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Schwieriger AKW-Rückbau

Jens Thurau, z.Z. Lubmin 26. August 2015

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks besucht das frühere DDR-Kernkraftwerk bei Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern. Die Probleme mit der Atomkraft gehen weiter, auch wenn keine Reaktoren mehr betrieben werden.

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Lubmin Bundesumweltministerin Hendricks auf Sommerreise im ehemaligen AKW in Lubmin (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/S. Sauer

"Ich habe das persönlich noch nicht gesehen, aber es wird schon klar, warum das alles so teuer ist", sagt Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Sie steht jetzt vor dem früheren DDR-Atomkraftwerk in Lubmin bei Greifswald, das 1995 stillgelegt wurde. Es war riesig: Acht Reaktoren sowjetischer Baurat waren geplant, fünf davon gingen auch in Betrieb und lieferten elf Prozent des Stroms der DDR. Sie alle standen in einer einen Kilometer langen Halle.

Jetzt wird das alles abgerissen, "zurückgebaut", wie das technisch heißt. Keine leichte Aufgabe. Aus dem direkten früheren Produktionsbereich muss jeder noch so kleine Teil auf eine mögliche radioaktive Verschmutzung untersucht werden. Die Experten hier haben in den Jahren spezielle Dekontaminierungsverfahren entwickelt, reinigen einzelne Beton- oder Stahlteile etwa aufwändig mit Phosphorsäure. "Das", glaubt die Ministerin, "kann sicher mal ein deutscher Exportschlager werden. Nicht der Bau von Atomkraftwerken wie früher, sondern die fachgerechte Beseitigung."

Arbeiter berichten von großen Problemen

Verantwortlich für die Sanierung sind die staatlichen Energiewerke Nord, die aus der ehemaligen DDR-Betreibergesellschaft hervorgingen. 15.000 Menschen haben mal hier gearbeitet, jetzt sind noch knapp 1000 Fachleute mit dem Rückbau hier und im zweiten ehemaligen DDR-Standort in Rheinsberg beschäftigt. Kostenpunkt der Demontage: Etwas über vier Milliarden Euro an Steuergeldern. Das meint Barbara Hendricks mit den hohen Kosten.

Das Zwischenlager Nord in Lubmin bei Greifswald (Foto: dpa)
Das Zwischenlager Nord in Lubmin bei GreifswaldBild: picture-alliance/dpa/S. Sauer

Was radioaktiv verseucht ist, wird komprimiert, speziell verpackt und kommt ins atomare Zwischenlager auf dem Firmengelände. "Nur zwei Prozent der Baumasse eines Atomkraftwerks ist kontaminiert, rund 23 Prozent müssen überprüft werden, Drei Viertel sind unbedenklich", verrät Bernhard Massing, Atom-Experte des Umweltministeriums. Aber überprüft werden muss alles. Und bei der Besichtigung erzählen einige Arbeiter, die nicht namentlich genannt werden möchten, dass die Sanierung der fünf Reaktordruckbehälter, die in Lubmin in Betrieb waren, ihnen noch bevorsteht. Und große Probleme macht. Vielleicht, so heißt es, wird dafür eine spezielle Entsorgungshalle gebaut werden müssen. Auch wegen solcher Probleme sind die rund vier Milliarden Euro an Kosten eine vorsichtige Schätzung.

Wohin mit dem Müll?

Rückbau, Entsorgung, Endlagerung: Das werden wohl die Stichworte sein, wenn in Zukunft in Deutschland über die Atomkraft gesprochen wird. Nach der Reaktorhavarie in Fukushima in Japan ist Deutschland 2011 aus der Kernenergie ausgestiegen. Neun der 17 deutschen Reaktoren, allesamt im Westen des Landes, sind seitdem abgeschaltet worden, acht werden bis 2022 folgen. Das macht 17 Werke, die wie das in Lubmin "rückgebaut" werden müssen. Anders als in Lubmin aber zahlen diesen Rückbau die privaten Betreiber - wenn denn die dafür zurückgelegten rund 39 Milliarden Euro reichen. Und dann kommt die Frage: Wohin mit dem Müll, wenn alles abgebaut ist? Seit Jahrzehnten streitet Deutschland erbittert um diese Frage. Das Dorf Gorleben in Niedersachsen, das als Endlagerstandort ausgesucht wurde, geriet zum Symbol der Anti-Atom-Bewegung.

Jetzt soll nach einigem Hin und Her im ganzen Land nach einem geeigneten Ort gesucht werden, nicht nur in Gorleben. Klar ist: Der Müll wird weit unter die Erde gebracht, vielleicht im Salzgestein, oder im Ton, vielleicht in Granit. Mitte 2016 sollen Experten eine erste Vorauswahl verkünden, dann werden erste mögliche Gegenden diskutiert. "Und dann werde ich die unbeliebteste Politikerin des Landes sein, wenn ich sagen muss: Vielleicht wird bei euch ein Endlager gebaut", freut sich Barbara Hendricks schon jetzt nur bedingt auf dieses Ereignis. Und ist sichtbar froh, sich nach dem Besuch im alten DDR-Atomkraftwerk weniger strittigen Themen zu widmen auf ihrer Sommerreise: Dem Schutz der Wölfe etwa oder der Meeresökologie.