1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Selbstbedienungsladen Parlament

26. August 2010

Abgeordnete in Nigeria können eine Million Euro im Jahr verdienen. Auch in anderen Ländern Afrikas nutzen Parlamentarier ihre Position aus, um ihr Konto zu füllen: Kenias Volksvertreter fordern jetzt eine satte Erhöhung.

https://p.dw.com/p/OvNU
Abgeordnete in Kenias Parlament in Nairobi (Foto: AP)
Kenias Abgeordnete wollen ihre Diäten wieder erhöhenBild: AP

"Wenn die Menschen das Gefühl haben, dass die Abgeordneten ein dickes Gehalt bekommen, dann sollen sie doch selbst dem Parlament beitreten. Wartet fünf Jahre und stellt euch zur Wahl auf!", fordert der kenianische Abgeordnete Adan Duale seine Landsleute auf. Er kann die Aufregung um die Forderung seiner Kollegen, mal wieder ihre Diäten zu erhöhen, nicht verstehen. Rund 8000 Euro im Monat verdienen sie derzeit, fast 11.000 Euro fordern sie. Bei der einseitigen Debatte, die live vom nationalen Sender NTV übertragen wurde, sprachen die Abgeordneten häufig von steigenden Lebenshaltungskosten. Damit dürften sie wohl auch die Gefälligkeiten meinen, die mancher Wähler erwartet: So übernehmen die Abgeordneten schon mal die Krankenhausrechnungen oder das Schulgeld.

Maßnahme gegen Korruption?

Überblick über das Dorf Soweto, Teil des Slums von Kibera in Nairobi (Foto: DW)
Ein Großteil der Bevölkerung muss mit weniger als einem Euro am Tag auskommenBild: DW

Ein beliebtes Argument in vielen afrikanischen Ländern ist auch, dass ein höheres Gehalt die Korruption der Politiker eindämmt. Nach dem Motto: Wer viel verdient, lässt sich nicht schmieren. Der deutsche Wirtschaftsprofessor Johann Graf Lambsdorff hält das für falsch. Er forscht bereits seit 15 Jahren zum Thema Korruption und konnte für diese Argumentation noch keine Beweise finden. "Eine vernünftige, gute Bezahlung ist wichtig. Das sind jedoch keine Maßnahmen, um tatsächlich die Korruption zu bekämpfen." Stattdessen werde das Gegenteil erreicht, weil sich eine gewisse Selbstbedienungsmentalität breitmache, die dann verheerende Auswirkungen für das Land insgesamt habe, so der Wirtschaftsforscher.

70 Prozent des Staatshaushalts für Beamtengehälter

Eine Selbstbedienungsmentalität, die Kritiker auch in Nigeria bemängeln. Ein nigerianischer Senator, also ein direkt gewählter Vertreter eines Bundesstaates, erhält derzeit monatlich ein Basisgehalt von etwas mehr als umgerechnet 1.000 Euro. Hinzu kommen verschiedenste Zuschüsse, wie beispielsweise die Pauschale für Unterhalt oder Möbel. Durch diese Extraleistungen kommt jeder der über 100 Senatoren nach Berechnungen des pensionierten Juraprofessors Itse Sagay aus Lagos auf rund 1,2 Millionen Euro Einkommen im Jahr. Das sind etwa 100. 000 Euro im Monat. So fließen mehr als 70 Prozent des nigerianischen Nationaleinkommens laut Sagay in den Beamtenapparat, während ein Großteil der Bevölkerung mit weniger als einem Euro am Tag auskommen muss.

"Es ist lächerlich, dass Abgeordnete in einem unterentwickelten Land ein Vielfaches der Gehälter und Zuschüsse von Abgeordneten in hochmodernen und entwickelten Ländern bekommen", entrüstet sich Sagay. Zum Vergleich: Ein deutscher Bundestagsabgeordneter verdient rund 7500 Euro im Monat, hinzu kommt eine feste Pauschale von fast 4000 Euro. In vielen afrikanischen Staaten sind diese Pauschalen flexibler gestaltet. So erhalten Parlamentarier im Kongo Zuschüsse für Sicherheitspersonal. In Benin dagegen erhält jeder Abgeordnete einen vergleichsweise hohen Familienzuschlag.

Moralische Zweifel

Kenias Premierminister Raila Odinga (Foto: AP)
Hat moralische Bedenken gegen eine Diäten-Erhöhung: Raila OdingaBild: AP

Dadurch entstehen mehrere Nischen, die es den Parlamentariern ermöglichen, noch mehr Geld in die eigene Tasche zu wirtschaften. Die Senatoren in Nigeria versuchen momentan ihre jährlichen Zuschüsse von fast einer Million Euro zu verdoppeln – obwohl sie schon jetzt das Zehnfache ihrer deutschen Kollegen verdienen. Doch die Forderungen haben gute Chancen, meint Itse Sagay: "Kein Geld oder Gehalt der Welt kann sie befriedigen, so lange sie die Möglichkeit haben immer noch mehr rauszuschlagen. Sie dienen nicht der Bevölkerung, sondern sie dienen sich selbst." In Kenia wurde die Forderung nach mehr Gehalt nun vorerst abgeblockt. Der Finanzminister teilte mit, dass schlicht das Geld fehlt. Und Premierminister Raila Odinga zeigte sogar moralische Zweifel. Er hätte nach der geforderten Gehaltserhöhung 240 Mal so viel wie der Durchschnittsbürger in Kenia verdient.

Autor: Adrian Kriesch

Redaktion: Stephanie Gebert

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen