letzten Treffen in Berlin im MärzBild: AP

Es hatte gar nicht so schlecht angefangen nach dem Regierungswechsel in beiden Ländern. Der polnische Präsident Lech Kaczynski kam zum Antrittsbesuch nach Deutschland, und die Bundeskanzlerin übersah geflissentlich seine etwas abweisende Haltung. "Ich glaube, der Besuch heute hier in Deutschland ist der Auftakt einer neuen Etappe weiterer, guter Beziehungen zwischen Deutschland und Polen", sagte Merkel Anfang März.

Aber dieser Wunsch sollte sich nicht erfüllen. Ein Grund ist das Dauer-Streitthema Vertreibung. Dass sich in Berlin seit einigen Wochen eine Ausstellung mit der Vertreibung der Deutschen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs befasst, ist für den polnischen Präsidenten Kaczynski völlig unverständlich. Zumal diese Ausstellung vom Bund der Vertriebenen initiiert wurde. Dessen Präsidentin Erika Steinbach ist in Polen äußerst unbeliebt - ihr wird Geschichtsrevision unterstellt.

"Relativierende Stimmen werden lauter"

Zwar kennt Präsident Kaczynski die Ausstellung nicht, aber er findet sie grundsätzlich überflüssig. "Unsere Beziehungen zu Deutschland sind von unseren Interessen definiert. Nicht in unserem Interesse liegt eine Ausstellung über Vertreibungen an einem sehr repräsentativen Ort in der deutschen Hauptstadt", erklärte er. "Und ganz bestimmt nicht in unserem Interesse liegt die Relativierung der Geschichte des Zweiten Weltkriegs. Relativierende Stimmen werden aber immer lauter."

Das sieht die Bundesregierung ganz anders. Zwar versucht die umstrittene Organisation "Preußische Treuhand" gerichtlich die Eigentumsrechte von Vertriebenen durchzusetzen. Aber von Entschädigungsforderungen aller Art distanziert sich die Bundeskanzlerin genauso deutlich wie ihr Vorgänger.

In Berlin wundert man sich wiederum darüber, dass die Regierung in Warschau jede Äußerung aus Deutschland sofort als Generalangriff auffasst - etwa eine harmlose Satire auf Präsident Kaczynski in einer deutschen Tageszeitung. Der war daraufhin so verschnupft, dass er einen polnisch-deutsch-französischen Dreiergipfel unter einem Vorwand ins Wasser fallen ließ.

Politik mit Untertönen

Der liberale Außenpolitiker Werner Hoyer wundert sich über diese Art der Gesprächsverweigerung. "Ich glaube, dass eine Sprachlosigkeit zwischen Warschau und Berlin bei den Regierungen da ist. Das ist unverantwortlich in einer Situation, in der dieser Dialog gerade gebraucht wird", meint er. "Und man registriert natürlich auch, dass es offensichtlich manch einer in Polen für sinnvoll hält, auch mit antideutschen Untertönen Politik zu machen."

Dazu gehört auch, dass die polnische Regierung plötzlich die verbrieften Rechte der deutschen Minderheit in Frage stellte und Gelder für den deutsch-polnischen Jugendaustausch blockierte. Polnische Exponate aus der Berliner Ausstellung zum Thema Vertreibung wurden zurückgeholt. Sogar ein deutscher Zeitungskorrespondent, der kenntnisreich und ausgewogen aus Warschau berichtet, wird beschimpft. Jeder noch so geringe Anlass reicht im Moment, um alles in Frage zu stellen, was in den vergangenen 60 Jahren an Verständnis und Freundschaft zwischen Deutschland und Polen gewachsen ist.