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Rosenjahre

1. November 2010

In dem Buch "Rosenjahre" erzählt die Schauspielerin Jasmin Tabatabai die Geschichte ihrer Familie zwischen dem Iran und Deutschland. DW-WORLD.de hat mit ihr über ihre Erinnerungen gesprochen.

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Jasmin Tabatabai (Bild: Ullstein)
Erinnerungen an die Revolution und die Grüne Bewegung: Jasmin TabatabaiBild: Jörg Steinmetz

DW-WORLD.DE: Sie erzählen die Geschichte Ihrer Mutter Rosemarie Otterbach, die sich Ende der 1950er Jahre als junges Mädchen in einen Iraner verliebt und ihm in seine Heimat folgt. Wie verwegen war das damals?

Jasmin Tabatabai: Ich glaube, das war schon ein sehr großer Schritt. Meine Mutter hat mir erzählt, dass Arbeitskollegen und Freundinnen ziemlich geschockt waren und sich auch nicht mit gut gemeinten Ratschlägen zurückgehalten haben. Jeder wusste von Geschichten zu berichten über Frauen, die in den Orient verschleppt wurden, denen der Pass weggenommen und die in einen Harem verkauft wurden. Aber sie hatte keine Angst, sie hat sich die ganze Zeit gedacht: "Was hat denn das mit Taba, also meinem Vater, und mir zu tun? - Nichts." Sie hatte ein Urvertrauen in ihn. Sie wusste, dass er aus einer modernen aufgeschlossenen Familie kam und war verliebt und abenteuerlustig genug, um sich auf die Reise zu machen.

Der Iran ist spätestens seit den umstrittenen Wahlen 2009 wieder in den Medien sehr präsent - Sie schreiben über den Iran der 1960er Jahre, in dem Ihre Mutter lebte: Sie lassen sie in dem Buch schwärmen über das schöne Land und die freundlichen Menschen, die "Rosenjahre", wie Sie es selber sagen. Wollen Sie der aktuellen Berichterstattung bewusst ein anderes Iran-Bild entgegen stellen?

Ja, die Geschichte meiner Mutter ist angesiedelt von 1958 bis 1978, das war die Zeit vor der Islamischen Revolution. Das war einfach ein anderes Land. Heute erinnert sich kaum noch jemand daran, dass Teheran in den 1970er Jahren die moderne Vorzeigestadt des Orients war: Moderne Teheranerinnen gingen mit schicken Frisuren und Miniröcken auf der Straße spazieren, es gab Diskos und wir gingen Ski fahren – das war eine richtig aufstrebende Stadt. Das hat sich natürlich in den 31 Jahren Islamischer Republik sehr gewandelt.

Heute hören wir aus dem Iran nur noch negative politische Schlagzeilen und die Wenigsten hier wissen wirklich etwas über den Iran und seine Menschen. Und ich wollte eine Geschichte erzählen mit dem Fokus auf die iranischen Menschen, ihre Kultur und ihre Mentalität.

Wie sind die iranischen Menschen?

Alle, die jemals im Iran waren, werden bestätigen, dass die Iraner unglaublich gastfreundliche Menschen sind, sehr herzlich, sehr aufgeschlossen und sehr freundlich. Und das ist auch mein Bild von den Iranern, Sie sind ein ganz wunderbares Volk.

Sie haben bis zu Ihrem 12. Lebensjahr im Iran verbracht - welche Erinnerungen haben Sie an das Land?

Alles, was man als Kind so aufsaugt, Gerüche, Klänge und Farbe. Allein die Farbe des Himmels: Ein Blau, wie man es hier im Norden gar nicht kennt. Oder ich erinnere mich an schöne Momente, wie die Sommerferien am Kaspischen Meer: Ich hatte eine sehr schöne Kindheit, an die ich gerne zurückdenke.

