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Seefahrt wird immer teurer

Dirk Kaufmann
13. Juni 2017

Obwohl die Zahl der Schiffsunglücke gesunken ist, schlägt ein großer Versicherer Alarm: Die Schiffe werden immer größer und damit steigen auch die Kosten bei einem Unfall. Sind die finanziellen Risiken noch beherrschbar?

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Deutschland Sturm auf dem Meer
Bild: picture-alliance/Reinhard Kung

Die gute Nachricht vorweg: Noch nie war die christliche Seefahrt so sicher wie heute. So ist es spürbar seltener zu schweren Havarien gekommen. 2016 wurden 2611 Schiffsunglücke gemeldet - das ist ein Rückgang von vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Die Zahl der Schiffsverluste nahm sogar noch deutlich stärker ab: 2016 sind 16 Prozent weniger Schiffe gesunken oder verschollen als im Jahr zuvor - insgesamt gingen weltweit 85 Schiffe verloren. 2015 waren es noch 101.

Diese Zahlen veröffentlichte heute (13.06.2017) die Allianz-Spezialversicherungsgesellschaft (AGCS) in München. Das sei aber nur oberflächlich betrachtet eine gute Nachricht, warnt Baptiste Ossena von der AGCS: "Obwohl der Trend bei den Totalschäden ermutigend ist, gibt es keinen Anlass, sich zurückzulehnen. Die Schifffahrt ist mit neuen Risiken konfrontiert."

Sparen - auch und gerade an der Sicherheit

Ein neues Risiko für die Schiffsversicherer liegt in der immer prekärer werdenden finanziellen Lage der Seeschifffahrt insgesamt. Das hat die Pleite der südkoreanischen Reederei Hanjin 2016 deutlich gemacht. In den vergangenen Jahren ist die Konkurrenzkampf immer enger geworden, die Schuldenstände in der Branche steigen, die Gewinnmargen schrumpfen.

Die Konsequenz: Die Reeder müssen immer mehr sparen - und das tun sie vor allem beim Unterhalt der Schiffe, bei der Ausbildung der Besatzungen, bei der Zahl der Crewmitglieder. "Die Vernachlässigung der Crews und eine unzureichende Wartung der Schiffe - wenn die Wartungsintervalle so lang wie nur möglich ausgedehnt werden - erhöhen die Risiken", so die AGCS.

Für einen weiteren Sicherheitsaspekt sind die Reedereien nicht direkt verantwortlich: Gerade bei den neuen großen Schiffen, die bis zu 20.000 Container transportieren, ist es nicht möglich, zuverlässig zu wissen, was tatsächlich in jedem einzelnen Container enthalten ist. Das kann dazu führen, dass beim Löschen eines Brandes ein noch viel größerer Schaden entsteht - bis hin zum Totalverlust, wenn in einem Container Waffen oder Munition sein sollten.

Feuer an Bord ist laut der AGCS einer der Hauptgründe, warum das Versicherungsgeschäft in der internationalen Seefahrt immer unkalkulierbarer wird. Die anderen Gründe sind die "strukturelle Integrität" der Schiffe, das betrifft vor allem Sicherheitsaspekte sowie das "Autonome Fahren" auf See und die erhöhte Gefahr von sogenannte Vier-Milliarden-Dollar-Havarien.

Fluch und Segen des digitalen Fortschritts

Bei der Ausbildung der Besatzungen wird ebenfalls gespart - mit gefährlichen und teuren Folgen: "Offiziere und Mannschaften müssen sich der Grenzen moderner Technik bewusst sein", sagt Kapitän Rahul Khanna von der AGCS. "Manchmal ist es keine gute Idee, den gesunden Menschenverstand auszuschalten und sich stattdessen auf digital erhobene Daten zu verlassen."

Dabei hat der technische Fortschritt aus Sicht der Versicherer durchaus auch Vorteile: Die Möglichkeit, von Land aus das Schiff und seine Maschine überwachen zu können, könne durchaus helfen, Geld zu sparen ohne die Sicherheit zu vernachlässigen. Zum Beispiel, wenn per Funk die Crew dabei unterstützt werden kann, einen Maschinenschaden selbständig zu beheben. Oder mit Hilfe der Telemedizin dem Schiffsdoktor bei der Behandlung von Krankheiten oder Verletzungen zu assistieren, um so Kosten für eine etwaige Fahrtunterbrechung oder die Abbergung eines Patienten per Schiff oder Helikopter zu vermeiden.

