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Schwierige Abwägung um Embryo-Gentest

18. Oktober 2010

Es galt als verboten, künstlich gezeugte Embryonen auf Gen-Defekte zu testen. Aber dann hat ein Gericht es erlaubt. Bundeskanzlerin Merkel will nun ein Verbot festschreiben, aber erntet Widerspruch in der Koalition.

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Angela Merkel mit erhobenen Händen am Rednerpult (Foto: dapd)
Bild: DW

Wenn ein Kind außerhalb des Mutterleibs künstlich gezeugt wird, kann man den Embryo daraufhin untersuchen, ob ein genetischer Defekt vorliegt. Besteht die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind später mit einer Erbkrankheit zur Welt kommen würde, kann auf die Einpflanzung in den Mutterleib verzichtet werden. Nach der bisher vorherrschenden Rechtsauffassung war das aber nicht erlaubt. Doch im Juni hat der Bundesgerichtshof einen Arzt freigesprochen, der solche Präimplantations-Diagnostik (kurz PID) durchführt.

Urteil schockiert Christdemokraten

Für viele Christdemokraten war dieses Urteil ein Schock. Sie orientieren sich an der christlichen Lehre, und die besagt: Wenn mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle biologisch ein eigenständiger Organismus mit eigenem genetischen Code entstanden ist, dann liegt auch schützenswertes menschliches Leben vor. So steht es sinngemäß auch im CDU-Parteiprogramm. Dennoch gibt es immer wieder heftige Diskussionen in der CDU, wenn dieser Lebensschutz in Konflikt mit anderen schwerwiegenden Interessen gerät. So in diesem Fall, wenn sich durch PID verhindern ließe, dass eine Frau ein Kind mit einer schweren Behinderung austragen muss.

Mikroskopisch vergrößertes Bild einer Eizelle, in die eine Samenzelle injuziert wird. (Foto: dpa)
Die Gen-Forschung spaltet von Beginn anBild: picture-alliance/dpa

Angela Merkel, die in solchen Fragen nicht zum Dogmatismus neigt, hat sich nun festgelegt: Das PID-Verbot soll klar gesetzlich festgeschrieben werden. Auf dem Deutschlandtag der CDU-Nachwuchsorganisation Junge Union am Wochenende sagte sie zur Begründung, es sei "unmöglich, eine Unterscheidung zu finden zwischen einer schwerwiegenden genetischen Krankheit und vielleicht nicht ganz so schwerwiegenden".

Das sieht der Koalitionspartner aber anders. FDP-Generalsekretär Christian Lindner sprach sich klar gegen ein Verbot aus. Es sei ein ethischer Fortschritt, "wenn man Paaren Sorgen nehmen kann, wenn man Paaren einen Kinderwunsch erfüllen kann und schwere Erbkrankheiten bereits vor der Verpflanzung eines Embryos in die Gebärmutter erkennen kann." Allerdings wollen auch die Liberalen keine völlige Freigabe der Präimplantations-Diagnostik. Vielmehr, erläuterte die FDP- Bundestagsabgeordnete Ursula Flach, wollten sie "sicherstellen, dass wirklich nur denen eine PID ermöglicht wird, bei denen schwere genetische Krankheiten in der Familie vorkommen."

Widerspruch in den eigenen Reihen

Peter Hintze sitzt an einem Konferenztisch (Foto: AP)
Gegen PID-Verbot: Peter Hintze, CDU, Abgeordneter und Wirtschafts-StaatssekretärBild: AP

Auch in der CDU sind nicht alle einer Meinung mit Parteichefin Merkel. Für den Abgeordneten Peter Hintze ist es widersprüchlich, dass die Untersuchung des werdenden Kindes im Mutterleib erlaubt ist, man aber die Untersuchung vor der Einpflanzung in den Mutterleib verbieten wolle. "Diesen Wertungswiderspruch sollten wir auflösen", sagte Hintze.

Auch in anderen Bundestagsfraktionen gehen die Meinungen auseinander. Deshalb wird es, wie bei solch schwierigen ethischen Fragen üblich, keine Parlamentsentscheidung nach Parteilinie geben. Befürworter und Gegner eines PID-Verbots werden sich stattdessen in den nächsten Monaten quer über die Parteigrenzen zusammenfinden. Wann es dann zur Abstimmung im Bundestag kommt, ist noch nicht abzusehen.

Autor: Peter Stützle
Redaktion: Hartmut Lüning