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Schwellenländer erhalten mehr Einfluss beim IWF

Karl Zawadzky19. September 2006

Die Stimmrechte und Kreditmöglichkeiten von vier großen Schwellenländern beim Internationalen Währungsfonds werden ausgeweitet. Allerdings bleiben China, Türkei, Südkorea und Mexiko dennoch unterrepräsentiert.

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Weltbank-Chef Paul Wolfowitz (l.) hält eine Rede auf der Jahrestagung in SingapurBild: AP

Es ist wie jedes Jahr: Wenn die Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank feierlich eröffnet wird, sind alle Entscheidungen gefallen. Spannend sind eigentlich vor allem die Tage im Vorfeld der Konferenz. So war das auch diesmal in Singapur. Seit Monaten ist in den Gremien des Währungsfonds über einen höheren Einfluss großer Schwellenländer verhandelt worden. Am Dienstag (19.9.) wurde das Ergebnis von IWF-Chef Rodrigo de Rato verkündet. China, die Türkei, Südkorea und Mexiko erhalten höhere Anteile am Grundkapital und damit höhere Stimmrechte sowie größere Kredite im Falle von Währungskrisen.

Diese Ausweitung der Stimmrechte und Kreditmöglichkeiten ist die größte Reform in der sechzigjährigen Geschichte des Internationalen Währungsfonds. Die großen Industriestaaten, zum Beispiel die USA und Deutschland, haben ihre Anteile zu Gunsten dieser vier bislang am meister unterrepräsentierten Schwellenländer verringert. IWF-Direktor Rodrigo de Rato verkündete zur Eröffnung der Jahrestagung in Singapur eine Mehrheit von 90,6 Prozent für die Reform. Dagegen hatten andere große Schwellenländer gestimmt - zum Beispiel Indien, Brasilien und Argentinien, die nun darauf hoffen dürfen, in der zweiten Reformstufe ebenfalls größeren Einfluss auf eine der wichtigsten Institutionen im internationalen Finanzsystem zu erhalten.

Weiter unterrepräsentiert

Insgesamt sind die Anteile von China, der Türkei, Südkorea und Mexiko um 1,8 Prozent angehoben worden. Dadurch steigt der Anteil Chinas von drei auf 3,7 Prozent und der Anteil der Türkei von 0,45 auf 0,55 Prozent. Gemessen am tatsächlichen Anteil dieser Länder an der Weltwirtschaft wäre zum Beispiel im Falle Chinas eine Erhöhung der Quote auf fünf Prozent angemessen gewesen. Das heißt: Die eklatante Unterrepräsentanz dieser Schwellenländer im Währungsfonds ist lediglich zu einem Drittel korrigiert worden. Innerhalb der nächsten beiden Jahre soll eine ganz neue Formel für die Berechnung der Quoten vereinbart werden; davon sollen dann auch andere Entwicklungs- und Schwellenländer profitieren.

Deutschland hat wie die anderen großen Industriestaaten aktiv an der Quotenänderung mitgewirkt und damit eine Verringerung seiner Quote sowie seiner Stimmrechte akzeptiert. "Um es sehr präzise auszudrücken. Wir haben von einer Quote von 6.087 Prozent ziemlich genau 0,107 abgegeben. Das heißt: Wir sinken von 6,087 auf 5,980 Prozent", erklärte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. "Aus dieser Entwicklung ist weiß Gott nicht ein Bedeutungsverlust der Bundesrepublik Deutschland oder eine Freigabe nationaler Interessen abzuleiten." Für Steinbrück ist wichtig, dass Deutschland als weltweit drittgrößte Volkswirtschaft mit einem eigenen Exekutivdirektor in der Leitung des Währungsfonds vertreten bleibt.

Risiken für die Weltkonjunktur

Neben der Quotenerhöhung standen die weitere Entwicklung der Weltkonjunktur und die faktisch gescheiterte Doha-Runde der Welthandelsorganisation WTO im Mittelpunkt der Tagung in Singapur. "Der weltweite Konjunkturzyklus könnte seinen Höhepunkt erreicht haben. Die größte Hoffnung, den Zyklus verlängern zu können, liegt in der Ausweitung des Welthandels. Wenn das nicht gelingt, sind die Aussichten nicht gut", sagte IWF-Direktor Rodrigo de Rato. Er sehe drei Risiken für die Entwicklung der Weltwirtschaft. Erstens könnten höhere Ölpreise die Inflation anheizen, zweitens führten anhaltend hohe Leistungsbilanzungleichgewichte zu Krisen und drittens sei der Protektionismus "größer als die Vernunft". "Wenn der Protektionismus über die Vernunft siegt, verstärken sich alle anderen Probleme", so de Rato.

Weltbank-Präsident Paul Wolfowitz beschwor die Chance der Entwicklungsländer, durch gute Regierungsführung, Korruptionsbekämpfung und neues Unternehmertum der Armut zu entkommen. Doch das werde ihnen wenig helfen, wenn ihnen nicht gleichzeitig eine stärkere Integration in die Weltwirtschaft gelinge. Deswegen sei es so wichtig, die abgebrochene Doha-Runde der Welthandelsorganisation WTO wieder aufzunehmen. Wolfowitz rief alle Beteiligten auf, durch Zugeständnisse zur Wiederaufnahme der WTO-Verhandlungen beizutragen. So müssten die USA ihre den Handel störenden Agrarsubventionen kürzen. Die EU müsse ihre Handelsschranken verringern, Entwicklungsländer wie China, Indien und Brasilien müssten ihre Zölle auf Industriegüterimporte verringern und Entwicklungsländer den Marktzutritt für Exporte der ärmsten Länder erleichtern. "Die Doha-Runde muß zu einem erfolgreichen Ende gebracht werden und wir müssen dafür sorgen, dass die ärmsten Länder den größten Vorteil davon haben", erklärte Wolfowitz.