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Schädlicher Aktionismus

13. Januar 2012

Ein Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages soll die Ermittlungspannen um mutmaßliche Neonazi-Morde aufarbeiten. Es ist aber zu befürchten, dass er eher der Parteipolitik dient, meint Peter Stützle.

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Symbolbild Kommentar (Foto: DW-Grafik)

Schrecklich, dass offenbar drei fanatische Neonazis kurz vor einem Zugriff der Polizei entkommen und dann jahrelang ungestört morden konnten. Eine Reihe von Fehlleistungen verschiedener staatlicher Behörden hat das nach bisheriger Kenntnis ermöglicht. Nun aber sind zwei der Tatverdächige tot, die Dritte ist in Untersuchungshaft, ebenso wie einige Unterstützer. Jetzt könnte man mit der gebotenen Sorgfalt aufarbeiten, was schief gelaufen ist, damit sich so etwas möglichst nicht wiederholt.

Peter Stützle, Hauptstadtstudio Berlin (Foto: DW)
Peter Stützle, Hauptstadtstudio BerlinBild: DW

Das geschieht auch bereits. In Thüringen, wo das mutmaßliche Mördertrio herstammt, hat die Landesregierung eine Ermittlungskommission unter Vorsitz eines ehemaligen Bundesrichters eingesetzt. Zudem wollen die Innenminister von Bund und Ländern eine gemeinsame Expertenkommission einsetzen. Man sollte sie einfach mal arbeiten lassen.

Doch nun soll es auch noch einen Untersuchungsausschuss des Bundestages geben. Erst hatten die oppositionellen Linken und Grünen ihn gefordert. Gemeinsam ist ihnen, dass sie in den Jahren der Mordserie weder im Bund noch in den Ländern einen Innenminister stellten. Mit Verzögerung stimmten dann auch Unterhändler der anderen Fraktionen einem solchen Untersuchungsausschuss zu. Es geht schließlich um abscheuliche, rassistische Verbrechen, und da will sich niemand dem Verdacht aussetzen, er tue nicht alles für die Aufklärung.

Nur: Genau das, Aufklärung, ist von diesem Untersuchungsausschuss am wenigsten zu erwarten. In Deutschland sind für die Polizei und für den Inlands-Geheimdienst ganz überwiegend die Bundesländer zuständig. Diese Dezentralisierung von Macht ist historisch gewachsen; die Jahre, in denen es sie nicht gab, waren die schlimmsten der deutschen Geschichte. Nun waren mit dem Neonazi-Trio hauptsächlich Landesbehörden befasst, vor einem Untersuchungsausschuss des Bundestages müssen aber nur Angehörige von Bundesbehörden Rechenschaft ablegen.

Deshalb ist zu befürchten, dass der Untersuchungsausschuss in langen Sitzungen nur zu spärlichen Erkenntnissen kommt. Schlimmer noch, er könnte sogar Schaden anrichten. Wenn Landesregierungen von ihrem Recht Gebrauch machen und Auskünfte verweigern sollten, könnte das zu einer politischen Schlammschlacht führen. Die Parteien, die nicht an der jeweiligen Regierung beteiligt sind, werden ihr vorwerfen, sie verhindere eine Aufklärung. Statt Einigkeit im Kampf gegen Neonazis bliebe der gegenteilige Eindruck haften.

Autor: Peter Stützle

Redaktion: Marcel Fürstenau