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Parlamentswahl

Wim Abbink23. November 2006

Die Christdemokraten von Premierminister Balkenende bleiben stärkste Partei im niederländischen Parlament. Doch die Sitzverteilung reicht weder für ein neues Bündnis von CDA und VVD noch für eine große Koalition.

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Der 'Binnenhof', das niederländische Regierungszentrum in Den Haag
In Den Haag stehen schwierige Koalitionsverhandlungen anBild: picture-alliance/dpa

"Es ist, offen gesagt, ein Chaos", sagte der niederländische Finanzminister Gerrit Zalm noch am Wahlabend. Die Christdemokraten (CDA) unter dem 50-jährigen Ministerpräsidenten Jan Peter Balkenende sind nach vorläufigen Ergebnissen zwar als Sieger aus der Parlamentswahl in den Niederlanden vom Mittwoch (22.11.2006) hervorgegangen. Die CDA wird immerhin 41 Sitze erhalten, drei weniger als bisher. Sie bleibt damit stärkste Kraft in der "Tweede Kamer", der niederländischen Volksvertretung. Doch die VVD, der rechtsliberale Koalitionspartner der Christdemokraten, hat den Berechnungen zufolge deutlich verloren: Sie erhält 22 Sitze - sechs weniger als bei der letzten Wahl 2003. Für ein erneutes Bündnis von CDA und VVD reicht das nicht.

Aber auch eine große Koalition kommt rechnerisch nicht in Frage. Die Sozialdemokraten mit Spitzenkandidat Wouter Bos können nur noch mit 32 Mandaten rechnen, ein Minus von zehn Sitzen. Damit bleiben sie zweitstärkste Kraft, doch für eine Mehrheit von 76 Sitzen zusammen mit der CDA ist das zu wenig. Größter Gewinner der Wahl ist die weit links angesiedelte Sozialistische Partei (SP), die von neun auf 26 Sitze hochschnellte. Sie wird drittstärkste Fraktion im neuen Parlament in Den Haag.

Ministerpräsident Jan Peter Balkenende
Bleibt wohl Ministerpräsident: Jan Peter BalkenendeBild: AP

Mehr als zwölf Millionen Niederländer waren aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Um die 150 Sitze bewarben sich Vertreter von 24 Parteien. Die Wahl am Mittwoch war die dritte innerhalb von vier Jahren. Balkenende hat sie um ein halbes Jahr vorgezogen, nachdem seine Mitte-Rechts-Koalition Ende Juni auseinander gebrochen war. Er ist seit Juli 2002 Regierungschef.

Wahlkampfthema: Integrationspolitik

Der Rechtspopulist Geert Wilders, der seit mehreren Jahren als unabhängiger Abgeordneter im Parlament saß, kam mit seiner neu gegründeten Partei auf neun Sitze.

Einwanderungsministerin Rita Verdonk
Umstritten: Einwanderungsministerin Rita VerdonkBild: AP

Bei der Wahl ging es nicht zuletzt um einen Richtungsentscheid in der Asyl- und Integrationspolitik. Es war die erste Abstimmung in den Niederlanden seit der Ermordung des Filmemachers Theo van Gogh durch einen muslimischen Fanatiker 2004. Seitdem wurde das Einwanderungsrecht verschärft. Eine Woche zuvor kündigte Einwanderungsministerin Rita Verdonk an, Burkas und andere Gesichtsschleier in der Öffentlichkeit verbieten zu wollen.

Keine Fünf-Prozent-Klausel

Die Sozialdemokraten kritisierten dies als zu drastisch und kündigten an, tausende illegal im Land lebende Ausländer einbürgern zu wollen. Sie wandten sich aber nicht grundsätzlich gegen Einwanderungsbeschränkungen und konzentrierten sich im Wahlkampf stärker auf die Sozialpolitik der Regierung, die sie als herzlos verurteilten.

Durch das breite Spektrum der im Parlament vertretenen Parteien - in den Niederlanden gibt es keine Fünf-Prozent-Klausel - dürfte die Regierungsbildung sehr schwierig werden. Ministerpräsident Balkenende braucht über das konservativ-liberale Lager hinaus Partner für eine regierungsfähige Koalition.

Die Konservativen lagen in den Umfragen monatelang hinter den Sozialdemokraten, hatten aber zuletzt stark aufgeholt. Premierminister Balkenende kam dabei vor allem der wirtschaftliche Aufschwung zugute. Die Niederlande rechnen in diesem und im nächsten Jahr mit einem Wachstum von rund drei Prozent und haben mit 5,5 Prozent eine der niedrigsten Arbeitslosenraten Europas.