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Gelbsucht ohne Pieks erkennen

Gudrun Heise22. November 2013

Digitale OP-Säle und Tele-Medizin haben längst Einzug ins Krankenhaus gehalten. Bei der medica, der größten Medizin-Fachmesse weltweit, wurde in Düsseldorf ein Gerät vorgestellt, das den Kleinsten beim Leben hilft.

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Frühchen einen Tag nach der Geburt (Foto: dpa).
Bild: picture-alliance/dpa

Manche wiegen bei der Geburt gerade mal 800 bis 1000 Gramm: Frühchen - Babys, die viel zu früh auf die Welt kommen. Einige sind so winzig, dass sie auf die Innenfläche einer Hand passen. Als Frühgeburt gilt, wenn der Säugling vor der 37. Schwangerschaftswoche geboren wird, mit einem Gewicht von unter 2500 Gramm. Erheblich weniger brachte Frieda aus Fulda auf die Waage. Mit gerade mal 460 Gramm machte sie nach ihrer Geburt im November 2010 Schlagzeilen, als jüngstes Frühchen in Europa.

Gelbsucht bei Säuglingen ist nicht ungewöhnlich

In den ersten Lebensstunden entwickeln etwa 60 Prozent aller Neugeborenen eine Gelbsucht. Hervorgerufen wird sie durch den gelben Gallenfarbstoff Bilirubin. Der entsteht, wenn der Körper des Säuglings nach der Geburt viele neue Blutkörperchen bildet, und alte abbaut. Ist der Bilirubinwert im Blut zu hoch, färbt sich die Haut gelblich. Die Diagnose lautet dann: Neugeborengelbsucht. Das trifft auf etwa 60 Prozent aller Säuglinge zu. Getestet wird das durch Blutabnahme an der Ferse, unmittelbar nach der Geburt: Bei einem gesunden Neugeborenen bildet sich die Gelbsucht meist innerhalb weniger Tage wieder zurück, das überschüssige Bilirubin wird ausgeschieden.

Frühchen sind besonders empfindlich

Neugeborenes wird wegen Gelbsucht mit UV-Licht bestrahlt (Foto: Graeme Robertson/Getty Images).
In schlimmen Fällen muss die Neugeborenengelbsucht mit UV-Licht behandelt werdenBild: Getty Images

Frühchen sind mit etwa 80 Prozent wesentlich häufiger von der Neugeborenengelbsucht betroffen als normal entwickelte Säuglinge, und sie reagieren empfindlicher, müssen sehr vorsichtig behandelt werden. Amerikanische Forscher haben untersucht wie sich das Gehirn von Frühchen entwickelt und dabei festgestellt, dass selbst kleinere Hautverletzungen, wie sie bei einer Blutentnahme entstehen, das Heranreifen von Hirnsubstanz stören können.

Das Bilirubin lagere sich dann in bestimmten Bereichen des Gehirns ab. Im schlimmsten Fall könne das weitreichende Folgen haben, erklärt Arun Ramachandran aus Wales. Er ist Neonatologe, also auf Neugeborenenmedizin spezialisiert: "Es kann zu Bewegungseinschränkungen kommen, zu vermindertem Hör- und Sehvermögen und im schlimmsten Fall zu Kernikterus, einer schweren Schädigung des zentralen Nervensystems."

Es geht auch ohne Pieks

Eine Alternative zum Pieksen ist eine transkutane Methode, eine Untersuchung, die durch die unverletzte Haut hindurch gemacht wird. Ein entsprechendes Messgerät ist bereits seit geraumer Zeit auf dem Markt. Im Oktober dieses Jahres aber wurde eine weiterentwickelte Version unter der Bezeichnung JM-105 auch für die Bilirubin-Messung speziell bei Frühchen zugelassen.

Demonstration des neuen Gerätes zur Messung des BilirubinWertes auf der medica 2013 (Foto: Messe Duesseldorf / ctillmann).
Auf der medica 2013 wurde ein neues Messgerät für Gelbsucht bei Frühchen vorgestelltBild: Messe Duesseldorf/ctillmann

Inken Schröter, Produktmanagerin bei der Herstellerfirma Dräger, erläutert die Vorteile. "Normalerweise müsste man eine Blutprobe entnehmen, was sehr schmerzhaft für das Kind ist und auch sehr aufwändig für das Krankenhaus. Mit dem Gerät lässt sich sehr schnell und einfach bestimmen, wie der Bilirubinwert ist. Nur wenn der sehr hoch ist, wird Blut entnommen, um den Wert zu bestätigen. Unnötige Blutabnahmen können also reduziert werden."

Die Werte können direkt übertragen werden

Das Gerät ähnelt einem überdurchschnittlich großen, digitalen Fieberthermometer. Der Messfühler wird auf Stirn oder Brustbein des kleinen Patienten gedrückt, das Resultat kann direkt abgelesen werden, Wartezeiten für Laboruntersuchungen entfallen erst einmal. Über einen Anschluss können Krankenschwestern und Pflegepersonal das Gerät mit dem PC verbinden. Die Werte können so direkt in die Patientdateien eintragen werden. Das verringert den Arbeitsaufwand und die Fehlerquote und damit auch mehrfache Blutabnahmen.

Arun Ramachandran hat dazu in Wales ein Pilotprojekt durchgeführt. In Swansea, Bridgend und Neath hat er je eine Hebamme mit dem Vorgängermodell des JM-105 ausgestattet. Das war nicht für die Untersuchung von Frühchen zugelassen, aber für normalgewichtige Babys. Die drei Hebammen haben die Bililubinwerte mit dem pieksfreien Messverfahren bei Eltern und Kind zu Hause ermittelt. Sie wurden nur dann für weitere Untersuchungen ins Krankenhaus geschickt, wenn die Werte eindeutig zu hoch waren.

Ein 1420 Gramm schweres Frühchen (30.Woche) in einem Inkubator (Foto: Bernd Settnik /lbn).
Frühchen haben oft einen schweren Start ins LebenBild: picture-alliance/ZB

In den anderen Fällen wurde zunächst meist nach Augenschein beurteilt, also nach der gelblichen Färbung der Haut oder auch der Augen. 60 Prozent aller Babys, die dabei vermeintlich eine Neugeborenengelbsucht hatten, wurden unnötig in die Klinik gebracht. Die Blutabnahme war negativ.

"Die digitale Messung bedeutet weniger Stress für Eltern und Kind. Die Gefahr, dass sich der Säugling in der Klinik mit einer Krankheit ansteckt, ist erheblich reduziert", fasst Arun Ramachandran das Ergebnis des Projektes zusammen. Eine vielversprechende Methode, um den Bilirubinwert bei Neugeborenen zu ermitteln. Willkommen in der digitalen Welt.