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Schweizer stimmen für Freizügigkeit mit EU

27. September 2020

Die Schweizer haben in einem Referendum gegen eine Begrenzung des Zuzugs von EU-Ausländern gestimmt. Eine klare Mehrheit lehnt die sogenannte Begrenzungsinitiative einer rechtsnationalen Partei ab.

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Symbolbild | Schweiz Referendum
Ein Wahllokal im Berner Hauptbahnhof (Archivfoto)Bild: Alessandro Della Valle/dpa/picture-alliance

EU-Bürger können weiter ohne größere Einschränkungen in die Schweiz übersiedeln. Nach offiziellen Angaben stimmten in einer Volksabstimmung am Sonntag 61,7 Prozent der Wähler gegen eine entsprechende Initiative der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP). Somit gilt weiter die bisherige Personenfreizügigkeit zwischen der Eidgenossenschaft und den EU-Ländern.

Die SVP hatte die sogenannte Begrenzungsinitiative gestartet, die von der Regierung in Bern eine starke Drosselung der Migration in die Schweiz verlangte. Die Gesetzesvorlage "Für eine maßvolle Zuwanderung" sah vor, dass die Regierung in Bern mit der Europäischen Union innerhalb von zwölf Monaten das Ende der Freizügigkeit aushandeln sollte. Würde das nicht gelingen, so hätte die Regierung die Freizügigkeit innerhalb weiterer 30 Tage einseitig kündigen müssen.

Ein Ende des Abkommens hätte ebenfalls die Freizügigkeit der Schweizer innerhalb der EU beendet. Vor allem aber hätte sie den direkten Zugang der Schweizer Wirtschaft zum europäischen Binnenmarkt gefährdet. Und Weltkonzerne wie die Pharmafirmen Roche und Novartis, der Lebensmittelproduzent Nestle oder die Großbanken UBS und Credit Suisse haben hier ihren Sitz und sind angewiesen auf ausländische Arbeitskräfte. Außerdem ist die EU der wichtigste Handelspartner der Exportnation Schweiz.

Deutschland Konstanz | Schild | Landesgrenze zur Schweiz
Die Schweizer Grenze bleibt für umsiedlungswillige EU-Bürger vorerst offenBild: Martin Schroeder/dpa/picture-alliance

Drohgespenst Massenzuwanderung

Die SVP spricht von einer Massenzuwanderung in der Schweiz. Sie argumentiert, zu viele Menschen minderten den Wohlstand und die Sicherheit der Bürger und seien zu teuer für die Sozialwerke. Die vielen Einwanderer führten zu mehr Arbeitslosigkeit und belasteten Umwelt und Infrastruktur. Seit 1990 stieg die Bevölkerungszahl der Schweiz um rund ein Viertel auf 8,6 Millionen, darunter mehr als 2,1 Millionen Ausländer. Fast 1,5 Millionen von ihnen stammen aus einem EU-Land, aus Großbritannien, Norwegen, Island oder Liechtenstein. Hinzu kommen Hunderttausende Menschen, die aus dem EU-Ausland täglich in die Schweiz zur Arbeit pendeln.

Dagegen lehnen Regierung, Parlament, die anderen Parteien, Arbeitgeberverband und die Gewerkschaften die geforderte Kündigung der Personenfreizügigkeit mit der EU ab. Die wirtschaftlichen Auswirkungen wären katastrophal und würden die Beziehungen zu der EU erheblich beschädigen, erklärten sie.

Paket aus sieben Abkommen?

Die Eidgenossenschaft und die EU hatten in den 1990er Jahre ein Paket von sieben bilateralen Abkommen ausgehandelt, das die Schweizer 2000 mit großer Mehrheit in einer Abstimmung annahmen. Die Abkommen ermöglichen Schweizer Firmen den Zugang zum EU-Markt. Ein Abkommen beinhaltet die Personenfreizügigkeit.

Schweizer Bürger können prinzipiell in der EU leben, arbeiten und studieren. Bürger von EU-Ländern können im Gegenzug in der Schweiz leben, arbeiten und studieren. Würde die Schweiz das Abkommen zur Personenfreizügigkeit kündigen, würden automatisch auch die anderen sechs Abkommen außer Kraft treten.

Neuer Schwung für Verhandlungen

Damit dürfte neue Fahrt in die langwierigen Kooperationsverhandlungen der Schweiz mit der Europäischen Union kommen. Die EU will sämtliche bilateralen Abmachungen unter einen Rahmenvertrag stellen. Damit sollen auch einige von der Schweiz früher ausgehandelte Privilegien abgeschwächt werden. Brüssel droht bei einer Weigerung mit Nachteilen für die Schweiz. Als Warnung hat sie bereits die Anerkennung für die Börse in Zürich ausgesetzt. Die Schweizer Regierung verlangt Nachbesserungen des Vorschlags aus Brüssel. 

Bei der Volksabstimmung wurde die Einführung eines zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs mit rund 60 Prozent Zustimmung angenommen. Die Väter sollen in der Zeit 80 Prozent ihres Lohns erhalten.

kle/qu (epd, dpa, rtr, afp)