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Schlingensief: Nur der Krebs war stärker

21. August 2010

Der deutsche Regisseur und Aktionskünstler Christoph Schlingensief ist tot. Er starb an einem Krebsleiden nur wenige Tage vor seinem 50. Geburtstag.

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Christoph Schlingesief (Foto: AP)
Starb nach jahrelangem Krebsleiden

Er galt als einer der umstrittensten Vertreter des deutschsprachigen Kulturbetriebs und er war der wohl bekannteste Theaterprovokateur. Christoph Schlingensief starb am Samstag (21.08.2010) nach einem jahrelangen Lungenkrebsleiden, wie ein Sprecher der Ruhr-Triennale in Mühlheim sagte. Sein Stück "S.M.A.S.H. – In Hilfe ersticken", das auf der Triennale vorgesehen war, hatte er schon im Juli abgesagt, weil er eine neue, schwere Krebsdiagnose erhalten hatte. Schlingensief wäre im Oktober 50 Jahre alt geworden.

Geboren wurde Christoph Schlingensief 1960 als Sohn eines Apothekers und einer Krankenschwester in Oberhausen. Seine Affinität zur Kultur entwickelte sich schon sehr früh, noch im Elternhaus lebend veranstaltete er im Keller "Kulturabende", bei denen junge und damals noch unbekannte Künstler wie zum Beispiel Helge Schneider auftraten. Nach dem Abitur studierte er ab 1981 in München Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte; schon in dieser Zeit begann er seine Karriere als Filmregisseur. Das Studium brach er bald ab, arbeitete als Assistent des Experimentalfilmers Werner Nekes und machte erste Kurzfilme.

Provoziernde Filme und Theaterstücke

Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre produzierte Schlingensief die ersten Spielfilme, so eine Deutschlandtrilogie mit den Titeln "Hundert Jahre Adolf Hitler – die letzte Stunde im Führerbunker", "Das deutsche Kettensägenmassaker" und "Terror 2000". Mit diesen provokanten Streifen erlangte er erstmals größere Bekanntheit als Regisseur. Im Jahr 2009 war er Jury-Mitglied der Internationalen Filmfestspiele Berlin.

Ans Theater kam Schlingensief 1993. An der Volksbühne Berlin debütierte er mit dem Stück "100 Jahre CDU – Spiel ohne Grenzen". Bis 2006 realisierte er zahlreiche Projekte innerhalb und außerhalb des Theaters. Seit 2004 arbeitete er auch als Opernregisseur in Manaus und Bayreuth. Auf dem Grünen Hügel inszenierte er Wagners Oper "Parsifal".

Bühnenbild aus Parsival (Foto: AP)
Götterdämmerung nach Schlingesief, eine Szene aus ParsifalBild: AP/BAYREUTHER FESTSPIELE/ARVE DINDE

Seit Januar 2009 arbeitete Schlingensief an seinem Projekt "Festspielhaus Afrika". Im westafrikanischen Ougadougou, der Hauptstadt Burkina Fasos, wurde im Feburar 2010 der Grundstein für das Festspielhaus gelegt.

Politik als Aktion

Schlingensief war ein äußerst politischer Mensch und er nutzte politische Themen immer wieder zu Aktionen. Anlässlich der Bundestagswahl 1998 gründete er die Partei "Chance 2000" und machte Wahlkampf mit provozierenden Aktionen. So forderte er unter dem Motto "Baden im Wolfgangsee" sechs Millionen Arbeitslose auf, den österreichischen Urlaubsort des amtierenden Bundeskanzlers Helmut Kohl unter Wasser zu setzen. Auf der dokumenta X in Kassel wurde er während seiner Kunstaktion "Mein Filz, mein Fett, mein Hase" von der Polizei festgenommen, weil er ein Schild mit der Aufschrift "Tötet Helmut Kohl" verwendete.

Als Avantgarde-Künstler war Schlingensief in bekannten Museen und bei großen Kunstevents präsent. Er nahm mit seiner Installation "Church of Fear" an der 50. Biennale Venedig teil, sie wurde auch im Museum Ludwig in Köln ausgestellt. Seine Arbeiten waren aber auch im Museum für bildende Künste in Leipzig, im Museum der Moderne Salzburg sowie auf der Frieze Art Fair in London zu sehen.

Krankheit wird zum Projekt

Im Jahr 2008 erhielt Schlingensief die Diagnose Lungenkrebs. Infolge der Krankheit wurde ihm ein Lungenflügel entfernt. Auch seine Krankheit verarbeitete er künstlerisch. Mit seinem Projekt "Krank und Autonom" verfolgte er das Ziel, ein Netzwerk zur Unterstützung von Erkrankten aufzubauen, damit sie in der Zeit nach ihrer Diagnose ihre Autonomie bewahren können und sich nicht selbst aufgeben.

Autorin: Sabine Faber (dpa, ap, schlingensief.com)
Redaktion: Michael Wehling