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Schwelbrand in Togo

Peter Hille1. Juli 2013

Demonstranten werden niedergeknüppelt, Oppositionelle ins Gefängnis geworfen. Vor den für Juli geplanten Parlamentswahlen in Togo wird die Lage immer brenzliger.

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Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten in Togos Hauptstadt Lome im Mai 2013 (Foto: afp)
Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten in TogoBild: Daniel Hayduk/AFP/Getty Images

Dodji Apévon muss sehr laut reden, um verstanden zu werden. Der Präsident des togoischen "Aktionskomitee für die Erneuerung" steht inmitten einer Menschenmenge, die ihrem Unmut mit Trillerpfeifen und Sprechchören Luft macht. "Wir haben genug", erklärt Apévon der DW. "Wir haben zur Demonstration aufgerufen, um gegen die Verletzung von Menschenrechten zu protestieren. Wir werden unser Schicksal selbst in die Hand nehmen. Togo ist unser Land und eine kleine Minderheit kann sich nicht des ganzen Landes bemächtigen."

Gemeinsam mit Tausenden anderen Aktivisten und Anhängern der Opposition protestiert Apévon im Zentrum der Hauptstadt Lomé fast wöchentlich gegen die Regierung Togos und Präsident Faure Gnassingbé. Seit 1967 beherrscht die Familie Gnassingbé das kleine Land von heute knapp sieben Millionen Einwohnern im Westen Afrikas. Nach dem Tod des langjährigen Diktators Eyadéma Gnassingbé übernahm sein Sohn Faure 2005 das Präsidentenamt. Die Opposition wirft ihm vor, selbstherrlich zu regieren, Wahlen zu manipulieren oder eigenhändig zu verschieben.

Der Präsident von Togo, Faure Gnassingbé (Foto: AP)
Seit 2005 an der Macht: Faure GnassingbéBild: AP

Gewalt vor den Wahlen

StraßeTogo Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten in Togo (Foto: afp)
Trotz des Versammlungsverbots gehen Demonstranten auf die StraßeBild: Daniel Hayduk/AFP/Getty Images

Ein neues Parlament hätten die Bürger eigentlich schon im vergangenen Jahr wählen sollen, der Wahltermin wurde jedoch mehrfach verlegt. Nun, da der für 21. Juli angesetzte Urnengang näher rückt, geht die Staatsgewalt immer härter gegen Oppositionelle vor. Die Behörden verbieten Demonstrationen, setzen Schlagstöcke und Tränengas gegen diejenigen ein, die trotzdem auf die Straße gehen.

Gilbert Bawara, Innenminister Togos, begründet das Demonstrationsverbot und die Härte der Polizei mit Ausschreitungen bei früheren Protesten. "Es geht den Demonstranten nicht um die Ausübung von Freiheitsrechten oder friedlichen Protest. Sondern vielmehr darum, Gewalt zu provozieren und öffentliches sowie privates Eigentum zu zerstören", so Bawara im Gespräch mit der DW. "Und die Regierung hat entschieden, alle Vorkehrungen zu treffen, damit so etwas nicht wieder passiert."

Keine echte Demokratie

Fabbi Kouassi, Journalistin und Menschenrechtlerin aus Togo (Foto: Noël Tadégnon)
Die Journalistin Fabbi Kouassi bloggt für die PressefreiheitBild: DW/N. Tadegnon

Anfang des Jahres waren in einer rätselhaften Serie von Brandanschlägen mehrere Großmärkte im Land in Flammen aufgegangen. Die Polizei verhaftete daraufhin 23 Mitglieder der Oppositionsgruppe "Lasst uns Togo retten" ("Sauvons le Togo") und setzte auch Journalisten fest, die über den Hintergrund der Brände recherchierten. "Die Menschenrechtslage in Togo ist nach wie vor prekär", sagt Dirk Kohnert, Westafrika-Experte am GIGA-Institut für Afrika-Studien in Hamburg. "Togo ist eine Fassadendemokratie, die nach außen hin demokratische Ideale hochhält, aber sie nach innen nicht verwirklicht."

