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Schnellere Hilfe mit Geodaten

Jennifer Fraczek21. Oktober 2013

Bei Erdbeben, Hochwasser und anderen Katastrophen können Geoinformationssysteme den Rettungskräften helfen. Doch Hilfsorganisationen teilen nicht immer die Begeisterung der Firmen, die die Systeme entwickeln.

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Ein Luftbild von der Überschwemmung in Longmont, Colorado im September 2013 (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Bei Katastrophen ist die Lage meist unübersichtlich: Wie groß ist das Maß der Zerstörung? Wurden Menschen verletzt? Wo befinden sie sich? Viele Entscheidungen sind zu treffen und jede Sekunde zählt.

Geoinformationssysteme (GIS) sollen die Rettungskräfte bei ihrer Arbeit unterstützen. Grundlage ist eine Karte, ein Luftbild oder eine Kombination aus beiden, in die zusätzliche Informationen eingetragen werden. Die einfachste Form, einen Überblick über die Lage zu gewinnen, ist eine Vorher-Nachher-Ansicht. Sie macht Schäden sichtbar, wie beim Moore-Tornado im US-Bundesstaat Oklahoma im Mai 2013. In die Karte eingebunden werden Daten etwa zu Schäden an Gebäuden, Straßen und Brücken, zu sogenannter kritischer Infrastruktur wie Krankenhäusern, zu Notunterkünften und zur Bevölkerungsstruktur.

Das Environmental Systems Research Institute (Esri) ist einer der Hersteller dieser Technik. Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz in den USA mit Niederlassungen unter anderem in Deutschland. Mareike Kortmann von Esri Deutschland erläutert die Möglichkeiten der Technologie am Beispiel des Hochwassers in Deutschland im Frühsommer 2013: "Den Einsatzkräften kann nicht nur angezeigt werden, welche Bereiche wie hoch überflutet wurden, sondern auch, wie die Altersstruktur in bestimmten Gebieten ist, wie viele Personen nicht mobil sind, also bei einer Evakuierung besonderer Hilfe bedürfen." Auch könne überprüft werden, ob ein bestimmtes Gebiet oder ein Haus geräumt werden muss, weil Öltanks darin stehen oder sich dort gefährliche Materialien befinden.

Screenshot einer mit einem Luftbild kombinierten Karte Dresdens (Quelle: http://www.zki.dlr.de/flexviewer3.2/index.html?config=config_zki-de-005.xml, Zenrum für Satellitengestützte Kriseninformation)
Mit der Technik von Esri ist unter anderem diese Karte von Dresden während des Hochwassers entstanden. Die gestrichelte blaue Linie auf der Elbe zeigt den normalen Flussverlauf an.Bild: zki.dlr.de

Karten mit Youtube-Videos und Flickr-Fotos

Auch das deutsche Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hat während des jüngsten Hochwassers mit solchen Bildern gearbeitet. Auf ihnen ist zum Beispiel auch zu sehen, welche Straßen überflutet sind, sodass die Rettungskräfte wissen, wo sie entlangfahren können.

Die Behörden stellen solche Informationen meist auch der Bevölkerung zur Verfügung. Ein Beispiel hierfür ist eine Karte des US-Bundesstaats Colorado, die die Schäden des dortigen Hochwassers vom September dieses Jahres dokumentiert. Die Bevölkerung hilft bei der Vervollständigung der Karten: Facebook- und Twitter-Einträge können ebenso eingebunden werden wie Youtube-Videos und Flickr-Bilder.

Es gibt aber auch Systeme speziell für Rettungskräfte. In Deutschland ist das zum Beispiel "Blue", das vom "Netzwerk Initiative Satellitennavigation" entwickelt wurde. Damit können die Helfer sehen, wo sich Einsatzfahrzeuge befinden, wo es Schäden und Verletzte gibt. Manches davon wird automatisch über satellitengestützte Ortung erfasst, anderes von der Einsatzleitung eingegeben. Abgerufen werden die Daten zum Beispiel über Tablet-Computer.

In der Praxis gibt es noch Probleme mit GIS

In der praktischen Anwendung gibt es aber durchaus auch Probleme mit den GIS. Es beginnt damit, dass das Angebot an Technologien unübersichtlich ist und sie untereinander nicht immer kompatibel sind. Außerdem müssen Einsatzkräfte geschult werden, was teuer werden kann.

Helfer des THW stapeln Sandsäcke beim Hochwasser 2013 (Foto: Reuters)
Helfer des THW beim Hochwasser in Deutschland 2013Bild: Reuters

Eine weitere Schwierigkeit ist die Verfügbarkeit. Denn um immer Daten zur aktuellen Lage zu haben, ist eine Internetverbindung nötig. Bei Katastrophen ist das nicht immer der Fall. Magnus Memmeler vom nordrhein-westfälischen Landesverband der Johanniter spricht aus Erfahrung. Seit etwa sechs Jahren werden GIS von den Behörden zur Verfügung gestellt und von Hilfsorganisationen genutzt. "Wir können uns vor Ort ansehen, wie die Topographie aussieht und wie nutzbare Infrastruktur gelegen ist. Das machen wir auch", sagt Memmeler. Und: " Solange das Mobilfunknetz funktioniert, ist das alles sehr schön." Beim Hochwasser 2013, das vor allem im Süden und Osten Deutschlands großen Schaden anrichtete, sei das Netz aber überlastet gewesen, fügt die Sprecherin des Landesverbandes, Natalie Brincks, hinzu. "Da waren wir als Ortsfremde auf die Bevölkerung angewiesen."

Das Technische Hilfswerk (THW) benutzt Geoinformationsdienste vor allem im Ausland. Bei Einsätzen in Deutschland spielten sie noch keine entscheidende Rolle, sagt THW-Präsident Albrecht Broemme. "Es steht fest, dass der Einsatz der Geoinformationssysteme unverzichtbar ist, aber noch optimiert werden kann." Davon, sich ganz auf die Technik zu verlassen, rät Broemme ab. Die Mitnahme eines Messtischblattes, also einer topographischen Karte, sei auch in Zukunft unverzichtbar. "Denn das funktioniert immer."

Mareike Kortmann vom Environmental Systems Research Institute (Esri) (Foto: DW)
Mareike Kortmann von Esri: Arbeit an der Verfügbarkeit von GISBild: DW/J. Fraczek

Die GIS-Firmen kennen das Problem. Ein Lösungsansatz ist die Online-Offline-Synchronisierung. Wenn die Verbindung unterbrochen wird, kann der Einsatzleiter die Karte weiter sehen und bearbeiten. "Sobald die Internet-Verbindung wieder steht, werden seine Bearbeitungen und das aktuelle Lagebild automatisch zusammengeführt", sagt Mareike Kortmann.