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Frankenschock wird noch verdaut

Klaus Ulrich (mit Agenturen)15. Januar 2016

Vor einem Jahr vollzog die Schweizer Notenbank eine überraschende Kehrtwende. Sie hob die Bindung zum Euro auf und sorgte so für den Frankenschock. Die plötzliche Aufwertung des Franken wirkt bis heute nach.

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Symbolbild Münzen Franken Schweiz Euro
Bild: picture-alliance/dpa/O.Berg

Es war ein Paukenschlag auf den Finanzmärkten: Am Donnerstag, den 15. Januar 2015, um genau 10:30h löste die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Wechselkursbindung des Franken zum Euro auf. Der Franken schoss daraufhin durch die Decke und war von einer Minute auf die andere 15 Prozent mehr wert. In den nächsten Stunden stieg er sogar noch weiter an.

Rund drei Jahre hatte die Notenbank durch Stützungskäufe dafür gesorgt, dass der Euro mindestens 1,20 Schweizer Franken kostete. Waren und Produkte aus der Schweiz sollten so mit erschwinglichen Preisen wettbewerbsfähig auf den internationalen Märkten bleiben. Bis zum "Frankenschock" hatten die Notenbanker der SNB immer wieder versichert, den Mindestkurs unter allen Umständen zu halten. Doch angesichts der gewaltigen Kosten, die die Stützungskäufe verursachten, kam die Notbremse und der Wechselkurs wurde freigegeben.

Nach Aufhebung des Wechselkursziels gewann der Franken zum Euro noch am selben Tag bis zu 30 Prozent an Wert - als "Nebenwirkung" fiel der Euro auf ein Elf-Jahrestief zum Dollar. Der Schweizer Aktien-Leitindex SMI sackte 8,7 Prozent ab. Es war der größte Tagesverlust in einem Vierteljahrhundert und der zweitgrößte seiner Geschichte. Banken und deren Kunden mussten teils hohe Verluste verkraften.

Schweizer Tourismus-Branche unter Schock

Finanzwort des Jahres

Der "Frankenschock" wurde später zum Schweizer "Finanzwort des Jahres" gekürt. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Entscheidung bewegen die Schweiz bis heute. Viele sorgen sich um die Zukunft von Industrie und Tourismus.

"Zuerst hat der Einzelhandel am stärksten gelitten", erinnert sich Christian Apelt, Schweiz-Experte bei der Landesbank Hessen-Thüringen, im Gespräch mit der DW. "Viele Schweizer sind zum Einkaufen nach Deutschland gefahren, weil das auf einmal günstiger war." In anderen Sektoren wie in der Industrie habe man in der ersten Wahrnehmung nicht so viel Änderung bemerkt.

Auswirkungen in fast allen Bereichen

Das änderte sich jedoch im Laufe der Zeit. Die schweizerische Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie erlitt von Januar bis November 2015 einen Exporteinbruch von 6,8 Prozent. Bei 87 Prozent der Unternehmen schrumpften laut einer Umfrage der SNB im Jahr 2015 die Gewinnspannen. "Es gibt Berichte von Unternehmen, die ihre Produktion aus der Schweiz heraus verlagern, weil der Standort Schweiz durch diese Aufwertung natürlich um einiges teurer geworden ist", sagt Apelt.

Auch diese Zahlen spiegeln den Frankenschock wider: Die Tourismusbrache leidet seit der Aufwertung, weil Reisen in die Schweiz für Bürger aus der Eurozone deutlich teurer wurden. Ihre Zahl sank im Zeitraum von Januar bis November um 13 Prozent. Das Wirtschaftswachstum insgesamt betrug 2015 nur noch 0,7 Prozent, nachdem die Schweiz im Vorjahr mit 1,9 Prozent mehr als doppelt so stark gewachsen war.

Der Arbeitsmarkt blieb dagegen immer noch vergleichsweise stabil: Die Arbeitslosenquote legte zwar von 3,2 Prozent Ende 2014 auf 3,4 Prozent Ende 2015 zu. Das bedeutet aber immer noch quasi Vollbeschäftigung und ist ein Wert, von dem fast alle anderen europäischen Länder nur träumen können.

Schweizerische Nationalbank mit herben Verlusten

Die Schweizerische Nationalbank verzeichnete 2015 ein Minus von 23 Milliarden Franken, umgerechnet 21,18 Milliarden Euro. Ursache war neben der Aufwertung des Franken gegenüber dem Euro auch der sinkende Goldpreis.

Allerdings sorgte das relative Erstarken von Euro und Dollar in den letzten Monaten dafür, dass der Buchverlust geringer ausfiel als noch im Sommer befürchtet: Zum Ende des ersten Halbjahres 2015 hatte die SNB wegen des Wertverfalls ihrer Fremdwährungsanlagen einen Verlust von 50,1 Milliarden Franken ausweisen müssen. Dieser Buchverlust reduzierte sich nunmehr deutlich. "Von daher ist es für die Schweizer Notenbank noch vergleichsweise glimpflich abgelaufen und sie hat sogar noch einen Überschuss", kommentiert Apelt.

Fluchtwährung weniger attraktiv

Es ist noch nicht lange her, da legten Investoren aus aller Welt traditionell große Geldbeträge in der wirtschaftlich und politisch stabilen Schweiz an. Der Franken war die klassische "Fluchtwährung". Und genau das führte dazu, dass er nach 2008 einen Höhenflug nach dem anderen erlebte - bis die SNB den Mindestkurs einführte, um die für die exportorientierte Wirtschaft schädliche Aufwertung zu stoppen.

Mittlerweile hat sich dieser Trend durch den Frankenschock zumindest abgeschwächt. So haben sich der Börsen-Crash in China und die Spannungen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien, die die Märkte gleich zu Beginn dieses Jahres in Aufruhr versetzt hatten, kaum auf die Schweizer Währung ausgewirkt. Der Franken blieb weitgehend stabil. Die Wechselkurse zum Euro pendelten lediglich zwischen 1,08 und 1,09 Franken.

Deutschland Christian Apelt
Christian Apelt von der HelabaBild: Helaba

"Die Effekte auf diese klassische Fluchtwährung, die man die letzten Jahrzehnte gesehen hat, sind nicht mehr so ganz eindeutig", sagt Christian Apelt. Der Devisenexperte sieht auch für 2016 einen relativ stabilen Euro-Franken-Kurs.