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Schwarze deutsche Fußballer gegen Rassismus

Jonathan Harding
5. Juni 2020

Die Proteste in den USA halten an. Die "Black Lives Matter"-Bewegung erfährt mittlerweile weltweite Unterstützung. Drei Schwarze deutsche Fußballer beziehen in DW-Interviews Stellung zu Rassismus.

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Jerome Boateng, Nicole Anyomi und Leroy Kwadwo (l.-r.) jeweils im Porträt
Jerome Boateng, Nicole Anyomi und Leroy Kwadwo (l.-r.)

Nicole Anyomi (20 Jahre, Stürmerin, SGS Essen):

"Ich finde es einfach erschreckend. George Floyd, möge er in Frieden ruhen. Mir fehlen die Worte. Wir sind jetzt im Jahr 2020 und es herrscht immer noch Rassismus und Ungerechtigkeit. Ich verstehe nicht, wie es sein kann, dass so etwas heutzutage noch passiert.

Wie oft sollen wir unsere Stimme noch erheben und irgendwas dazu sagen? Ich verstehe es einfach nicht. Wie Antonio Rüdiger gesagt hat, es passiert nichts. Es müssen mal Taten folgen und nicht immer nur geredet werden. Rassismus hier, Rassismus dort, aber es muss jetzt irgendetwas passieren, damit das endlich aufhört. Ich könnte wieder weinen. Mir fehlen echt die Worte.

Warum muss man bei einem Spiel, wo doch der Fußball verbindet und alle Nationen zusammen kommen, Affengeräusche machen und einen Spieler diskriminieren? Es tat mir auch für den Spieler [Jordan Torunarigha] echt Leid, weil er in dem Moment einfach allein ist. Klar, um ihn herum sind Mitspieler die sagen, komm, mach weiter, höre nicht drauf. Aber es ist schwierig, wenn du in der Situation bist und einfach gerade diskriminiert wurdest. Du bist alleine, du weißt gar nicht was du machen solltest. Das ist ein Gefühl, das unbeschreiblich ist. In Deutschland ist das Gute, es wird schon etwas dagegen getan. Aber es reicht auch nicht, wenn der Kapitän vor dem Spiel irgendwas vorliest oder irgendwelche Banner oder Werbung gedruckt werden. 'Sagt Nein zu Rassismus' - reicht langsam nicht mehr. Es ist zu wenig.

Nicole Anyomi kniewt nieder (Foto: Imago Images//M. Koch)
Zeichensetzen nach einem Tor: Nicole Anyomi von der SGS Essen geht auf dem Platz in die KnieBild: Imago Images//M. Koch

Meiner Meinung nach war es schon immer nötig, aktiv zu sein. Wir müssen unsere Stimme erheben und was dagegen sagen. Du kannst nicht, wenn etwas passiert, daneben stehen und zuschauen und nichts sagen. Klar, manche Menschen haben das noch nie erlebt und sind in dem Moment schockiert und wie vereist. Aber manche stehen da oder gehen einfach weiter, obwohl Sie gerade eine Tat sehen und handeln könnten. Das geht einfach nicht.

Ich habe mit ein, zwei Spielerinnen über das Thema gesprochen, weil es in den letzten Wochen häufiger vorkam und die sehen es genauso wie ich. Die finden es erst einmal erschreckend, dass es so etwas noch gibt, Rassismus... Wir wissen nicht genau, was in Amerika los ist, aber man sieht es in den Medien, man sieht es auf den Fotos. Natürlich fragen die mich, wie es mir geht. Ja, wie soll es mir denn gehen dabei?"

Leroy Kwadwo (23 Jahre, Abwehrspieler, Würzburger Kickers):

"Ich bin erschrocken. Da sieht man, was für eine Bewegung das Ganze nimmt und wie aktuell gerade das Thema Rassismus ist. Nicht in der Vergangenheit, sondern in der Gegenwart.

Leroy Kwadwo schüttelt die Hände eines Zuschauers (Foto: picture-alliance/dpa/nordphoto)
Auch Opfer von rassistischen Beschimpfungen: Leroy Kwadwo von den Würzburger KickersBild: picture-alliance/dpa/nordphoto

In meinem Fall vor wenigen Monaten ist es in einem Stadion passiert, es war kein Einzelfall. Es kommt auch häufiger vor, dass Spieler anderer Hautfarbe oder anderer Religion beleidigt werden und es danach nicht publik wird. Im persönlichen Alltag bemerke ich das eher weniger, aber es gibt dann schon Situationen, in denen man aufgrund seiner Hautfarbe komisch angeschaut wird.

Ich persönlich finde, dass das Thema immer unter den Tisch gekehrt worden ist. Langsam glaube ich, dass die Menschen weltweit merken, dass man seine Stimme gegen Rassismus erheben muss. Aktuell sieht man wirklich, dass sich ein Großteil der Leute mit diesem Thema beschäftigt und man merkt, dass es ihnen wichtig ist. Das gilt es jetzt weiter zu forcieren und zu sagen: So geht es nicht!"

Jerome Boateng (31 Jahre, Abwehrspieler, FC Bayern München):

"Auf jeden Fall ist Rassismus auch bei uns ein Thema und sehr präsent. Es gab in den letzten Jahren Attentate gegen Ausländer und Andersgläubige in Deutschland. Insgesamt geht es in eine gewisse Richtung, wo ich mir denke, wir waren doch schon weiter. In meiner Kindheit in Berlin habe ich auch Erfahrungen mit Rassismus gemacht, klar. Aber ich erinnere mich auch an die Zeit auf dem Fußballplatz, wo es egal war, woher man kam und welche Religion man hatte. Wir waren Iraner, Afrikaner, Türken, Deutsche. Da hat man nicht groß darüber nachgedacht oder gesprochen. Es geht ums Miteinander.

Jerome Boateng im Porträt (Foto: Getty Images/Bongarts/A. Hassenstein)
Meinungsstark, auf und neben dem Platz: Bayern-Profi und Ex-Nationalspieler Jerome BoatengBild: Getty Images/Bongarts/A. Hassenstein

Aktionen wie der "Black Out Tuesday" [Aktion in den sozialen Medien, bei der schwarze Bilder gepostet wurden, um gegen Rassismus und Polizeigewalt zu protestieren - Anm. d. Red.] sind schön und gut, aber es gilt wirklich anzupacken und etwas zu tun, sei es in Form von Arbeit mit Kindern oder anderen Integrationsprojekten. Da kann jeder helfen.

Alles beginnt bei der Erziehung der Kinder, das ist das Allerwichtigste. Kein Kind auf dieser Welt wird als Rassist geboren. Es liegt immer an den Eltern und an dem, was sie ihren Kindern mitgeben."