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Schwerer Misshandlungsfall in der russischen Armee

2. Februar 2006

In Tscheljabinsk wurde Anfang Januar ein Rekrut so geschlagen, dass ihm die Beine und Genitalien amputiert werden mussten. DW-RADIO sprach über den Fall mit Walentina Melnikowa vom Komitee der Soldatenmütter Russlands.

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Das Komitee der Soldatenmütter Russlands erhebt Vorwürfe gegen Verteidigungsminister Sergej IwanowBild: AP

In der Panzerschule Tscheljabinsk wurden über die Neujahrsfeiertage Rekruten von Dienstälteren schwer misshandelt. Einer von ihnen, Andrej Sytschow, musste drei Stunden lang in der Hocke verharren, während seine Beine geschlagen wurden. Die Folge waren Quetschungen an den unteren Extremitäten und der Genitalien, wodurch sich eine schwere Entzündung entwickelte. Die Beine und Genitalien mussten amputiert werden. Zur Untersuchung des Falls wurde nach Tscherljabinsk der Hauptkommandeur der Landstreitkräfte geschickt. Er soll klären, warum das Kommando in Moskau von der Misshandlung des Soldaten erst am 25. Januar erfuhr und nicht Anfang Januar, als sich der Fall ereignete.

DW-RADIO/Russisch: Frau Melnikowa, wie sind die Misshandlungen der Rekruten bekannt geworden?

Walentina Melnikowa: "Der Fall wurde ganz einfach bekannt. Als der junge Mann ins Krankenhaus eingeliefert wurde, riefen die Ärzte beim Verband der Soldatenmütter in Tscheljabinsk an, und man fand dann seine Mutter, obwohl den Ärzten untersagt war, jemandem mitzuteilen, dass der Soldat bei ihnen ist. Weiter meldete unser Verband den Fall bei der Staatsanwaltschaft Tscherljabinsk, aber auch Journalisten.

Meldungen nach zur urteilen befasst sich das Verteidigungsministerium intensiv mit dem Fall. Der Hauptkommandeur der Landstreitkräfte wurde nach Tscheljabinsk geschickt. Sind Sie mit dieser Reaktion zufrieden?

Wir waren auf der Pressekonferenz und dort wurde gesagt, eine Kommission sei hingefahren. Jetzt werden diese Schurken aus Moskau die Staatsanwaltschaft des Bezirks und der Garnison unter Druck setzen, damit alles auf einen oder zwei Soldaten abgewälzt wird, nach dem Motto: Die Offiziere sind alle gut und in Wirklichkeit ist alles wunderbar. Überhaupt wird man sagen, dass der Soldat selbst schuld sei, dass er selbst darum gebeten habe, sich für einen halben Tag fesseln zu lassen. Das bezeichnet man als Unterdrucksetzung der Ermittlungen, wenn Vorgesetzte der Militärs unterwegs sind. Sie werden jetzt einzelne Soldaten fangen und ihnen drohen. Ich weiß, wie das gemacht wird.

Hat die Militärführung des Landes in den vergangenen Jahren Maßnahmen gegen die Kameradenschinderei in der Armee unternommen?

Verteidigungsminister Sergej Iwanow wurde einst von Präsident Wladimir Putin mit der Armeereform beauftragt. Aber Verteidigungsminister Iwanow sabotierte die Anweisung des Präsidenten. Der junge Mann ist in einer schrecklichen Lage, er ist schon jetzt Invalide. Junge Männer werden so heftig geschlagen, dass sie den Verstand verlieren, das passiert jeden Tag, aber den Verteidigungsminister interessiert das nicht. Er hat in den letzten Jahren nichts unternommen, um in Russland normale Streitkräfte aufzubauen.

Der Föderale Zulassungsdienst des Justizministeriums strebt vor Gericht die Schließung des Russischen Forschungszentrums für Menschenrechte an. Zu dem Verband gehört auch das Komitee der Soldatenmütter. Offiziellen Angaben zufolge hat das Zentrum dem Justizministerium seit fünf Jahren keinen Tätigkeitsbericht vorgelegt. Stimmt der Vorwurf?

Der Bericht über die Tätigkeit des Russischen Forschungszentrums für Menschenrechte im Jahr 2005 wurde dem Justizministerium vorgelegt. Wir haben eine Kopie und eine Eingangsbestätigung. Ferner übergab Ende 2005 die Leiterin des Zentrums, Ljubow Winogradowa, dem Justizministerium ein Protokoll von der Wahl des neuen Leitungsgremiums. Wir bestehen aus 13 Menschenrechtsorganisationen, von denen 12 landesweit aktiv sind. Uns wird man nicht so schnell schließen können. Unsere Räumlichkeiten, unsere Telefone und unsere Projekte laufen über das Zentrum für Menschenrechte. Ich bin der Ansicht, dass das Justizministerium beschlossen hat, das neue Gesetz über die NGOs gegen den größten und ältesten Menschenrechts-Verband anzuwenden.

Viacheslav Yurin
DW-RADIO/Russisch, 27.1.2006, Fokus Ost-Südost