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Tage der Angst

Stefan Nestler16. Mai 2012

Die Tumulte beim Spiel in Düsseldorf haben einmal mehr gezeigt, dass die Lage in den Fußballstadien außer Kontrolle gerät. Entscheidungen müssen her, findet DW-Sportredakteur Stefan Nestler.

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Symbolbild Kommentar. Grafik: DW

Der deutsche Fußball hat ein Problem. Nicht eines, das man auf die leichte Schulter nehmen kann, sondern ein schwerwiegendes. Das haben nicht erst die Tumulte in Düsseldorf gezeigt, aber sie haben es unterstrichen. Am Vortag gab es in Karlsruhe schwere Krawalle, nachdem Zweitligist KSC abgestiegen war. Zwei Wochen zuvor hüllten in Köln Randalierer das Stadion in Rauch, als der FC zweitklassig wurde. Schwarze Tage waren das. Die dichte Folge macht nicht nur Sorgen, sondern Angst.

Schmusekurs gescheitert

Einst galt der deutsche Fußball als familientauglich. Aber welche Eltern nehmen heute noch ihre kleinen Kinder mit ins Stadion, ohne dabei ein mulmiges Gefühl zu haben? Die Masse der Fans ist nach wie vor friedlich. Doch die Chaoten sind unberechenbarer geworden, hemmungsloser, gewaltbereiter. Der Schmusekurs vieler Vereine ist gescheitert. Die Clubs räumten den so genannten "Ultras" Privilegien ein, weil sie doch so schöne Choreographien auf die Tribünen zauberten. Die Extrem-Fans "bedankten" sich für die neuen Freiheiten mit Zügellosigkeit. Offenbar vermittelt es ihnen einen besondern Kick, Bengalos an den Sicherheitskräften vorbeizuschleusen, in ihrem Block zu zünden und die mehr als 1000 Grad Celsius heißen Brandsätze sogar aufs Spielfeld zu werfen. Auch außerhalb der Stadien wird randaliert, als wären Körperverletzung und Sachbeschädigung Kavaliersdelikte.

Porträt Stefan Nestler. Foto: DW/Per Henriksen
Stefan Nestler, DW SportBild: DW

Echte Fans sind die Leidtragenden

DFB, DFL, Vereine und Polizei wirken angesichts dieser bedenklichen Entwicklung ratlos, immer scheinen sie einen Schritt hinterher zu hinken. Wenn wieder einmal die Lage in einem Stadion eskaliert ist, schieben sie sich gegenseitig den "Schwarzen Peter" zu. Verantwortlich ist immer der andere. "Runde Tische" zur Gewalt in den Stadien mögen politisch korrekt und angesagt sein, bewirkt haben sie bisher wenig bis nichts. Der Schulterschluss aller Verantwortlichen ist überfällig, Entscheidungen müssen her. Der Blick ins Ausland könnte helfen. Großbritannien hat sein Hooligan-Problem erst in den Griff bekommen, als entschieden gegengesteuert wurde: Keine Stehplätze mehr, lückenlose Videoüberwachung, Kartenverkauf nur gegen Ausweis, lebenslange Stadionverbote für Randalierer. Schade für die echten, friedlichen Fans, die – sollte man in Deutschland zu ähnlich drastischen Mitteln greifen – wieder einmal die Leidtragenden wären. Aber das sind sie auch, wenn Chaoten ihren Sport kaputt machen. Der Fußball hat längst seine Unschuld verloren.