Schärfere Worte benutzt die Bloggerin Fabbi Kouassi. Einen "Terrorstaat" nennt sie ihr Land. In ihrem Blog prangert Kouassi die Herrschaft von Faure Gnassingbé an, berichtet von Polizeigewalt und Korruption. Für ihren Einsatz für die Pressefreiheit erhielt sie im Mai den DW-Preis "The Bobs" für Online-Aktivismus in der Kategorie “Reporter Ohne Grenzen”.

Diebstahl und Drohanrufe

Doch der Druck auf Journalisten im Land nimmt weiter zu. Noël Tadegnon, freier Mitarbeiter der DW in Togo, berichtet, dass Unbekannte gezielt die Fahrzeuge von Journalisten aufbrechen und Computer und Dokumente entwenden würden. Auch sein Auto sei bereits aufgebrochen worden. "Sie versuchen, uns einzuschüchtern. In meinem Fall gehen sie davon aus, dass ich Informationen über Togo ins Ausland weitergebe, deshalb werde ich auch unter Druck gesetzt mit anonymen Anrufen und solchen Geschichten. Aber das entmutigt mich nicht, ich werde weiterhin völlig professionell meiner Arbeit nachgehen und keine Angst haben."

Als Reaktion auf die Verletzung von Menschenrechten in Togo hatte Deutschland im Jahr 1992 seine Entwicklungshilfe an das verarmte Land ausgesetzt. Zuvor hatte Togo aus Deutschland stets besonders hohe Hilfszahlungen erhalten, denn man fühlte sich aufgrund der gemeinsamen Kolonialgeschichte eng verbunden.

Geld aus Deutschland

Gudrun Kopp, parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Foto: DW/Helle Jeppesen)
Gudrun Kopp sieht Chancen für die Demokratie in TogoBild: DW/Helle Jeppesen

"Wir sehen, dass es noch große Defizite gibt, insbesondere bei der Justiz, die eben nicht unabhängig ist", erklärt Gudrun Kopp, Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. "Aber wir sehen auch Fortschritte. Und wir werden mit unserer Entwicklungszusammenarbeit genau diese sehr kleinen Schritte gehen und abwägen, inwieweit eine Zusammenarbeit wieder möglich ist." Deshalb habe die Bundesregierung im Jahr 2011 ihre Hilfe für Togo wieder aufgenommen. "Wir merken, dass es wichtig ist, im Gespräch zu bleiben. Die Regierung nicht nur auf die Defizite hin anzusprechen, sondern ganz klar Reformen einzufordern. Und da begleiten wir sie auch eng."

27 Millionen Euro an Entwicklungshilfe hat Deutschland Togo für die nächsten drei Jahre versprochen. Dieses Geld solle unter anderem in Projekte fließen, die eine "gute Regierungsführung" förderten, so Kopp im DW-Interview.

Aufgeheizte Stimmung

Westafrika-Experte Dirk Kohnert glaubt allerdings nicht, dass das Land mit den anstehenden Wahlen den Weg zur Demokratie einschlägt. "Man kann jetzt schon absehen, dass diese Wahlen nicht frei und fair verlaufen werden, weil die Mindestbedingungen, die auch die EU gefordert hat, nicht eingehalten werden", so Kohnert, der selbst schon als Wahlbeobachter für die Europäische Union nach Togo gereist ist. Die Wahlkommission etwa sei nicht unabhängig, sondern parteiisch und die Wahlbezirke seien zugunsten der Regierungspartei eingeteilt.

Trotzdem haben die größten Oppositionsparteien angekündigt, Kandidaten für die Parlamentswahlen aufzustellen. Gleichzeitig werden einige Gruppen die Regierung weiter mit Protestmärschen in der Hauptstadt Lomé unter Druck setzen. Dodji Apévon vom togoischen "Aktionskomitee für die Erneuerung" hat vor allem einen Wunsch: dass die Wahlen friedlich verlaufen. Momentan jedoch sei die Stimmung im Land so stark aufgeheizt, dass eine neue Krise zu befürchten sei.