1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Sehnsucht nach Wachstum

Zhang Danhong21. Mai 2012

Die Menschen in Europa sind des Sparens überdrüssig. Sie horchen auf, wenn François Hollande vom Wachstum redet. Die Frage ist bloß: Wie kommt Wachstum zustande? Ein Sondergipfel am 23. Mai soll Möglichkeiten ausloten.

https://p.dw.com/p/14xKo
Bluehender Zweig. (Foto: Malus baccata Lady Northcliffe)
Symbolbild ApfelBild: picture-alliance/dpa/WILDLIFE/S.Bishop

Seit 2007 ist die Wirtschaftsleistung Griechenlands um rund ein Fünftel geschrumpft. Kein Wunder, dass trotz Sparens und Schuldenschnitts die Schuldenquote nächstes Jahr wieder auf 160 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) klettern wird. Für viele ist das Ursprungsland der Schuldenkrise das beste Beispiel dafür, dass das Krisenmanagement von Bundeskanzlerin Angela Merkel, das in erster Linie auf Haushalskonsolidierung setzt, gescheitert ist.

Das kommt auch bei den jüngsten Wahlen zum Ausdruck, meint der SPD-Politiker Gernot Erler im Deutschlandfunk: "Dabei ist mehrfach die Sparpolitik abgewählt worden, beziehungsweise gescheitert, zum Beispiel in den Niederlanden, Rumänien, Griechenland und Frankreich."

Der Bundestagsabgeordnete Gernot Erler (Foto: dapd)
Gernot ErlerBild: dapd

Alle reden vom Wachstum

Gerade die Präsidentenwahl in Frankreich hat den Sprachgebrauch in Europa verändert. "Sparen" ist out, "Wachstum" ist in. Das hat man auch in Berlin bemerkt. Vor Kurzem brachte die Bundesregierung sogar Eckpunkte für einen neuen Wachstumspakt auf den Weg. Darin heißt es, der Schlüssel zum Wachstum sei mehr Wettbewerbsfähigkeit und dafür seien Strukturreformen nötig. Im Klartext: kein zusätzliches Geld.

Da gähnt die Opposition und bezeichnet die Regierungserklärung als reine Rhetorik, denn mehr Wettbewerbsfähigkeit bedeutet weitere Lohnkürzungen und Strukturreformen sorgen für einen flexibleren Arbeitsmarkt, was in Krisenländern zu einer noch höheren Arbeitslosigkeit führt. Dabei hat die Bundesregierung auch Konkretes geboten: zum Beispiel die Mittel der Europäischen Investitionsbank und der EU-Strukturfonds.

Geld im Überfluss

Vor allem bei den sogenannten Struktur- und Kohäsionsfonds, die darauf ausgerichtet sind, das Entwicklungsgefälle in der EU auszugleichen, hat sich inzwischen ein schönes Sümmchen angesammelt. "Viele Mitgliedsstaaten haben in den letzten Jahren Geld beantragt und auch genehmigt bekommen", sagt Alexander Alvaro, Vizepräsident des Europäischen Parlaments. Letzten Endes seien die Summen aber nicht abgerufen worden. "Das hat zur Folge, dass derzeit 250 Milliarden Euro an aufgelaufenen Ansprüchen da sind", so Alvaro gegenüber der DW.

Alexander Alvaro, Vizepräsident des Europa-Paparlaments (Foto: dpa)
Alexander AlvaroBild: picture-alliance/dpa

Man kann sagen: Die herunter gewirtschafteten Länder sind nicht mal in der Lage, das vorhandene Geld in die Hand zu nehmen. Eine andere mögliche Erklärung lautet: Es geht den Ländern finanziell so schlecht, dass sie nicht mal ein Viertel der beantragten Summen aufbringen können, um das Geld abzurufen. Denn ein Eigenbeitrag in dieser Höhe ist Voraussetzung, um an die Mittel heranzukommen.

Hollande kennt kein Tabu

Dem neu gewählten französischen Präsidenten François Hollande dauert das alles zu lange. Ein schnelles Wachstum muss her, damit die klammen Staaten in die Lage versetzt werden, ihre Schulden zurückzuzahlen. Dabei scheinen ihm alle Mittel recht zu sein: höhere Steuern für die Reichen, Eurobonds oder auch einfach neue Schulden.

Der neue Präsident: François Hollande (Foto: AP)
Der neue Präsident: François HollandeBild: AP

Soweit will die deutsche Opposition nicht gehen. "Schulden" ist auf Deutsch ein solch hässliches Wort, dass die SPD lieber auf eine Finanztransaktionssteuer setzt, um mehr Wachstum zu finanzieren.

Schützenhilfe für die neuen Wachstumspolitiker kommt von der anderen Seite des Atlantiks. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman bezeichnet die europäischen Krisenmanager als die "Kaputtsparer". Im Handelsblatt schreibt er: "Die Vorstellung, dass Sparmaßnahmen die Konjunktur ankurbeln könnten, ist wenig glaubhaft, und unter den Bedingungen, wie sie 2010 herrschten und noch heute herrschen, ist sie absurd."

Eine Sowohl-als-auch-Strategie

Nicht absurd, aber blutleer findet Thomas Straubhaar die vor allem in Deutschland geführte Diskussion ("Entweder sparen oder wachsen"). "Vielmehr geht es um eine „Sowohl-als-auch-Strategie", schreibt der Präsident des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts ebenfalls im Handelsblatt: "Europa braucht beides mit Verstand und Vernunft: eine Wachstumsstrategie und eine Sparpolitik", so Straubhaar weiter. Denn ums Sparen wird auch Hollande nicht herum kommen. Wenn er 2013 das Haushaltsdefizit auf unter drei Prozent drücken will, muss er über zwei Prozent des BIP einsparen. Da bleibt wenig Spielraum für großzügige Gesten. Hollande werde laut über Wachstum und Gerechtigkeit reden und leise das Notwendige tun, ist Straubhaar überzeugt.

Prof. Thomas Straubhaar
Thomas StraubhaarBild: picture-alliance/dpa

Im Gegensatz zum Sparen kann Wachstum nicht angeordnet werden. Zudem gelinge es nicht kurzfristig, meint Alexander Alvaro, Vizepräsident des Europa-Parlaments: "Den Superdünger, mit dem morgen alle Blumen in Europa sprießen werden, gibt es leider nicht."