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Schmuck statt Strich

Kerstin Schweighöfer20. Oktober 2008

Die Stadtväter Amsterdams proben den Wandel. Sie versuchen dem historischen Rotlichtviertel eine andere, anziehende Perspektive zu geben. Aber sie stoßen dabei auf Widerstand.

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Fensterprostitution in AmsterdamBild: AP

Der Rotlichtbezirk in der niederländischen Metropole Amsterdam gilt als Europas Amüsiermeile und Sündenpfuhl schlechthin. Besonders lockend sind die halbnackten Damen, die sich in den Schaufenstern der schmucken Grachtenhäuser dem zahlungswilligen Publikum anbieten. Doch jetzt will die Stadt Amsterdam das schlüpfrige Image los werden. Statt Prostitution soll Kunsthandwerk die Besucher der Grachtenstadt anlocken.

Schmuckateliers statt Schmuddelimage

Stolz und glücklich präsentiert Schmuckdesignerin Gesine Hackenberg ihren neuen Arbeitsplatz, mitten im Amsterdamer Rotlichtbezirk. Rechts und links warten leicht bekleidete Damen hinter rot erleuchteten Fensterscheiben auf männliche Kundschaft. Bis vor kurzem noch boten sie auch in Gesines Schaufenster ihre Reize feil. Doch stattdessen kann die 36-jährige Deutsche dort jetzt ihre Schätze ausbreiten.

Gold wert - Geschäftsraum im Rotlicht-Viertel

Ein bisschen komisch sei das schon, gesteht sie lachend, denn hier im ehemaligen Separee stand ein großes Bett auf dem Frauen ihre Liebesdienste anboten. Gegen Geld.

Nun stehen Gesine Hackenberg die 40 Quadratmeter zur Verfügung, in bester Hauptstadtlage. Hunderte von Touristen ziehen täglich am Schaufenster vorbei. Für ein Jahr darf sie das Atelier auf den "Walletjes", wie der Amsterdamer Rotlichtbezirk heißt, kostenlos nutzen. Gesine muss nur die Nebenkosten zahlen.

Unter dem Motto "Red Light Fashion“ durften Anfang des Jahres bereits 14 Modemacher ins Rotlichtviertel umziehen und hinter den Scheiben Schaufensterpuppen aufstellen. Statt einer Frau kann man jetzt ein Kleid oder Schmuck kaufen. Die Prostituierten könnten weiter in Ruhe arbeiten, doch Menschenhändler wolle man abschrecken, die hier hinter den Kulissen illegal eingewanderte Frauen oder Minderjährige ausbeuten, betont Kulturdezernentin Caroline Gehrels die Idee. Und ganz nebenbei sehe es toll aus, den Designern bei der Arbeit zuzusehen statt halbnackte Frauen anzugaffen, die in den Schaufenstern sitzen.

Amsterdam Red Light District, Rotlichtviertel
Düstere Zeiten fürs Amsterdamer RotlichtmilieuBild: flickr / fab_i_1

Die Initiative verfolgt das Ziel, den berühmt-berüchtigten Rotlichtbezirk im malerischsten und ältesten Teil Amsterdams zu entkriminalisieren und aufzuwerten. Eine Wohnungsbaugesellschaft hat dafür mit finanzieller Hilfe der Stadt für 25 Millionen Euro 18 Häuser mit 51 Fenstern angekauft.

Kampf um die Vorherrschaft

Doch die Bewohner der sündigen Meile wollen nicht kampflos weichen. Die Interessengemeinschaft der Prostituierten hat sich mit Sexclubbesitzern und Kneipenwirten zu einem Aktionskomitee zusammengeschlossen. Die Sexarbeiterinnen, die ihre Fenster räumen müssen, befürchten, wieder auf dem Straßenstrich zu landen oder in der Illegalität zu verschwinden.

Als Ausdruck ihrer Ablehnung ziehen die Frauen sofort die Vorhänge zu, wenn sie erkennen, dass es sich nicht um einen potentiellen Freier handelt, der sich nähert. Auch die Betreiber von Sexkinos und -kneipen wollen sich nicht vertreiben lassen. - Die Modemacher und Schmuckdesigner sind sich darüber im klaren, dass sie als Eindringlinge angesehen werden. Gesine Hackenberg hat bruchsicheres Glas in ihrem Schaufenster anbringen lassen. Sicherheitshalber.