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Schwere Prüfung

Lauren Frayer / Neil King29. September 2012

In Spanien hat das neue Schuljahr begonnen - mit größeren Klassen, weniger Lehrern und höheren Gebühren für Schulbücher und die Kantine. Eine Auswirkung der Krise. Eltern und Schüler sind beunruhigt.

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Spanische Schulkinder in Madrid (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Eine Gruppe Jugendlicher tauscht Urlaubsgeschichten auf dem Schulhof einer Madrider Schule aus. Die Ferien sind vorbei und am ersten Tag des neuen Schuljahres haben der 13-jährige Alvaro Laje und seine Freunde viel zu erzählen. So hat die Stadt mit dem Bau einer Tiefgarage begonnen - ausgerechnet dort wo Alvaro und seine Freunde regelmäßig spielten. Nun müssen sie die Pausen im Schulgebäude verbringen. "Früher haben wir auf diesem Platz Fußball und Basketball gespielt. Mit der neuen Tiefgarage wollen die doch einfach nur mehr abkassieren", schimpft Alvaro.

Neue Parkgebühren reichen aber nicht aus. Die Schule muss noch mehr einsparen. Längere Arbeitszeiten und Gehaltskürzungen für Lehrer sind die Folge. Die Sparmaßnahmen der Regierung zwinge sogar viele Lehrer fremde Fächer zu unterrichten, sagt der 15-jährige Gonzalo Vila. "Der Französisch-Lehrer muss jetzt auch Englisch unterrichten, der Mathe-Lehrer Physik und der Technik-Lehrer Mathe", sagt Gonzalo kopfschüttelnd.

Generalstreik des Bildungssektore im Mai 2012 in Madrid (Foto: Javier Soriano/AFP/GettyImages)
Spanier demonstrieren gegen das Sparen an der BildungBild: Javier Soriano/AFP/GettyImages

Gebühren statt Subventionen

Es ist das erste volle Schuljahr seitdem die Regierung die größten Kürzungen des Bildungsetats in der Geschichte Spaniens verabschiedet hat. Bis 2015 soll dieser um 20 Prozent zurückgefahren werden. Trotz wachsender Schülerzahlen werden Stellen für Lehrer abgebaut - seit 14 Jahren der erste Rückgang.

Wie viele Eltern ist Conchi Redondo besorgt, wie sich die Kürzungen auf den eigenen Geldbeutel auswirken werden, besonders da viele Ermäßigungen - etwa für die Kantine oder Schulbücher - nun komplett wegfallen. "Ich habe drei Töchter, die alle zur Schule gehen. Die monatliche Gebühr für die Schulkantine beträgt 125 Euro! Und ihre Schulbücher kosten über 600 Euro," sagt Redondo. Selbst wenn sie ihr Essen von zuhause mitbringen würden, müssten Redondos Töchter eine Gebühr entrichten, nur um gemeinsam mit ihren Schulkameraden in der Cafeteria essen zu dürfen.

Arbeitslose Eltern stark betroffen

Arbeitslosigkeit ist ein Faktor, den die Lehrer bei der Planung des Schuljahres oder bei Projekten zunehmend berücksichtigen müssen. Viele Eltern haben ihren Arbeitsplatz im vergangenen Jahr verloren. "Wir verbringen viel Zeit damit, die finanzielle Bürde für diese Familien zu erleichtern", erklärt Grundschullehrer Pablo Aznar. "Wenn wir einen Ausflug machen, geben wir uns große Mühe, die Kosten so weit wie möglich zu drücken."

Spaniens Premierminister Mariano Rajoy (Foto: REUTERS)
Rajoy will 2013 etwa 40 Milliarden einsparenBild: Reuters

Spaniens Arbeitslosenquote lag im Frühling bei fast 25 Prozent - ein unrühmlicher Rekord in der Eurozone. Gleichzeitig kämpft das Land mit der zweiten Rezession seit dem Krisenjahr 2008. Die Regierung von Premierminister Mariano Rajoy machte sich daran, den Haushalt zu sanieren. Um den EU-Rettungsschirm zu umgehen, war Sparen die Devise. Allerorts wurden Staatsausgaben gekürzt, einschließlich 10 Milliarden Euro im Gesundheits- und Bildungswesen. Gleichzeitig wurde die Mehrwertsteuer von 18 auf 21 Prozent angehoben. Bis zum Sommer hatte die spanische Regierung Einsparmaßnahmen in Höhe von 65 Milliarden Euro bis 2014 verabschiedet. Im Gegenzug stellte die Eurozone 100 Milliarden Euro für Spaniens klamme Krisenbanken zur Verfügung.

Vor diesem Hintergrund fällt es Pablo Aznar schwer, den Eltern zu erklären, dass ausgerechnet sie nun höhere Gebühren zahlen müssen. "Das bleibt mir sprichwörtlich im Hals stecken. Es ist eine Tragödie, besonders wenn man sieht, wie dramatisch die Lage in den Familien ist", sagt Aznar.

Polizeieinsatz während einer Protestaktion (Foto: dapd)
Polizei und Demonstranten geraten während Protesten immer öfter aneinanderBild: dapd

Die Wut ist groß. Die Lehrer haben bereits mehrfach gegen die Sparmaßnahmen gestreikt - ohne Erfolg. Gonzalo Garland ist Wirtschaftswissenschaftler an der IE Business School in Madrid. Obwohl er den Zorn der Lehrer versteht, gibt er zu Bedenken, dass der europäische Nachkriegssozialstaat eventuell "zu großzügig mit Geld umgegangen ist".

"Natürlich gibt es auch Ineffizienz, aber die Einschnitte sind doch sehr schmerzhaft." Garland betont, dass der Staat gezwungen war, gewisse Maßnahmen zu ergreifen, wie zum Beispiel die Erhöhung der Mehrwertsteuer. "Aber wenn es zu Kürzungen bei der Bildung und der Gesundheit kommt, trifft es deine Kinder", so Garland. "Hier wird der Sozialstaat zerstört. Das stößt auf großen Widerstand."