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Schwieriges Werben für die EU-Verfassung

Andreas Noll27. April 2005

In Frankreich wächst knapp einen Monat vor dem Referendum zur EU-Verfassung die Nervosität: Die Mehrheit für ein "Ja" ist fraglich. Die Vorurteile gegen Europa und das Regelwerk sitzen bei vielen Franzosen tief.

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'Oui' oder 'non' zur EU-Verfassung?Bild: AP

Die Gegner der Verfassung sind allgegenwärtig. In Vororten wie dem Pariser Fontenay-sous-Bois haben die radikalen Parteien ihre Plakate aufgehängt. "Nein zu Europa" heißt es dort in seltener Einigkeit zwischen Kommunisten und der rechtsextremen Front National.

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Die Sozialistische Partei Frankreichs hingegen ist tief gespalten. Zwar hatte sich im vergangenen Dezember in einer Mitgliederbefragung eine Mehrheit für ein Ja zur Verfassung ausgesprochen. Doch die unterlegenen Gegner kämpften weiter. Mit zunehmendem Erfolg: Mehr als 60 Prozent der Anhänger der Sozialisten sprechen sich mittlerweile gegen die Verfassung aus und unterstützen so die prominenten Dissidenten der offiziellen Parteilinie. Wahlforscher rechnen damit, dass die Sozialisten-Wähler die Abstimmung am 29. Mai 2005 entscheiden werden.

"Frankreich ist plötzlich aufgewacht"

Frankreich vor der Abstimmung
"Non": Werbung gegen die EU-VerfassungBild: AP

Das linke Lager störe sich vor allem an der angeblich so wirtschaftsliberalen Ausrichtung der Verfassung, sagt Renaud Dehousse vom Pariser Institut für Politikwissenschaften: "Sehr oft sieht man die Leute wie verrückt kämpfen gegen die liberalen Elemente der Verfassung, wie den freien Wettbewerb und den ungehinderten Waren- und Dienstleistungsverkehr in Europa. Sie kämpfen, als wären es Neuigkeiten. Dabei wurden diese Dinge schon vor 50 Jahren in den Gründungsverträgen von Rom angelegt. Ich habe den Eindruck, dass Frankreich plötzlich aufgewacht ist und entdeckt hat, dass es in der EU Inhalte gibt, die es bereits von Anfang an gab. Die Verfassung ist jetzt die Gelegenheit für einen Streit, welche Position Frankreich in der EU einnehmen möchte."

Verliert Paris an Einfluss?

Befürworter der Verfassung tun sich schwer zu erklären, welche konkreten Vorteile das Regelwerk den Franzosen im Alltag bietet. Stattdessen warnen sie davor, dass Frankreich in Europa an Einfluss verlieren werde, sollte ausgerechnet die "Grande Nation" mit Nein stimmen.

Jacques Chirac wirbt für EU Verfassung
Jacques Chirac bei der FernsehdebatteBild: AP

Auch Staatspräsident Jacques Chirac äußerte sich in einer Fernsehdebatte zur Verfassung ähnlich: "Wir haben eine Jugend und ein Volk, die stolz auf Frankreich sein könnten und die in Europa eine führende Rolle spielen könnten. Aber sie sind gerade dabei, zu Schlusslichtern zu werden. Das verstehe ich nicht. Ich finde das sehr traurig und schade."

Politische Werbetour

Um ein Nein auf der Zielgeraden doch noch zu verhindern, hat die lange schleppend verlaufende Kampagne der Befürworter an Dynamik zugelegt. In Zeitungen erscheinen Ende April ganze Sonderseiten mit Informationen über die für viele so schwer verständliche Verfassung. In den letzten Wochen vor der Wahl wollen nun auch Politiker aus den anderen EU-Staaten verstärkt nach Frankreich kommen, um für ein Ja zu werben.

"Das Ende des Verfassungsprojekts"

Denn sollten die Franzosen am 29. Mai mit Nein stimmen, stehe ganz Europa vor einem Scherbenhaufen, sagt Politikwissenschaftler Dehousse: "Das ist das Ende des Verfassungsprojektes. Wir haben schließlich eine große Anzahl von Regierungen in Europa, die der Verfassung nur mit halber Überzeugung zugestimmt haben und die gerne die Verfassung beerdigen würden, wenn sie dafür Frankreich verantwortlich machen könnten. Ich sehe auch nicht, wie man die Franzosen bitten könnte, über die Verfassung noch einmal abzustimmen, wie man es in der Vergangenheit mit Dänemark und Irland gemacht hat."