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Schlechte Zeiten für schlechte Manager

Fraczek, Jennifer22. September 2013

Wenn früher in einem deutschen Unternehmen etwas schief ging, lief die Suche nach den Schuldigen oft im Stillen ab. Jetzt finden sich die mutmaßlichen Verantwortlichen immer öfter vor Gericht wieder.

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Ein Mann mit Aktentasche geht ins Büro und spiegelt sich dabei in den Glasscheiben eines Gebäudes. (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Im Jahr 2004 galt Thomas Middelhoff als Retter der Warenhauskette Karstadt. Nun muss der Manager selbst vor Gericht seinen Kopf retten. Denn Karstadts Mutterkonzern Arcandor steuerte 2009 in die Insolvenz. Und Middelhoff soll die Verantwortung dafür tragen.

In gleich mehreren Verfahren beschäftigen sich Richter mit der Frage, ob der Manager gegen Gesetze verstoßen hat. Erst vor kurzem entschied ein Gericht, dass Middelhoff einen Teil seiner Erfolgsprämien zurückzahlen muss. In einem weiteren Prozess vor dem Oberlandesgericht Hamm geht es aktuell um die Frage, ob Middelhoff Managementfehler begangen hat. Mit einer Entscheidung wird allerdings erst im kommenden Jahr gerechnet. Im Raum steht aber auch ein weiterer, für Geschäftsleute schwerer Vorwurf: Untreue.

Ein bisschen Risiko muss sein

Middelhoff, der die Beschuldigungen zurückweist, ist nicht der einzige Manager, der sich wegen dieses Vorwurfs vor Gericht wiederfindet. Derzeit läuft unter anderem ein Prozess gegen die Ex-Vorstände der HSH-Nordbank. Ihnen wirft die Staatsanwaltschaft vor, dem Unternehmen während der Krise 2007 durch undurchsichtige Finanzgeschäfte geschadet zu haben. Die ehemalige Führungsmannschaft der einst größten europäischen Privatbank Sal. Oppenheim steht ebenfalls vor Gericht. Auch hier geht es um Untreue wegen eines umstrittenen Immobiliengeschäfts, bei dem das Institut viel Geld verlor.

Der ehemalige Arcandor-Vorstandsvorsitzende Thomas Middelhoff am Oberlandesgericht in Hamm (Foto: dpa)
Middelhoff sieht sich als Opfer einer "Rufmordkampagne"Bild: picture-alliance/dpa

Die Prozesse sind ein Indiz dafür, dass sich immer mehr deutsche Manager vor Gericht verantworten müssen, wenn sie im Verdacht stehen, gegen Gesetze verstoßen zu haben. Der erste wirklich aufsehenerregende Wirtschaftsprozess, bei dem es um Untreue ging, war der sogenannte Mannesmann-Prozess. Er begann im Jahr 2004. Unter den Angeklagten waren der damalige Deutsche-Bank-Vorstandssprecher Josef Ackermann und der frühere Mannesmann-Chef Klaus Esser. Es ging um rund 60 Millionen Euro Prämienzahlungen für Mannesmann-Topmanager, die nach der Übernahme des deutschen Traditionskonzerns durch das britische Mobilfunkunternehmen Vodafone geflossen waren.

Das Verfahren wurde damals allerdings gegen eine Geldzahlung eingestellt, in Erinnerung blieben Ackermanns Victory-Zeichen vor dem Gerichtssaal und sein Satz "Dies ist das einzige Land, in dem diejenigen, die Erfolg haben und Werte schaffen, deswegen vor Gericht gestellt werden". Beides wurde zu einem Symbol für die vermeintliche Arroganz von Topmanagern. Auch der Ausgang des Verfahrens selbst wurde kritisiert. Manch einer sprach von einer Klassenjustiz, die mit Spitzenmanagern nachsichtiger umgehe als mit dem Rest der Bevölkerung.

Der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Josef Ackermann, macht vor Beginn des Mannesmann-Prozesses im Landgericht in Düsseldorf das Victory-Zeichen. (Foto: dpa)
Ackermann entschuldigte sich wenig später für das Victory-ZeichenBild: picture-alliance/dpa

Gibt es einen Managermalus?

Die gesetzlichen Bestimmungen zur Managerhaftung haben sich seit dem Mannesmann-Prozess nicht grundlegend geändert, sagt Rechtsanwalt Martin Schockenhoff von der Stuttgarter Kanzlei Gleiss Lutz. Dass es nun häufiger zu Gerichtsverfahren auch wegen Untreue kommt, erklärt er sich mit einer Veränderung der gesellschaftlichen Einstellung zu solchen Delikten. Manager würden aufmerksamer beobachtet, auch von den Medien.

Untreue ist dann gegeben, wenn mit fremdem Vermögen - also mit dem Firmenvermögen oder bei Aktiengesellschaften mit dem Geld der Anteilseigner - nicht verantwortungsbewusst umgegangen wird. Bis zu einem gewissen Grad ist das Auslegungssache, denn dass ein Unternehmer Risiken eingeht, ist erst einmal nicht verwerflich. Wenn er glaubt, dass sie sich langfristig für das Unternehmen auszahlen, sollte und muss er das sogar tun.

Doch die Ansichten darüber, was angemessen ist, verändern sich. "Das Gefühl in der Gesellschaft, dass Spitzen-Manager nicht einfach davonkommen sollen, wenn hohe Schadenssummen im Raum stehen, spielt sicherlich für die Justiz eine Rolle", sagt Jörg Eisele, Professor an der juristischen Fakultät der Universität Tübingen. Für diese These spricht auch ein Satz des Leiters der Schwerpunkstaatsanwaltschaft Wirtschaft in Stuttgart, Hans Richter: "Wir müssen uns daran messen lassen", sagte er der Süddeutschen Zeitung vor einigen Monaten, "ob wir bei den großen Namen dieselben angemessenen Urteile bekommen wie bei unbekannten Kriminellen." Richter leitet die Ermittlungen gegen Manager und Aufsichtsräte des Autoherstellers Porsche, die im Verdacht stehen, im Zuge der Übernahmeschlacht mit dem Konkurrenten VW gegen Gesetze verstoßen zu haben.

Angesichts des öffentlichen Drucks auf Richter und Staatsanwälte mahnen Juristen aber auch zur Zurückhaltung. Gerade der Vorwurf der Untreue müsse genau geprüft werden, so der Jurist Uwe H. Schneider, ehemals Professor an der Universität Darmstadt und Experte für Haftungsrecht. "Der Vorwurf der Untreue gegen einen unbescholtenen Bürger, ist ein ganz harter Vorwurf." Im Fall eines Schuldspruchs könne ein Angeklagter sogar für mehrere Jahre ins Gefängnis kommen.