Familienfoto Tabatabai (Bild: Ullstein)
Familienfoto 1969: (v.l.) Asi, Mutter Rose, Nini (Jasmin), Amir, Vater, SusiBild: Ullstein/Familienfoto Tabatabai

Sie haben die Zeit unter dem Schah und die Islamische Revolution selbst miterlebt: Wie viel davon haben Sie damals im Alter von zwölf verstanden?

Die Zeit ist immer noch sehr präsent, ich war damals in einem Alter, in dem man das schon mitbekam. In vielen Familien sprachen die Erwachsenen darüber und wir Kinder schnappten das auf. Und auch in meiner Familie wurde sehr viel gestritten, weil der Schah nicht sehr beliebt war. Es gab ein Lager, das gesagt hat: "Hauptsache, der Tyrann ist weg!" Und das andere, zu denen auch mein Vater gehörte, die fragten: "Aber was kommt dann? Wollt ihr wirklich die Mullahs? Oder wollt ihr kommunistisch werden?" - Es war ja alles offen.

Chomeini hat damals kein Blatt vor den Mund genommen. Er hat von Anfang an gesagt, was er vorhat: Dass er die alleinige Macht will, dass er eine islamische Republik will, die Scharia, Rückkehr zu Anstand und Moral – und was die Herren darunter verstehen, das sehen wir heute.

Und wenn Sie heute die Nachrichten sehen: Von Menschen, die auf die Straße gehen und Basij-Milizen, die sie brutal niederknüppeln - was geht Ihnen dann durch den Kopf?

Das nimmt mich schon mit. Egal wie lange das her ist, ich nehme trotzdem sehr leidenschaftlich Anteil am Schicksal des Landes meiner Kindheit. Vor allem die jungen Menschen tun mir leid, weil ihnen die Lebensfreude geraubt wird. Sie müssen immer eine öffentliche und eine private Rolle spielen: Sobald sie auf die Straße gehen, müssen sie sich islamisch geben. Und wenn sie dann zu Hause sind, lassen sie, auf gut Deutsch gesagt, die Sau raus: Ich höre von Partys in Teheran, für die man Bestechungsgeld zahlt, damit man in Ruhe gelassen wird, und dass man dort jede Sorte Alkohol und jede Droge bekommen kann, die man will. Es ist viel heftiger als früher und vielleicht ist das alles das Ergebnis einer sehr bigotten Gesellschaft.

1986, bei der Beerdigung Ihres Vaters, waren Sie das letzte Mal im Iran - das ist 24 Jahre her, warum?

Ich war damals 19 Jahre alt und es war für mich sehr schmerzhaft, nicht nur wegen meines Vaters, sondern auch zu sehen, was aus meiner Heimat geworden ist und wie die Menschen leiden. Damals hatte ich mich gerade entschieden, Schauspielerin zu werden und mir war klar, dass es Schwierigkeiten geben könnte, wenn irgendjemand dort einen Film oder eine Szene sieht. Ich glaube, ich brauchte eine Art inneren Schutz, ich musste damit abschließen und nach vorne blicken.

Und heute ist es so, dass ich mich durchaus kritisch zur politischen Situation im Iran äußere. Ich will das nicht überbewerten, aber ich will auch nicht das Risiko eingehen, dorthin zu fahren. Aber ich würde sehr gerne zurückkehren, ich habe immer noch sehr große Sehnsucht nach dem Land meiner Kindheit und unter anderen Umständen würde ich gerne meinen Kindern und meinem Lebensgefährten mein Land zeigen.

Das Gespräch führte Ina Rottscheidt/Redaktion: Christine Harjes

Buchcover (Bild: Ullstein)
Bild: Ullstein

Jasmin Tabatabai wurde als Tochter einer deutschen Mutter und eines iranischen Vaters am 8. Juni 1967 in Teheran geboren. Nach der Islamischen Revolution ging ihre Mutter mit ihr und ihren Geschwistern zurück nach Deutschland.

Jasmin Tabatabai: Rosenjahre: Meine Familie zwischen Persien und Deutschland , Ullstein-Verlag 2010, 19,95 Euro