Durch eine verbesserte Kommunikation zwischen Schiff und Reederei lassen sich auch, so die AGCS, mitunter teure Fehlentscheidung aufgrund immer wieder vorkommender Fehlentscheidungen an Bord leichter vermeiden. "Menschliche Irrtümer", so die Versicherung, seien der Grund für 75 Prozent der 2016 gemeldeten Versicherungsfälle. Diese Schadensfälle hätte zu Zahlungen von 1,6 Milliarden US-Dollar geführt.

Einladung an Terroristen 

Durch die sich in Zukunft ergebenden Möglichkeiten, auch bei Schiffen ein "autonomes Fahren" zu etablieren, wie es auch im Straßenverkehr erprobt wird, könnten sich nach Ansicht der Versicherungsgesellschaft weitere Kosteneinsparungen ergeben, weil auf diesem Weg auch Schiffszusammenstöße verhindert werden könnten.

Allerdings bringe die neue Technik auch neue Risiken mit sich: Gelänge es nämlich Außenstehenden - einer Person oder Gruppe mit kriminellem oder terroristischen Motiven - gezielt Unfälle herbeizuführen, könne es zu einem Versicherungs-GAU kommen. Ein solcher "Größter Anzunehmender Unfall" wäre beispielsweise der Zusammenstoß eines Containerschiffes mit einem Kreuzfahrtschiff. Die AGCS hat errechnet, dass dann Schäden in Höhe von bis zu vier Milliarden US-Dollar (etwa 3,6 Milliarden Euro) entstehen können.

Deutschland CSCL Indian Ocean Schiff in der Elbe steckengeblieben
Einfach zu groß: Die "Indian Ocean" war in der Elbe auf Grund gelaufen Es dauerte Tage, sie wieder frei zu bekommen ...Bild: picture-alliance/dpa/L. Klemmer

Immer größer – immer teurer

Die ständig zunehmende Größe der Schiffe erhöht sowohl für Reedereien als auch für Versicherungen das kaufmännische Risiko. Wenn eines von zwei kleinen Schiffen verloren geht, verliert eine Reederei nur 50 Prozent ihres Schiffsraumes. Die Verluste an Menschenleben und Fracht lägen entsprechend ebenfalls niedriger als in dem Fall, das ein großes, statt zweier kleiner Fahrzeuge verloren ginge. In diesem Fall wäre ein Schiffsverlust für den Reeder existenzbedrohend. Das Risiko für den Versicherer wäre, auf Grund der höheren Versicherungssumme, ebenfalls deutlich größer.

Schiffsunglück
TS Taipei: Havariert und auseinander gebrochen - im neuen "Bermuda-Dreieck" in den asiatischen Gewässern.Bild: picture-alliance/dpa/R. B. Tongo

Wo es am teuersten ist

Interessant ist auch ein Blick auf die Geographie aus Sicht eines Schiffsversicherers. Geradezu sprichwörtlich geworden ist das "Bermuda-Dreieck" vor der Südwestküste der Vereinigten Staaten. In diesem Seegebiet sind über die vergangenen Jahrhunderte immer Schiffe verschwunden. Inzwischen existieren die fantastischsten Theorien darüber, warum gerade dort viele Schiffe - und auch Flugzeuge - entweder von der See verschluckt wurden oder sich einfach in Luft auflösten. In jedem Fall aber stellen sie einen Versicherungsschaden dar.

In der AGCS-Statistiken der vergangenen zehn Jahre taucht das Bermuda-Dreieck gar nicht mehr auf. Stattdessen, stellen die Münchner Versicherer fest, waren die meisten vermissten und gesunkenen Schiffe in asiatischen Gewässern unterwegs: Vor Japan, Korea und Nordchina wurden 2016 elf Totalverluste registriert und in den Gewässern zwischen Südchina, Indonesien und den Philippinen sogar mehr als doppelt so viele, nämlich 23.

Als Grund dafür vermutet die AGCS ein Zusammentreffen verschiedener Umstände: Das Wetter in diesen Seegebieten sei oft stürmisch, dort herrsche generell dichter Schiffsverkehr, es würden in diesen Gegenden Sicherheitsstandards oft nicht eingehalten und es seien verhältnismäßig viele nur unzureichend gewartete Schiffe unterwegs.