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Doppelte Standards

Andreas Leixnering21. August 2007

Gefährlich, giftig, schnell kaputt: Produkte aus China haben einen üblen Ruf. Dabei lassen dort meist ausländische Firmen produzieren. Verbraucherschützer fordern übernationale Qualitätskontrollen.

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"Polly Pocket"-Puppe von Mattel (Quelle: AP)
Niedlich aber gefährlich: "Polly Pocket"-Puppe von Mattel, hergestellt in ChinaBild: AP

'Made in China' als Siegel für miese Qualität: Über 18 Millionen Puppen und Modellautos muss der US-Spielzeugriese Mattel seit Anfang August 2007 aus den Geschäften zurückholen. In China hergestellt, wurden sie mit giftiger bleihaltiger Farbe lackiert. Kleinteile sind zudem schlecht befestigt und können von Kleinkindern verschluckt werden. In den USA starb bereits ein Baby. Spaniens Polizei beschlagnahmte im Juli 700.000 Tuben Zahnpasta. Darin fand sich Diethylenglykol, ein Gift, das in Frostschutzmittel enthalten ist. Importiert wurden sie aus China. Nach dem Jahresreport von Rapex, der Schnellwarnstelle der EU für den Verbraucherschutz, stammt fast jedes zweite beanstandete Elektro- und Haushaltsgerät des Vorjahres aus China, Tendenz steigend.

Peking empört über "pauschale Vorwürfe"

Seit Wochen jagt so eine negative Schlagzeile die nächste. Für China steht der Ruf als Exportnation auf dem Spiel. Das Handelsministerium in Peking reagierte auf die Vorwürfe im Spielzeugskandal mit dem Hinweis auf die Verantwortung der internationalen Konzerne: "Auf allen Ebenen muss die Qualität der Spielzeuge genau beobachtet werden, nicht nur bei den Herstellern, sondern auch bei jenen, die die Spielzeuge importieren und verkaufen", so Sprecher Wang Xinpei.

Globaler Preisdruck drückt Qualität

Arbeiterinnen einer Textilfabrik in der ostchinesischen Anhui- Provinz (Quelle: dpa)
Über 30 Prozent der nach Deutschland importierten Textilien kommen aus ChinaBild: picture-alliance/dpa

Tatsächlich nutzt die Mehrzahl der westlichen Markenkonzerne China inzwischen als Fabrikhalle zur Herstellung von Produkten. Allein Deutschland importierte 2006 Waren im Wert von 50 Milliarden Euro aus dem Boom-Land. Möglichst schnell und möglichst billig soll es sein. Doch entpuppt sich die Produktqualität als mangelhaft oder werden fehlende Umwelt- und Sozialstandards der Fabriken vor Ort publik, dann schlagen die Wellen der Empörung hoch.

In China herrscht riesiger Konkurrenzdruck. Ein undurchschaubares Geflecht von Zulieferern kämpft mit Niedrigstpreisen um einen Anteil an den Großaufträgen westlicher Unternehmen. Im Zusammenhang mit der Rückrufaktion von Mattel beging ein Spielwarenproduzent in China inzwischen Selbstmord.

Mangelnde Kontrolle kommt Unternehmen teuer

"Schlechte Umwelt- und Sozialstandards gehen mit schlechter Produktqualität einher", sagt Sylvia Maurer von der Bundeszentrale für Verbraucherschutz (VZBV). Dabei seien nach EU-Recht die Hersteller für ausreichende Qualitätskontrollen verantwortlich. In Fall von Mattel habe diese wohl versagt, so die Referentin für Produktsicherheit. Bereits im November 2006 hätte der Spielzeugfabrikant ein mangelhaftes Produkt aus China zurückgerufen. "Man wundert sich schon, dass es weitere acht Monate dauerte, bis man auch den Rest überprüft hat", meint Maurer im Gespräch mit DW-WORLD.

US-Spielzeugriese in Not: Robert A. Eckert, Vorstandsvorsitzender von Mattel (Quelle: AP)
US-Spielzeugriese in Erklärungsnot: Robert A. Eckert, Vorstands-Chef von MattelBild: AP

Doch Kontrollen kosten Geld. Geld, das letztlich auf die Ware draufgeschlagen wird. Aber auch mangelnde Überwachung ist nicht billig. Der Rückruf von Millionen gefährlicher Spielzeugartikel koste Mattel rund 30 Millionen Dollar, gab Firmenchef Bob Eckert Mitte August bekannt. Die Umsatzrückgänge aufgrund des Vertrauensverlusts besorgter Eltern dürften ebenfalls beträchtlich sein. Gleich mehrere US-Anwaltskanzleien bereiten zudem Sammelklagen vor. Trotzdem: Die Verbraucherschützer glauben nicht recht an den Wettbewerb als Disziplinierungsmaßnahme für laxe Kontrollen der Hersteller.

Bisherigen Kontrollsystemen mangelt es an Qualität

"Hier ist eine Entscheidung auf höchster politischer Ebene gefordert", sagt Sylvia Maurer. Eine Prüfpflicht sei eine harte, aber mögliche Maßnahme. Denkbar sei sogar ein Importverbot für Hersteller, die wiederholt gegen Auflagen verstoßen, "egal wer Produzent ist." Neben größerem Druck auf die Hersteller müssten die staatlichen Kontrollsysteme verbessert werden. In den vergangenen Jahren seien Mittel und Personal der Überwachungsbehörden dagegen abgebaut worden.

Nur ein gemeinsames Vorgehen der EU-Staaten sei sinnvoll. Sonst bleibe es beim "Hafen-Hopping", wie es die Verbraucherschützer nennen: Meist suchen sich die Hersteller mangelhafter Ware, die Länder mit den laschesten Produktkontrollen für den Import aus.

Vom CE-Siegel, dem bisherigen Kennzeichen für die von der EU festgelegten Sicherheitsanforderungen, hält der Bundesverband der Verbraucherschützer übrigens nichts. Das dürfe der Hersteller selber anbringen. Wenn er es nicht fälsche, so wie es häufig bei Produkten aus China der Fall sei.