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Schluss mit der Kumpanei!

23. Februar 2011

Muammar al-Gaddafi regiert Libyen mit harter Hand. Doch seit seiner Abkehr vom Terrorismus hat ihn auch die EU unterstützt. Diese Kumpanei mit Unrechtsregimen muss ein Ende haben, fordert Ute Schaeffer.

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Themenbild Kommentar (Grafik: DW)
Bild: DW

Wir wissen so gut wie nichts über die Zustände in Libyen. Diktator Muammar al-Gaddafi hat ganze Arbeit geleistet: Wie viele Opfer kosteten die Angriffe von Kampfjets auf Demonstranten? Wer stützt Oberst Gaddafi eigentlich noch? Wer sind die Regierungsgegner? Keine Bilder, keine gesicherten Nachrichten, keine Namen der Opfer. Libyen wurde von der Öffentlichkeit abgeschirmt - und seine Menschen in der von Gaddafi ersonnenen sozialistisch-islamischen Volksrepublik eingeschlossen. Peinlich, wie sich die EU dazu verhält - wie schüchtern ihre Reaktion ausfällt: Nach stundenlangen Debatten nicht einmal Sanktionen!

Langjähriger Schulterschluss mit einem Despoten

Dabei ist auch der Europäischen Union bekannt, mit wem sie es zu tun hat: mit einem Despoten, der Mao, Stalin und Hitler als politische Vorbilder bezeichnet, einem langjährigen Schutzherrn des internationalen Terrorismus, auf dessen Konto die Anschläge auf die Berliner Diskothek La Belle und auf das schottische Lockerbie gehen. Jahrzehntelang schob der "König der afrikanischen Könige", wie er sich selbst nannte, Kriege in Afrika durch Waffenlieferungen und finanzielle Unterstützung unterschiedlicher Gruppierungen an. Auf ihn geht eine bis heute andauernde Destabilisierung in weiten Teilen Zentralafrikas zurück.

Europa weiß das. Und Europa erlebte auch, wie Gaddafi immer wieder zu maßlosen Forderungen ausholte, zuletzt beim afrikanisch-europäischen Gipfeltreffen in Tripolis Ende des vergangenen Jahres, als er die Runde mit einer anderthalbstündigen Rede-Tirade überzog, ohne dass jemand den Raum verließ.

Überholtes Bild vom nützlichen Nachbarn

Ute Schaeffer (Foto: DW)
DW-Afrika-Expertin
Ute Schaeffer

Europa muss nun erleben, was es bedeutet, einen Paria zum Gendarmen Europas zu machen. Erst im Oktober des vergangenen Jahres unterzeichnete die EU mit Gaddafi eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit bei der Migration. Libyen gilt unter afrikanischen Flüchtlingen als brutaler Polizeistaat. Die mehr als zwei Millionen Afrikaner, die jedes Jahr versuchen durch Libyen nach Europa zu gelangen, werden in Lager gesperrt, in denen die Menschenrechte nichts gelten und auf LKWs in die benachbarten Wüstenstaaten abgeschoben. Eine unmenschliche Politik, die allen europäischen Werten widerspricht - dass die EU dafür sogar Gelder zugesagt hatte, ist ein Skandal. Ein Unrechtsregime, das die Genfer Flüchtlingskonvention nicht unterschrieben hat und Asylverfahren nicht kennt. Vielleicht sorgen die aktuellen Bilder aus Bengasi oder Tripolis nun dafür, dass der EU ein Licht aufgeht? Viel zu merken ist davon bisher nicht.

Verspielte Glaubwürdigkeit

In Brüssel, Berlin, Paris und Madrid war häufig zu hören: "Wir brauchen ihn, deshalb kooperieren wir!" Libyen ist der viertgrößte afrikanische Ölproduzent, ist Deutschlands drittwichtigster Lieferant für Öl. Doch wer mit dem Teufel paktiert, der sollte sich nicht wundern, wenn er seine Glaubwürdigkeit verspielt. Anstatt sich dem komplexen Problem zu stellen, wie Migration aus Afrika durch Frieden und Entwicklung in den Herkunftsländern verhindert werden kann, ist es viel einfacher, die südlichen Nachbarn auf eine rücksichtslose Abschiebepolitik zu verpflichten -Menschenrechte hin oder her. Das ist Doppelmoral, die Europas außenpolitischer Glaubwürdigkeit schadet! Fadenscheinige Stabilität, die auf Unrecht und Diktatur gründet wie im Staat Gaddafi, sollte von Europa nicht unterstützt werden.

Nun ist zu hoffen, dass sich der Sicherheitsrat zu einer klaren Position durchringt - immerhin hat sogar Russland die Massaker vom Wochenende schwer verurteilt. In gewisser Weise hatte Gaddafi in seiner Vision einer islamisch-sozialistischen Volksrepublik selbst die Ereignisse vorweggenommen: Der von ihm Ende der siebziger Jahre skizzierte „Staat der Massen" regiert sich selbst, kommt ohne Führer aus. Genau darauf arbeiten die Menschen in Libyen nun hin. Gaddafi sollte gehen.

Autorin: Ute Schaeffer
Redaktion: Thomas Latschan