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Schwere Dürre am Horn von Afrika

Maria Gerth
22. Februar 2022

Dreizehn Millionen Menschen sind laut den Vereinten Nationen von akutem Hunger bedroht. Äthiopien ist eines der am stärksten von der Dürre betroffenen Länder in Ostafrika. Viehzüchter verlieren ihren Lebensunterhalt.

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Vier Menschen versuchen, eine zu schwache Kuh zu stützen
Die Dürre lässt Vieh verenden und zerstört die Lebensgrundlage der Menschen vor OrtBild: Michael Tewelde/World Food Programme/REUTERS

Unter einem wolkenlosen Himmel und einer unbarmherzigen Mittagssonne ziehen Herden abgemagerter Kamele an einem der wenigen Wasserbrunnen im Dorf Adawe in der südöstlichen Somali-Region Äthiopiens vorbei. Das Wasser hat eine schlechte Qualität und ist mit Salz gesättigt, doch die Kamele - und ihre Besitzer - haben keine andere Wahl, als es zu trinken.

Adawe verfügt normalerweise über 26 Brunnen, aber da es hier seit April 2021 nicht mehr geregnet hat, sind alle bis auf drei ausgetrocknet. In der somalischen Region herrscht traditionell Trockenheit. Nun aber sind drei aufeinander folgende Regenzeiten ausgefallen.

Wasser ist nicht nur ein rares Gut, sondern die Dürre hat die Landschaft austrocknen lassen, so dass die Gräser, Sträucher und Bäume, von denen sich Kamele und andere Tiere ernähren, kaum vorhanden sind. Da ihr Vieh wenig zu fressen und zu trinken hat, müssen die Bewohner von Adawe zusehen, wie ihre Herden von Tag zu Tag kleiner werden.

Kamele trinken Wasser in einer ausgedorrten Region Somalias
Abgemagerte Kamele trinken an einer der wenigen Wasserstellen in AdaweBild: Maria Gerth/DW

Sterbendes Vieh

Die Straßen hier sind übersät mit den Kadavern von Kühen, Schafen und Ziegen, die in der Hitze verrotten. Kamelhirte Abdi Serif sagte, er habe bereits 30 von 150 Kamelen verloren - das ist ein Fünftel seiner Herde. "Sie leiden unter der Dürre und dem Mangel an Weideland. Und wenn die Kamele nicht genug Futter haben, laufen sie weg, was dazu führt, dass sie von Hyänen getötet werden können", so der 25-Jährige.

Abdi verdient seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf seiner Kamele auf dem Markt. Früher brachte ihm ein Kamel rund 75.000 Birr (1480 Dollar, 1300 Euro) ein. Doch die Preise sind auf etwa ein Fünftel dieses Betrags gesunken, und es ist fast unmöglich, Käufer zu finden. "Bisher waren wir auf die Tiere angewiesen, um uns zu ernähren. Aber jetzt haben wir nichts mehr zu essen, denn jetzt sind es die Tiere, die von uns abhängig sind", so Abdi zur DW.

Eine Hirtin kümmert sich um ihr abgemagertes Vieh
Fast 85 Prozent der Bewohner leben von der Viehzucht Bild: Maria Gerth/DW

Für den Schafhirten Mahamoud Abdulaye ist das größte Problem, dass Hirten wie er in der trockenen Region keine andere Möglichkeit haben, Geld zu verdienen. "In dieser Gegend gibt es keine Landwirtschaft, sie ist eine Wüste", sagt er. Für seine verbliebene Herde habe er nur geringe Hoffnungen, sagte Mahamoud, als er ein Lamm aus einem kleinen Unterstand hob. Das Lamm, dem die Haut von den Knochen hing, war zu schwach, um zu stehen. Aber sein Vieh ist nicht mehr Mahamouds Hauptsorge. Jetzt betet der Vater von sechs Kindern für das Überleben seiner Familie.

Tierkadaver am Wegesrand
Tausende Tiere sind durch die Dürre bereits umgekommen und verwesen am WegesrandBild: Maria Gerth/DW

Familien am Rande des Abgrunds

"Der Zustand meiner Kinder ist äußerst besorgniserregend. Sie erwarten von uns, dass wir ihnen helfen, aber wir können nichts tun", sagte er der DW und erklärte, dass ein Topf mit gekochtem Weizen die tägliche Mahlzeit der Familie sei. Geschwächt durch die monatelange Entbehrung fragen seine Kinder regelmäßig nach Milch: Es gibt keine, beklagte Mahamoud.

Die Dürre im äthiopischen Tiefland, zu dem auch die Regionen Somali und Oromia gehören, hat nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks UNICEF zu einem Anstieg der Fälle von "schwerer akuter Unterernährung" bei Kindern um 20 Prozent geführt.

Insgesamt werden bis Mitte März 2022 voraussichtlich 6,8 Millionen Menschen in dem von der Dürre betroffenen Gebiet dringend humanitäre Hilfe benötigen, so UNICEF in einer Erklärung.

In einem Krankenhaus in Gode, einer Stadt in der Region Somali, berichteten Ärzte der DW, dass die Zahl der unterernährten Kinder, die in den letzten Monaten eingeliefert wurden, sprunghaft angestiegen sei.

Infografik Karte Äthiopien

Wenig Geld für Hilfe

Bei den Hilfsorganisationen wächst das Gefühl der Dringlichkeit. Doch es fehlt an Mitteln, um auf die Krise zu reagieren. UNICEF hat 31 Millionen Dollar für die von der Dürre betroffenen Gebiete in Äthiopien beantragt, bisher aber nur etwa ein Viertel erhalten. Die Reaktion wurde durch andere Krisen im Land, insbesondere den Tigray-Konflikt im Norden des Landes, verzögert.

Mit den Mitteln sollen Barzahlungen an von der Dürre betroffene Familien geleistet werden. "In den großen Dörfern und Städten sind Lebensmittel verfügbar, der Privatsektor bringt sie", sagte der äthiopische UNICEF-Vertreter Gianfranco Rotigliano der DW. "Das Problem ist, dass sie sie nicht kaufen können. Wenn wir ihnen einen kleinen Betrag an Bargeld geben, werden sie kaufen, was sie brauchen, und die Kinder können essen."

Vertreibung aus den Häusern

Viele Familien in den betroffenen Gebieten haben keine andere Wahl, als ihre Dörfer zu verlassen. In der gesamten Region Somali sind Tausende in den Norden gezogen, um näher an der Regionalhauptstadt Jijiga zu sein, wo das Klima weniger rau ist. Die Viehzüchter hoffen, dass sie dort Futter für ihre Tiere finden und die Reste ihrer Herden retten können.

"Der Verlust des Viehbestands bedeutet, dass die Hirten aufgeben, dass die Menschen fliehen und vertrieben werden und dass sie keine Arbeit finden", sagte Teyeb Sherif Nur, der für die UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) in der Region für das Management der natürlichen Ressourcen zuständig ist.

Ardo Hassen kocht in ihrer Unterkunft
Ardo Hassen hat ihr Dorf mit ihrer Herde verlassen, um Weideland zu findenBild: Maria Gerth/DW

Ardo Hassen war tagelang mit vier ihrer Kinder und den verbliebenen 70 Tieren unterwegs, bis sie schließlich in der Nähe der Stadt Kebri Beyah, etwa 50 Kilometer südlich von Jijiga, ein behelfsmäßiges Haus errichten konnte. Fünfzehn ihrer Tiere starben auf der Reise.

Diejenigen, die überlebten, können sich jetzt zwar von etwas ausgetrocknetem Gras ernähren, aber einige sind sehr krank. "Ich weiß nicht, was passieren wird, ich bin sehr besorgt", sagte sie, als sie auf dem Lehmboden ihrer improvisierten Küche einen Kochtopf wusch. "Bis Gott uns Regen vom Himmel schickt, werden wir auf staatliche Unterstützung hoffen."

Aus dem Englischen adaptiert von Martina Schwikowski