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Schottland und Europa

Irene Quaile29. April 2014

Im September stimmen die Schotten über die Unabhängigkeit von Großbritannien ab. Die Europawahl könnte die Abstimmung beeinflussen, sagt Christopher Harvie, Ex-Mitglied des schottischen Parlaments.

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Christopher Harvie Universität Tübingen EINSCHRÄNKUNG
Bild: Christopher Harvie

Deutsche Welle: Wie wichtig ist Europa für die Schotten?

Christopher Harvie: Die Schotten waren immer von der europäischen Idee angetan. Sie sehen sich nicht als Insel, die von Europa abgeschnitten ist, sondern eher als eine Volksgruppe, die geschichtlich, geistig und wirtschaftlich sehr stark mit Europa verbunden ist. Wenn es allerdings darum geht, wie stark sich Menschen mit einer eher abstrakten europäischen Idee beschäftigen, dann bin ich eher ein bisschen zynisch.

Wie stehen denn die Schotten zur EU als Institution?

Die Schotten verteidigen Europa gern, wenn konservative englische Politiker antieuropäische Gefühle schüren wollen. Das gilt vor allem für die rechte UKIP-Partei, die in Schottland sehr wenig Unterstützung hat. Im Großen und Ganzen neigen die Schotten auch weniger dazu, Europa die Schuld für alle Probleme im Land in die Schuhe zu schieben. Wenn wir allerdings über die Beteiligung an Europawahlen reden, fürchte ich, dass wie bisher nur ein Viertel der Wahlberechtigten zur Urne gehen wird.

Es gibt eine heftige Debatte darüber, ob ein unabhängliges Schottland Teil der EU bleiben könnte. Wie sehen Sie das?

Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass die EU Schottland nicht halten würde. Immerhin besitzen wir im schottischen Teil der Nordsee den Hauptanteil von Europas Öl und Gas. Unsere Wirtschaftsbilanz gehört zur besseren Hälfte der EU- Mitgliedsstaaten. Das sollten die Institutionen in Brüssel sehr ernstnehmen. Ich glaube übrigens auch, dass Schottland in dieser Hinsicht einige Unterstützung aus Deutschland erwarten könnte.

Inwiefern?

Deutschland hat den Atomausstieg beschlossen. Damit ist das Land stark auf Energielieferungen aus dem Osten angewiesen. Das muss zur Zeit aber als problematisch gelten. Eine Alternative wäre, das Riesenpotential der Nordsee zu nutzen. Ich rede hier nicht vom Öl, obwohl das noch einige Jahre reichen wird. Ich rede von Windkraft und Energie aus Gezeiten- und Wellenkraftwerken. Schottland verfügt über mehr als zwei Drittel der britischen Nordseegewässer. Und es sind deutsche Firmen, die hier stark investiert haben.

Wird die Europawahl irgendeine Bedeutung für den Volksentscheid über die schottlische Unabhängigkeit haben?

Bis zum Tag des Referendums am 18. September kann sich noch einiges ändern. Die Europawahl könnte die Kampagne für den Verbleib Schottlands im Vereinigten Königreich empfindlich stören. Wenn UKIP bei der Europawahl stärkste britische Partei wird, ware das furchtbar peinlich sowohl für die Konservativen als auch für die Labour-Partei. Die Schotten würde das dagegen kaum stören. Im Gegenteil, das könnte sie zu attraktiven Verbündeten für Europa werden lassen.

In Spanien und anderen Ländern gibt es die Sorge, dass eine Entscheidung für eine Unabhängigkeit Schottlands den Ball für Separatisten auch in anderen Regionen ins Rollen bringen könnte. Zurecht?

Ja. Und das Problem hat Europa direkt vor der Haustür. In Belgien, also am Hauptsitz der EU, wackelt die nationale Identität am stärksten. Der Ausgang der Unabhängigkeitswahl im Vereinigten Königreich könnte sich sehr wohl auf die gesamteuropäische Entwicklung auswirken.

Das Gespräch führte Irene Quaile

Christopher Harvie war Professor für Britische Studien an der Universität Tübingen, bevor er 2007 für vier Jahre für die Schottische Nationalpartei im Regionalparlament in Edinburgh saß.