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Kirche im Richtungskampf

Die Fragen stellte Gabriel Borrud27. April 2012

Seit Jahren streitet die anglikanische Kirche über die Ernennung von homosexuellen Priestern und Bischöfen. Im DW-Interview spricht BBC-Experte John McManus über den Richtungskampf.

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Ein Priester hält einen Rosenkranz Foto: Jochen Lübke (dpa)
Bild: picture-alliance/ dpa

Etwa 200 traditionalistische Vertreter der anglikanischen Kirche haben sich vom 23. bis 27.04. 2012 in London getroffen: Die Splittergruppe "Fellowship of Confessing Anglicans" (FCA) will die Glaubensgemeinschaft wieder auf traditionelle biblische Werte hin ausrichten. Das Ziel: Homosexualität aus der Kirche verbannen.

Deutsche Welle: Was haben sich die "abtrünnigen“ Anglikaner von dem Treffen in London versprochen?

John McManus: Seit etwa 10 bis 15 Jahren gibt es gewisse Entwicklungen in der anglikanischen Kirche, die einige Mitglieder sehr kritisch sehen. Bis vor kurzem war die anglikanische Kirche eine sehr einträchtige und einheitliche Organisation aber in den vergangenen Jahren haben sich deutliche Risse aufgetan, besonders in Bezug auf Homosexualität in der Kirche. Weite Teile der westlichen oder nördlichen anglikanischen Kirche, wie zum Beispiel die Episkopalkirche in den USA oder die "Church of England", haben sich in den vergangenen Jahren gegenüber Homosexualität aufgeschlossener gezeigt. Viele Anglikaner in der südlichen Hemisphäre besonders in Afrika, die viel Einfluss haben und mitgliedsstark sind, sind jedoch mit dieser Entwicklung ganz und gar nicht einverstanden. Für sie ist Homosexualität ein inakzeptabler Verstoß gegen die Bibel.

Besteht die Möglichkeit eines Ausgleichs angesichts dieser doch erheblichen Meinungsunterschiede?

Im Augenblick ist das eher unwahrscheinlich. In den vergangenen Jahren hat der amerikanische Ableger der anglikanischen Kirche eine offen lesbische Frau und einen schwulen Mann zu Bischöfen ernannt. Teile der anglikanischen Kirche haben darauf sehr negativ reagiert. 2008 sollten sich die Hauptvertreter der anglikanischen Kirche aus aller Welt zur sogenannten Lambeth-Konferenz treffen, die alle zehn Jahre stattfindet. Damals haben sich zum allerersten Mal führende Vertreter aus Afrika und anderen Ländern, die Homosexualität ablehnen, geweigert, an der Konferenz teilzunehmen. Stattdessen haben sie in Jerusalem ihre eigene Konferenz abgehalten bei der sie die sogenannte Jerusalem-Erklärung verabschiedet haben. Dieser Beschluss zielt darauf ab, zur "biblischen Wahrheit" zurück zu finden. Seitdem haben sie einen strikten Kurs gegen Homosexualität in der Kirche gefahren, und nun haben sie sich zum ersten Mal wieder in London getroffen.

Der Erzbischof von Canterbury hat gesagt, dass der Streit um Homosexualität beigelegt werden muss, wenn eine sukzessive Auflösung der weltweiten anglikanischen Gemeinschaft verhindert werden soll.

Die anglikanische Gemeinschaft besteht aus etwa 44 verschiedenen Kirchen mit über 80 Millionen Mitgliedern. Alle sind protestantisch-anglikanische Kirchen, aber sie unterscheiden sich deutlich von Land zu Land. Es wird aber von allen erwartet, dass sie gewisse Prinzipien unterstützen, die sie beispielsweise von den Katholiken abgrenzen. Der Erzbischof wollte mit seiner Aussage verdeutlichen, dass wenn zum Beispiel Mitglieder aus Kenia den Dialog mit ihren amerikanischen Brüdern abbrechen, die Gemeinschaft nicht mehr funktionieren kann. Wenn es mehr Trennlinien als Verbindungen gibt, ist diese globale Organisation verloren. Deshalb hat der Erzbischof von Canterbury das Treffen in London kritisiert und auch dessen Legitimität in Frage gestellt. 

Was hat Königin Elizabeth II. zu diesem Thema zu sagen? Schließlich ist sie das offizielle Oberhaupt der Kirche von England.

Die Queen hält sich generell aus solchen Debatten heraus. Es wird auch nicht erwartet, dass sie sich zu politischen oder sozialen Themen äußert - schließlich würde das ihre Position als unabhängiges Staatsoberhaupt unterminieren. Natürlich ist es möglich, dass sie in ihrer Funktion als Kirchenoberhaupt private Gespräche mit Bischöfen geführt hat, aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass wir jemals hören werden, wie sie über dieses Thema denkt. Über einen Niedergang der anglikanischen Kirche wäre sie aber mit Sicherheit nicht erfreut.

Die anglikanische Kirche ist eine christliche Glaubensgemeinschaft, die sowohl katholische als auch evangelische Glaubenselemente in sich vereinigt. Es gibt keine zentralisierten Strukturen oder Autoritäten, sondern zahlreiche unabhängige Landeskirchen mit weltweit über 80 Millionen Mitgliedern.